Ein Filmvortrag – „After the Apology“ 

Letmatherin setzt sich für Aborigines ein. Foto: Anastasia Baranova

LETMATHE. Jahrzehntelang wurden die Kinder von australischen Ureinwohnern ihren Familien beraubt. Ihnen wurde nicht nur die Familie gestohlen, sondern auch Identität und Sprache – daher nennt man die Kinder „Gestohlene Generation“. Mit ihrem Filmvortrag in der Bücherei in Letmathe will Veranstalterin Sabine Kacha, auf dieses Thema aufmerksam machen. Denn nicht nur damals, sondern auch heute ist das Thema so aktuell wie je. Sie ist Letmatherin, die nach Australien ausgewandert ist.

Es werden einzelne Filmausschnitte aus dem englischsprachigen Film „After the Apology“ (deutsch: nach der Entschuldigung) gezeigt und mit Erklärungen auf Deutsch und zusätzlichen Informationen begleitet. Der Film wurde letztes Jahr veröffentlicht und handelt von vier australischen Großmüttern, die verzweifelt um ihre Enkelkinder kämpfen, die ihnen von den Behörden weggenommen wurden. 

Hintergrund – die „Gestohlene Generation“ 

1788 nahmen die Briten den Kontinent Australien als Sträflings-Kolonie ein und ein dunkles Kapitel für die Ureinwohner, die Aboriginies, begann. 1814 wurden die ersten Ureinwohner-Kinder ihren Familien entrissen und in spezielle Einrichtungen geschickt. Ziel war es, sie ganz im Sinne der weißen Kultur zu erziehen. Die Kinder sollten die englische Kultur und Sprache annehmen. „Damals wurde gesagt, dass man sie nur so zivilisieren konnte“, sagt Sabine Kacha. 2008 entschuldigte sich der damalige Ministerpräsident, Kevin Rudd, im Namen der australischen Regierung bei den Ureinwohnern und besonders bei der „Gestohlenen Generation“. Er versprach ein neues Kapitel in Australiens Geschichte aufzuschlagen und die Ureinwohner hegten dadurch gewisse Erwartungen – sie hofften auf Gleichberechtigung. Offiziell heißt es, dass diese dunkle Phase in der australischen Geschichte von 1910 bis in die 1970er Jahre ging – die Realität sieht jedoch trotz Entschuldigung anders aus. 

Der Kampf der Großmütter 

Sabine Kacha steht persönlich im engen Kontakt mit den Großmüttern aus dem Film. Aus einem Brief von ihnen liest sie vor: „Wir fühlen uns sehr geehrt, dass ihre Gemeinde sich entschieden hat, unsere Geschichten zu hören. Die Bedeutung und Wichtigkeit von Familie ist universell und geht über alle Grenzen hinweg. Wir werden den Kampf um unsere Kinder und Kultur fortsetzen“. 

Der erste Ausschnitt den Sabine Kacha zeigt, handelt von der Großmutter Suellyn, die immer gedacht hat, dass Kinder nicht so einfach weggenommen werden können – bis eines Nachts ein Anruf kam, dass die Behörden ihre Enkelkinder haben. Eine weitere Geschichte ist die von Hazel, die die Gruppe „Großmütter gegen Kinderwegnahme“ gegründet hat. Ihr wurden ebenfalls drei Enkelkinder weggenommen und nur unter strenger Überwachung durfte sie Kontakt zu ihnen haben. Mit der Gruppe, in der alle vier Großmütter Mitglieder sind, übte Hazel, Druck auf die Regierung aus und bekam so ihre Enkel zurück. Die Frauen kannten sich vorher nicht und die vier ähnlichen Schicksale zeigen, dass es ein grundsätzliches Problem des ganzen Regierungssystems ist, denn die Anzahl der weggenommenen Kinder steigt, anstatt zu sinken – und dass trotz der Entschuldigung des Ministerpräsidents vor zehn Jahren. „2007 waren es insgesamt 9054 Kinder, die nicht bei ihren Eltern lebten und letztes Jahr im Juni waren es 17664“ , sagt Sabine Kacha.  

„Wenn man sorry  sagt, bedeutet es, dass man es nicht nochmal macht“ 

Seit 1988 setzt sich Sabine Kacha, die ursprünglich aus Letmathe kommt, für die Rechte der Ureinwohner ein und schloss sich der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ an. Durch verschiedene Bücher, die sie gelesen hatte, ist sie auf die Situation der Ureinwohner Australiens aufmerksam geworden. In ihr weckte sich der Wunsch, sich für diese Menschen einzusetzen. Ihre Position ist dabei klar deutlich: „Wenn man „sorry“ sagt, bedeutet es, dass man es nicht nochmal macht“, sagt Sabine Kacha.  

2008 wanderte sie nach Australien aus und beteiligte sich an zahlreichen Protesten. Mit den Großmüttern aus dem Film reiste sie durch Australien und demonstrierte mit ihnen. Mit ihrem Filmvortrag will sie über die Kultur der Ureinwohner aufklären und vermitteln, wie ernst es um das erste Volk Australiens steht und dass sich zehn Jahre nach der offiziellen Entschuldigung nichts verbessert hat. „In einigen Medien werden Ureinwohner missverstanden und falsch interpretiert. Dies hängt vor allem mit der Unwissenheit über die Kultur zusammen“, erklärt Sabine Kacha. 

Von Anastasia Baranova
Veröffentlicht am 31.05.2018

Anastasia Baranova

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