Leslie Malton

„Sie können nicht miteinander, sie können nicht ohne einander“

Schauspielerin Leslie Malton verkörpert die Rolle der Martha. Foto: Désiree Sophie Schneider
Im Bann der Bühne: Das Parktheater wird zur Schaufläche des Ehekrieges. Foto: Désiree Sophie Schneider

ISERLOHN. Auf der Bühne des Iserlohner Parktheaters sind Dienstagabend die Fetzen geflogen. Mit hitzigen Wortwechseln und humorvollen Schlagabtauschen bekriegen sich die Schauspieler Leslie Malton und Felix von Manteuffel in den Rollen von Martha und George. Das Schauspiel „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee zeigt Abgründe der Ehe und einer innigen Liebe. Es ist sehr ernst und auch humorvoll, doch vor allem realistisch, findet Leslie Malton.

Es ist zwei Uhr morgens. Martha und George kommen locker leicht angetrunken nach Hause in ihr Wohnzimmer. George ist Professor einer Universität und seine Frau Martha ist die Tochter des Rektors dieser Universität. Sie kommen von einer Party, auf der die neuen Lehrer eingeführt und vorgestellt werden. Doch plötzlich stellt sich heraus, Martha hat noch ein anderes Ehepaar, das sie soeben auf der Party kennengelernt hatten, eingeladen. George ist nicht gerade begeistert darüber, auch weil es schon so spät ist. Aber das Ehepaar kommt.

„Es ist ein Stück über Liebe“

 „Martha, ich stelle mir vor, wie du bis zum Hals in Zement steckst. Nein– bis zur Nase, dann ist es ruhiger!“ Das ist noch ein harmloser Schlagabtausch, den George seiner Frau Martha sich liefern. Auf der Bühne geht es heftig zur Sache. Martha und George ziehen das junge Ehepaar mit in ihre Ehekrise. Dadurch entsteht „eine Form von Überbandspielen und Ausagieren von Ressentiments, Frustrationen, Verletzungen, Beleidigungen und Schmerz über dieses andere Ehepaar“, wie Malton es auf den Punkt bringt. Doch auch das junge Ehepaar, Nick und Honey, hat seine Geheimnisse.

 „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ist ein sehr eloquentes Schauspiel. Es lebt von den Worten Edward Albees, wie Leslie Malton erzählt: „Edward Albee war in meinen Augen ein Dichter. Es ist sehr musikalisch, wie er die Texte setzt. Besonders in diesem Stück. George ist sehr wortstark, er ist ja Professor, also sehr belesen, und drückt sich manchmal geschwollen, doch sehr eloquent aus. Nicht nur die verbale Auseinandersetzung ist sehr barsch. Zum Ende hin reduziert sich die Wortgewalt auf ein Minimum. Einsilbig schwindet der Abend, und jedes „Ja, Nein, Vielleicht” ist gefüllt von dem, was man zwei Stunden lang miterlebt hat. Man braucht nichts anderes mehr.“

„Ich finde dich zum Kotzen“

Malton vergleicht die Dramaturgie des Stückes mit einem Boxkampf: „Jeder bekommt seine Verletzungen ab. Es ist ein Stück über Liebe. Sie können nicht miteinander, sie können nicht ohne einander.“ Zum Glück kommen Leslie Malton und Felix von Manteuffel noch miteinander aus. Denn auch im echten Leben sind sie verheiratet und waren gespannt, wie sie ihre Rollen ausloten: „Es ist nicht leicht zu seinem eigenen Ehemann zu sagen: Ich finde dich zum Kotzen.“ Oder Sätze zu sagen, von denen man weiß, dass sie verletzend sind. Aber es ist eine ungeheure Freude, dass wir Schönes mit dem Schönen verbinden können: Spielen und Zusammenspielen. Wir lieben es, zu arbeiten und besonders miteinander zu arbeiten, und wenn wir das mit solch großartigen Stücken verbinden können, dann ist es die pure Freude!“

„Es ist keine Komödie, keine Tragödie, sondern das Leben“

Das Theaterstück ist in drei Akte gegliedert: Spaß und Spiele, Walpurgisnacht und Hexenaustreibung. Jedoch sind jeder Akt und jede Szene miteinander verwoben und können nicht als Einzelnes existieren. Malton verrät, dass auch die Rollen vielschichtig und kompliziert sind. Martha und George haben sich durch die Trauer, die sie begleitet, Festungen errichtet, ein Waffenarsenal aufgebaut, hinter denen sie sich verschanzen. Sie nutzen sich gegenseitig als Ventil.

„Es ist keine Komödie, obwohl es auch lustig ist. Es ist keine Tragödie, obwohl es traurig ist. Es ist das Leben. Und das ist das Schöne am Theater. Dieser Art von Stück kann man blind vertrauen. Man kann sich auf das Stück und die Figuren verlassen und wenn man sich in den Dienst des Stückes stellt, dann fliegt man. Es ist kein leichter, kein schenkelklopfender Abend, aber man fliegt.“

Von Désiree Sophie Schneider
Veröffentlicht am 28.10.2016