Lass uns Freunde sein

Sind so wenige Informationen genug, um bei Facebook Freunde zu finden? Bild: Christian Ferreira

Iserlohn. Die Zahl der Freunde in sozialen Netzwerken ist heutzutage ein großer Indikator für Beliebtheit. Doch kennen die Leute jeden einzelnen ihrer vielen Freunde persönlich? BiTSNews hat dies getestet und förderte Interessantes zu Tage.

Kip Drodry hat keine Freunde. Wesentlich schlimmer: Kip Drodry hat 0 Freunde auf Facebook. Kip Drodry ist eine Figur aus einer der neuesten Episoden der satirischen Zeichentrickserie South Park, die sich mit dem Phänomen und den „Nebenwirkungen“ des sozialen Netzwerks auseinander setzt. Am Tag nach der Ausstrahlung besagter Folge (treffend betitelt :„You Have 0 Friends), fand man auf Facebook ein Profil von Kip Drodry, das bis zum heutigen Tag über 200.000 Fans gefunden hat. Nun ist Kip eine fiktive Figur, bekam aber in Windeseile viele Anhänger. Und die Nutzer können Ähnliches am eigenen Leib erfahren: Die Liste der Freundschaftsanfrage quillt über mit Personen, die man beim besten Willen nicht kennt. Einige davon sind recht offensichtlich ebenfalls rein fiktiv und nur darauf aus, dem User, sagen wir mal, neue „Erwachsenenbekanntschaften“ oder ähnliches mit suspekten Webseiten näher zu bringen. Doch es gibt auch weniger eindeutige Fälle. Name, Gesicht, Profilinformation: Das ein oder andere Detail kommt einem entfernt bekannt vor. Ist man bereit, diesem Menschen Zugang zur wichtigsten Visitenkarte unserer Zeit zu geben? BiTSNews entschied sich für einen Praxistest.

Dennis Schrödinger: Ein Mann mit Profil

Die Frage, die wir uns gestellt haben: Wie schnell nehmen Facebookuser Freundschaftsanfragen an? Dazu bedurfte es natürlich eins: Ein Profil. Die erste Entscheidung, die gefällt werden musste: Welchen Namen soll das digitale Ego tragen? Das ganze sollte ein Experiment darstellen. Denkt man nun an berühmte Versuche der Menschheitsgeschichte, fällt einem vielleicht das Gedankenexperiment um Schrödingers Katze ein. In Anbetracht der ungesunden Besessenheit des Internets in Bezug auf Katzen schien Schrödinger ein passender Name. Dazu noch ein Allerweltsvorname und fertig war die Persönlichkeit, die bei BiTS-Studenten vorfühlen sollte, ob sie an einer virtuellen Bekanntschaft interessiert seien: Dennis Schrödinger.

Von Indern, Dozenten und der Frage „Wer bist du eigentlich ?“

Dazu noch die BiTS Iserlohn als Hochschule sowie das Datum des künftigen Abschlusses eintragen und fertig ist das Profil. Nicht einmal ein Bild wurde hochgeladen, denn die Leute, die reflexartig auf den „Bestätigen“-Button klicken, würden sich ohnehin nicht die Mühe machen, die Lebensgeschichte des Dennis S. zu lesen. Doch kaum hat er das Licht der Internetwelt erblickt, erfährt er den ersten Dämpfer. Gibt man bei Facebook an, die BiTS zu besuchen, tummeln sich unter den automatischen Freundschaftsvorschlägen Unmengen von Menschen, die eine gleichnamige Universität in Pilani, Indien besuchen. Globales Dorf, verflucht seist du! Den einen oder anderen pickt sich Dennis aus der Masse der Vorschläge aus, doch richtig produktiv ist das Ganze nicht. Die zündende Idee: Wo findet man auf Facebook BiTS-Studenten? Unter den glühenden Anhängern von BiTSNews! Mit ein paar Mausklicks sind so nun über 30 Anfragen versendet. Nun zieht sich Dennis zurück und wartet.

Um es kurz machen: Bei den Informationen, die die Leute über Dennis einsehen, beziehungsweise nicht einsehen konnten, und denen, die man sie über sich selber damit preisgeben, ist das Resultat dieses kleinen Versuches schon ein wenig erschreckend. Jede zweite Anfrage führte zum Erfolg. Nur zweimal ging eine Nachricht ein, in der gefragt wurde „Kennen wir uns?“

Doch den Nutzern von sozialen Netzwerken muss klar sein, dass hier drin auch Gefahren liegen. Dass angeblich Personaler das Internet nach peinlichen Fotos von Bewerbern durchforsten, dürfte jeder schon einmal gehört haben. Dass es nun sogar vorkommt, dass die Polizei dasselbe macht, um mutmaßliche Straftäter zu finden, dürfte noch mehr zu denken geben. Darüber hinaus: Würde man durch die Fußgängerzone laufen und wahllos Passanten die Bilder der letzten Partynacht unter die Nase halten ?

Wenn man sich dies alles vor Augen hält, möchte man dann doch erfahren, was die Betroffenen dazu bewegt hat, die Anfrage anzunehmen oder abzulehnen. Lara Behrens, 2. Semester JBC meint dazu : „Ich habe nur gesehen, dass wir viele Freunde gemeinsam haben und dass er auch an der BiTS ist. Auf das Foto hab ich gar nicht geachtet.“ Im Gegenzug sagt ihr Kommilitone Sebastian Wolf: „Gerade aus Datenschutzgründen lass ich nur Leuten vollen Zugriff auf meine Seite, die ich auch kenne“. Größter „Fang“ der ganzen Aktion war aber sicherlich Prof. Dr. Roland Schröder, Dozent an der BiTS, der scheinbar nicht lange zögerte: „Der Name Dennis Schrödinger kam mir irgendwie bekannt vor. Das liegt vermutlich daran, dass ein ehemaliger Student von mir ähnlich hieß. Und als ich dann noch gesehen habe, dass er die BiTS als Hochschule eingetragen hatte, war für mich die Verbindung da.“


Von Christian Ferreira

Veröffentlicht am 17.06.2010