Heilig Abend – Dieses Jahr alles andere als besinnlich

Wanja Mues und Jaqueline Macaulay in ihrem Element

Lüdenscheid. Es ist Heiligabend. 22.30 Uhr um genau zu sein. Christen verbinden mit diesem Tag Friedenshoffnungen und Besinnlichkeit. Doch dieses Jahr ist der 24. Dezember alles andere als besinnlich, denn möglicherweise soll um Mitternacht eine Bombe explodieren. Das Stück „Heilig Abend“, nach Bestsellerautor Daniel Kehlmann, wurde am vergangenen Donnerstag im Kulturhaus aufgeführt.

Daniel Kehlmann ist unter anderem für seine Bestsellerbücher „Tyll“ und „Die Vermessung der Welt“ bekannt. Dieses Mal interessierte ihn etwas anderes. Der spezielle und strenge Zeitrahmen stand im Vordergrund. Deshalb entschied sich Kehlmann für ein Theaterstück in Echtzeit. „Eine Reduktion auf die Grundsubstanz des Dramatischen - den Konflikt zwischen zwei Menschen“, wird er im Begleitheft zitiert. Das dramatische Theaterstück feierte schon Anfang des Jahres in München Premiere. Dort war Daniel Kehlmann selbst vor Ort.

Das erste was man sieht sind eine schlichte, in weiß gehaltene Bühne und eine elektronische Anzeige, die von 22.30 Uhr an die Minuten bis Mitternacht zählt. Die beiden Figuren sind Polizist Thomas und Philosophie-Professorin Judith, verkörpert von Wanja Mues und Jaqueline Macaulay. Sie soll einen Anschlag geplant haben, wird von der Polizei bei einer Taxifahrt gestoppt und in einem Verhörraum mit Handschellen ans Abflussrohr eines Waschbeckens gefesselt. Thomas weiß alles über sie. Judiths Ex-Mann hat Affären mit Studentinnen, ihre Eltern einen Schäferhund und sie raucht heimlich. Ihr Ex-Mann Peter - er ist der springende Punkt. Denn Thomas vermutet, dass Judith mit Peter einen Bombenanschlag geplant hat.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Während des 90-minütigen Verhörs liefern sich beide ein Schlagabtausch wie Katze und Maus. Thomas betont immer wieder „Seien sie präzise“ und das bringt Judith ganz schön zur Weißglut. Während er arrogant lächelt und ihre Fragen ignoriert, schreit sie immer wieder. Doch Judith kommt aber drum herum, ihm zu antworten. Über der Bühne leuchtet in grellen, weißen Ziffern die Digitalanzeige der Uhr. Und die Zeit läuft…

Doch in dem Verhör geht es nicht nur um Terrorismus, auch um Flüchtlinge und den Überwachungsstaat. Angelehnt daran zerreißt Polizist Thomas, während er Judith ihre Rechte von einem kleinen Zettel vorliest diesen symbolisch in Fetzen. Besonders hervorgehoben werden Thomas und Judith durch ihre überwiegend schwarze Kleidung. Es werden aber auch wesentlich existenzielle Fragen gestellt. Etwas wie „wer ist für den Hunger und die Armut in der Welt verantwortlich?“ Judith diskutiert aber auch über den Nutzen von Dschihadisten, für den Rechtsstaat und den Uranabbau in Niger. «Unter unserer Glasglocke herrscht Menschlichkeit, draußen herrscht Chaos», sagt sie dann. Viele verschiedene Fragen und Themen, die aber alle dasselbe beim Zuschauer entfachen. Sie regen ihn zum Nachdenken an. 

Das Blatt wendet sich

Das Ganze eskaliert. Das Verhör artet in körperliche Gewalt aus. Thomas boxt Judith in den Bauch. Dann reißt er ein Stück des Telefons, was auf dem Tisch im Verhörraum platziert ist, samt Steckdose aus der Wand.  Er beginnt zu grübeln. Gibt es gar keine Bombe? Wenn es doch eine gibt, hat Judith sie überhaupt gebaut? Oder war es ihr Ex-Mann Peter?

Anderthalbstunden sind um. Das Licht im Kulturhaus geht schlagartig aus. Ein Raunen geht durch das Publikum. Ein Schuss ertönt. Doch was passiert, weiß der Zuschauer nicht. Das Ende bleibt offen. So kann jeder für sich selbst entscheiden, wer Recht hat. Die Uraufführung des Stücks fand bereits 2017 in Wien statt.

Von Sophie Louise Beckmann
Veröffentlicht am 12.12.2018

Sophie Louise Beckmann

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