400 Millionen Nutzer vs. Facebook-Verweigerer

Nicht alle Menschen lassen sich von der facebook-Welle mitreißen. Foto: Lara Behrens

Über 400 Millionen Nutzer sind mittlerweile bei Facebook angemeldet. Doch hingegen der Annahme, mittlerweile sei Jeder Teil eines social networks, lassen sich nicht alle von der Facebook-Welle mitreißen. BiTSnews hat darüber mit Studenten gesprochen.

Trend ist evolutionär bedingt

„Das Bedürfnis zum Knüpfen von Kontakten und Freundschaften ist bei einem sozialen Wesen, wie dem Menschen, etwas durchaus Übliches und existiert in seiner Grundlage auch schon so lange, wie es den Menschen selbst gibt. Evolutionsbiologisch lässt sich das damit erklären, dass der Mensch als Individuum im Gegensatz zu vielen anderen Tieren nicht überlebensfähig wäre und daher notwendigerweise soziale Strukturen benötigt“, so erklärt Stefan, Student der Rechtswissenschaften in Münster, das Phänomen Facebook. In Zeiten des Internets habe nun jeder die Möglichkeit nicht mehr nur mit Personen in der näheren Umgebung das Bedürfnis nach Kommunikation auszuleben, sondern mit jeder beliebigen Person auf der Welt. Zudem könne man Freundschaften mit weniger Aufwand aufrechterhalten.

Freund ist nicht gleich "Freund"

Doch genau darin sieht Anna ein Problem. „Was man im Internet „Freund“ nennt, sind teilweise irgendwelche Kneipenbekanntschaften, die man mal kennen gelernt hat und dann als Freund hinzufügt.“ Auch Stefan ist der Meinung, dass man kaum eine Freundschaftsanfrage ablehne, um denjenigen nicht zu enttäuschen oder zu verletzen. Er sieht damit das Argument als hinfällig an, dass man seine Einträge an eine überschaubare Personengruppe postet. Generell seien die Aktivitäten eines durchschnittlichen Nutzers wohl eher weniger zur direkten Kommunikation bestimmt, als zur Selbstdarstellung. Der durchschnittliche Nutzer produziert ca. 70 Beiträge jeden Monat. Dass es dann einfach ist, sich so darzustellen, wie man gesehen werden möchte, darüber sind sich Anna und Stefan einig. „Diese Plattformen haben sich mittlerweile zu Selbstmarketing-Schauplätzen entwickelt. Vielleicht bekommen diese Selbstdarsteller darüber die Aufmerksamkeit, die ihnen im wahren Leben fehlt“, spekuliert Anna. Stefan ergänzt: „Das Internet bringt durch die fehlende persönliche Nähe für viele Personen Vorteile mit sich. Denn sie ermöglicht ihnen sich nur von der „Schokoladenseite“ zu zeigen und eventuell bestehende negative Charaktereigenschaften weitgehend zu unterdrücken.“

Internet verdrängt reale Aktivitäten und Interaktionen

Warum also genau sind die beiden, wie viele andere, nicht bei Facebook angemeldet? „Schon sehr früh habe ich die Beobachtung machen können, dass soziale Netzwerke trotz ihrer ungeahnten Möglichkeiten auch zahlreiche Nachteile und Gefahren mit sich bringen. Viele Nutzer werden abhängig und verbringen zunehmend mehr Zeit im Internet. Das lässt weniger Raum für reale Aktivitäten und Interaktionen“, erklärt Stefan aus Münster. Zudem beunruhige ihn, dass Hacker soziale Netzwerke als eine große Datenbank mit unzähligen persönlichen Daten begriffen haben. Anna sieht es eher pragmatisch: „Ich hab keine Lust und keine Zeit mich selbst darzustellen oder den Selbstdarstellungsbedürfnissen meiner „Freunde“ eine Plattform zu geben. Ich habe kaum Freunde, die ich nicht auch anders kontaktieren könnte.“

David Lucas, Communication&Media Management-Student an der BiTS, beschäftigt sich nicht nur im Zuge seines Studiums sehr intensiv mit sozialen Netzwerken. Auch privat ist er intensiver Nutzer von Facebook. „Ich bin täglich bei Facebook und schreibe Einträge oder kommentiere solche meiner Freunde. Mich begeistert vor allem die Möglichkeit, mit Bekannten in Kontakt bleiben zu können, die man durch Workshops oder Veranstaltungen kennen gelernt hat. So verliert man sich nicht aus den Augen und kann sehr einfach in Verbindung bleiben.“

Auch ohne Account toleriert

Die Diskussion um Sinn und Unsinn sozialer Netzwerke wird es wohl noch lange geben. Stefan zum Beispiel erklärt jedem, der ihn fragt, gerne seinen Standpunkt und warum er keinen Account bei Facebook hat. Dabei kommt es nicht selten vor, dass er zunächst mit offenen Augen angestarrt wird. „Aber erstaunlicherweise macht mir keiner Vorwürfe.“ So sieht er auch für die Zukunft kein Problem, diesen Status halten zu können.  

Einige von Annas Freunden stimmen ihr zu, andere können ihre Ansichten nicht unbedingt teilen, respektieren sie jedoch. „Das ist doch das Schöne. Wir sind mittlerweile alle in einem Alter, in dem jeder seinen Weg geht und dabei toleriert wird“, beendet Anna, die auch in Zukunft ohne Facebook-Account durchs Leben geht, ihre Ausführungen.

Von Lara Behrens

*Name von der Redaktion geändert

Veröffentlicht am 17.05.2010