Ein Bestatter mit Herz und Seele

Egal ob Buche, Kiefer oder Eiche. Andree Braun hat eine große Auswahl an Särgen in seiner Galerie. Foto: Lisa Körtke
Der Bestatter bekommt die lackierten Särge zwar geliefert, individuell gestaltet und ausgepolstert werden sie jedoch von ihm persönlich. Foto: Lisa Körtke

Iserlohn. Gestorben wird immer. Daraus auch noch einen Beruf zu machen und Profit zu schlagen ist für viele Menschen schwer nachzuvollziehen, beinahe makaber. Beim Gedanken an einen Bestatter schießt einigen das Bild eines kaltherzigen, alten Mannes in den Kopf. Andree Braun, seines Zeichens Bestatter in der zweiten Generation ist jedoch genau das Gegenteil. BiTSnews traf den sympathischen Iserlohner in seinem Büro in der Pütterstraße und lernte, dass es um mehr geht, als nur um Friedhöfe und kalte Särge.

Maerkzettel: Wie sind Sie zu dem Beruf gekommen?

Andree Braun: In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Ausbildung zu diesem Beruf. Sie können höchstens eine kaufmännische Ausbildung machen. Ich bin reingeboren. Meine Eltern hatten schon immer ein Beerdigungsinstitut. Vor diesem Beruf habe ich bei Schreinereien und Möbelhäusern gearbeitet Irgendwann hat sich das dann ergeben, dass ich den jetzigen Laden mit meiner Frau übernehmen konnte. Meine Eltern haben noch ein Institut, wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Seit zehn Jahren bin ich nun schon selbstständig.

Maerkzettel: Warum sind Sie Bestatter geworden? Was ist ihr Ansporn diesen Beruf auszuüben?

Andree Braun: Ich kann helfen. In dem Beruf kann ich richtig helfen. Und man kriegt verdammt viel Dank von den Angehörigen. Ich hab ja schon viele Berufe ausgeübt, aber so viel Dank wie in diesem Beruf hab ich noch nirgends bekommen.  

Maerkzettel: Was fällt alles in Ihren Zuständigkeitsbereich und um was kümmern Sie sich bei einer Bestattung?

Andree Braun: Wir regeln die ganzen Sozialversicherungsdinge. Auf dem Friedhof geht es weiter mit Blumenschmuck, mit Pastoren, nachher das Kaffeetrinken. Sozusagen ein Rundum-Sorglos-Paket. Die Angehörigen haben in dem Moment einfach keinen Kopf dafür. Wir machen alles von A bis Z.

Maerkzettel: Wie managen Sie es, dass die ganzen Geschichten nicht zu nah an Sie rankommen?

Andree Braun: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Verstirbt ein junger Mensch, ein Kind, das kann man nicht so einfach von sich schütteln, das tragen sie ein paar Tage mit sich. Aber ich rede dann viel mit meiner Frau und unser Hund bringt mich oft auf andere Gedanken.

Maerkzettel: Wie verhalten sich die Angehören Ihnen gegenüber? Bekommen Sie mit, wie die Trauernden sich fühlen?

Andree Braun: In solchen Momenten ist es ganz selten, dass wirklich jemand kontrolliert ist. Sie bekommen hier schon ganz tiefe Einblicke in die Seele des Menschen gegenüber.

Maerkzettel: Gibt es auch schon mal Streit zwischen den Angehörigen während eines Gesprächs?

Andree Braun: Also nicht direkt Streitereien über die Beerdigung. Es gingen dann schon Streitereien über das Erbe los. Ich verzeih ja alles, die Leute sind in Trauer. Und ich lehne mich dann zurück, verschränke meine Arme und höre den Leuten dann zu. Und irgendwann merken sie wo sie sitzen und dann sagen sie „Entschuldigung, jetzt beschäftigen wir uns wieder mit dem eigentlichen Thema.“

Maerkzettel: Bestattungen sind recht kostspielig. Wie sieht das aus, wenn Angehörige nicht genug Geld aufbringen können und was gibt es da für Möglichkeiten?

Andree Braun: Die beste Möglichkeit ist natürlich das Sozialamt. Aber die ermitteln sehr genau: Ob die Geschwister noch Geld haben, oder ob die Kinder noch Geld haben. So dass wir mittlerweile leider sagen müssen, Sozialamt-Bestattungen nehmen wir nicht mehr an. Ich kann mich eben nicht darauf verlassen, ob ich mein Geld am Ende bekomme. Es ist schwer, den Leuten im Moment der Trauer zu sagen, dass man auch noch Geld von ihnen benötigt. Man sagte mir einmal, man müsse es so nüchtern betrachten wie einen Autokauf. Das geht leider nicht anders, das Geld muss irgendwo aufgebracht werden.

Maerkzettel: Gibt es manchmal auch kuriose Sargbeigaben der Angehörigen?

Andree Braun: Einmal wurde eine volle Schachtel Zigaretten mit reingelegt, mancher bekommt eine Pulle Schnaps. Ganz süß ist immer, wenn die Enkelkinder Bilder malen. Ganz kurios war ein Fall: Da wurde der Sarg im Haus aufgebahrt und als wir ihn abholen wollten, war der ganze Sarg voller bunter Kieselsteine.

Maerkzettel: Finden Sie, dass das Thema Tod in der Gesellschaft ein Stück weit verdrängt wird?

Andree Braun: Leider. Es ist zwar nicht mehr ganz so schlimm wie früher, aber es wird immer noch auf die lange Bank geschoben. Es ist halt immer noch etwas anderes wenn man einen Bestatter aufsucht, als wenn man zum Friseur geht.

Maerkzettel: Gibt es Nachwuchs in der Branche, oder ist der Beruf nicht sonderlich beliebt bei jungen Menschen?

Andree Braun: Durch die ganzen TV-Serien, wo Bestatter und Gerichtsmediziner immer häufiger gezeigt werden, wächst das Interesse an diesem Beruf. Sie glauben gar nicht wie viele Anfragen wir für Praktika und Ausbildungen haben. Aber da wir nur ein kleiner Familienbetrieb sind, können wir das nicht.

Maerkzettel: Was sollte jemand an Charaktereigenschaften mitbringen, wenn er Bestatter werden möchte?

Andree Braun: Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. Den Umgang mit den Verstorbenen kann man nicht lernen. Entweder man kann es, oder man lernt es nie.

 

Von Lisa Körtke und Ramona Dröst
Veröffentlicht am 29.05.2012