Die Würde des Menschen ist unantastbar – oder etwa nicht?

Wenn der Hammer fällt, haben die Zuschauer geurteilt. Foto: Pixabay

Diesen Sonntag wird das Parktheater Iserlohn zum Gerichtssaal. Deutschlands erfolgreichstes Bühnenstück „Terror“ ist zu Gast im Märkischen Kreis und sorgt für Diskussionen, denn jedem Besucher wird Macht zuteil, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Ein Ausblick.

Menschen schreien panisch durcheinander. Man hört aufgeregte Funksprüche. Dann ist Stille, Totenstille. Aufblende. Der Angeklagte Lars Koch wird in den Gerichtssaal geführt, begleitet von seinem Anwalt. Das anfängliche Gemurmel der Zuschauer, die heute auch selbst ein Teil des Theaterstückes sein werden, wird lauter. Für einen Abend wird ein jeder von ihnen zu einem Schöffen, mit dem Recht, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Nun betritt der Richter den Saal, sofort wird es ruhiger. Die Verhandlung kann beginnen.

War es das kleinere Übel?

Doch was wird hier eigentlich verhandelt? Ein kleiner zeitlicher Sprung. Es ist Sommer, ein Flugzeug der Lufthansa, vollbesetzt mit 164 Passagieren, wird von Terroristen gekapert. Sie drohen, den Flieger in die ausverkaufte Allianz Arena in München zu stürzen und bedrohen so weitere 70.000 Menschenleben. Der Angeklagte, Lars Koch, ein Mayor der Luftwaffe und Teil einer Abfangrotte, steigt mit seinem Kampfjet auf und entscheidet eigenmächtig, gegen den Befehl seiner Vorgesetzten, das Flugzeug abzuschießen. 164 Menschen kommen dabei zu Tode. Vermeintlich traf es das kleinere Übel – oder etwa doch nicht?

Es ist kein normales Theaterstück, das den Zuschauer am Abend des 31. Oktober im Parktheater in Iserlohn erwartet. Es ist auch kein einfaches, es ist wahnsinnig komplex und zudem hochaktuell. Es beschäftigt sich mit weitreichenderen Fragen als der Schuld- oder Unschuldsfrage. Das Theaterstück des Erfolgsautors Ferdinand von Schirach, seines Zeichens selbst ein Anwalt, stellt die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Werden die Menschen sich für die Freiheit oder die Sicherheit entscheiden? Wollen sie, die Würde des Menschen unangetastet lassen, trotz der drohenden Terrorgefahr? In dem Moment, wo Lars Koch entscheidet, das Flugzeug abzuschießen, macht er die Insassen zu Objekten, deren Leben weniger wert ist als das der Stadionbesucher. Und das, so urteilte schon Kant, ist dem Menschen nicht würdig.

„Terror“ ist ein Plädoyer für die Freiheit des Wortes

Schirachs Schauspiel ist nicht ohne Grund das erfolgreichste Bühnenstück, noch vor Mozarts „Zauberflöte“. Es ist in seiner Art so einzigartig, dass sogar die ARD entschied, den Fall vor Gericht zu bringen. Auch hier durfte Fernseh-Deutschland eine Entscheidung fällen. Und auch hier führte die angeschlossene Diskussionsrunde bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ zu keinem konkreten Ergebnis. Doch das macht es gerade aus. Die Argumente, sowohl der Verteidigung als auch der Staatsanwaltschaft, sind so ausgewogen präsentiert, dass der Zuschauer während des Abends mehrmals zwischen schuldig und unschuldig schwankt und die endgültige Entscheidung doch nur ein Bauchgefühl wiedergibt.

Im Jahr 2015 drängte sich der Terror auch in unser freies, europäisches Leben. Das Attentat auf Charlie Hebdo stellte den Anfang einer Kette an Grausamkeiten dar, die längst noch nicht ihr Ende erreicht hat. Schirachs Buch und Bühnenstück „Terror“ ist ein Plädoyer für die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Menschen, der Unantastbarkeit menschlichen Lebens, in Zeiten der Bedrohung unserer westlichen Werte. 

Eintrittskarten für die Abende im Parktheater Iserlohn lassen sich unter der Telefonnummer 02371 / 217-1819   reservieren. 

Von Konstantin Holtkamp
Veröffentlicht am 30.10.2016