Benjamin Winter: im Galopp zu Olympia

Benjamin Winter und sein Pferd "Wild Thing" sind nehmen jede Hürde problemlos. Foto: Caroline Dennermann

Das Hobby zum Beruf machen – ein Traum von vielen Leistungssportlern. Auch von unserer BiTSNews Person der Woche: Benjamin Winter ist gerade 22 Jahre jung und gehört schon jetzt zu den wenigen auserkorenen, die im Reiten der Perspektivgruppe für Olympia 2012 angehören. Im Vielseitigkeitsreiten, der Kombination von Dressur, Springen und Gelände, hat der Dortmunder bereits zahlreiche Meistertitel erworben.

Wie jeden Morgen um halb sieben steigt Benjamin, noch etwas verschlafen, aber gut gelaunt, in seinen Wagen und fährt auf das Gelände des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) in Warendorf. In den Ställen scharren bereits seine fünf hungrigen Pferde mit ihren Hufen und wiehern vor Freude als er den Stall betritt. Nachdem alle mit Heu und Hafer versorgt sind, wird gemistet. Pünktlich um neun geht es dann zur Berufsausbildung zum Pferdewirt. Noch vor der Mittagspause muss der Trainingsplan stehen und die heutigen Trainer zugeteilt werden. Ab 14 Uhr geht es in den Sattel.

Nach der Berufung in die Perspektivgruppe, der höchsten Reitsportförderung in Deutschland, hat sich in Benjamins Alltag einiges verändert: Fünf Pferde in allen drei Disziplinen auf dem höchsten Stand zu trainieren, verlangt viel Verständnis für die Bedürfnisse und Potenziale der Tiere. Der junge Sportler muss also jeden Tag aufs Neue entscheiden, ob er mit Galopptraining die Ausdauer trainiert, die Abstimmung im Springtraining verfeinert oder Schwung und Ausdruck in der Dressurarbeit verbessert. Seine Erfolge sind der Beweis für sein Talent und Einfühlungsvermögen.

Im BiTSNews Interview erzählt Benjamin Winter, was ihn am Reitsport so fasziniert, was sein Schlüssel zum Erfolg ist und warum seine Mutter ihm zu jedem Turnier begleitet.

BiTSnews: Kannst du dich noch an dein erstes Mal auf dem Pferd erinnern?                               
Benjamin: Ja, allerdings. Ich war drei oder vier Jahre alt, als man mich auf das Shetland-Pony „Lümmel“ gesetzt hat. Ich hatte so eine Angst und das nicht zu Unrecht. Schließlich bin ich von dem Pony gefallen und habe mir den Arm gebrochen.

BiTSnews: Dennoch bist Du dem Reitsport treu geblieben.           
Benjamin:
Im Grunde blieb mir gar nichts anderes übrig. Schließlich ist meine ganze Familie total pferdeverrückt. Meine Mutter war selbst erfolgreiche Dressurreiterin und ihre Pferde haben immer in unserem Garten gestanden. Irgendwann sind sie mir dann ans Herz gewachsen, dabei wollte ich ursprünglich lieber Eishockeyspieler werden. So habe ich neben dem Reitsport auch immer Eishockey gespielt. Allerdings sind dann später die Turniertermine kollidiert, so dass ich mich nur noch für das Reiten entschieden habe.

BiTSnews: Warum hat Du dich ausgerechnet für Vielseitigkeitsreiten entschieden? Was fasziniert dich so an dem Sport?                                                                                                                                   Benjamin: Genau wie meinem großen Bruder war mir Dressur oder Springreiten eigentlich zu langweilig. Die Vielseitigkeit ist bunt und verdammt schnell. Nur Fliegen ist schöner als im gestreckten Galopp durchs Gelände zu reiten. Die Atmosphäre unter den Reitern ist nicht so missgünstig, weil Sieg und Niederlage von vielen Komponenten abhängen und jeder weiß, wie nah sie beieinander liegen. Der Teamspirit zwischen Pferd und Reiter ist dabei Grundvoraussetzung, sonst wird es gefährlich. Man muss lange mit seinem Pferd zusammenwachsen, damit sich ein gegenseitiges Vertrauen aufbaut.

BiTSnews: Auch Du hast eine ganz besondere Art der Kommunikation zu Deinem Pferd, sprichst es immer wieder mit Namen an. Wie wichtig ist diese Kommunikation und die Stärke deines Pferdes „Wild Thing“ für den Erfolg?

Benjamin: Beides ist sehr wichtig. Mein Pferd und ich sind sehr ehrgeizig, das hilft, um Defizite auszugleichen. So kann ich das Temperament meines Pferdes mit meiner Coolness kompensieren und er meine Faulheit durch Schnelligkeit. Zudem kennen und mögen wir uns schon knapp acht Jahre, ich habe ihn damals von meinem Bruder übernommen.

BiTSnews: Was war der Schlüssel zu deinem Erfolg, dass Du jetzt der Perspektivgruppe für Olympia angehörst?
Benjamin: Definitiv meine Mutter. Sie hat mich jeden Tag trainiert und war auch meine persönliche Managerin. Vor allem auf den Turnieren stand sie immer zu 100 Prozent hinter mir, auch wenn es mal nicht lief. Außerdem hatte sie immer die richtigen Trainingsmethoden.

BiTSnews: Du hast in den letzten fünf Jahren eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Mit nationalen und internationalen Meistertiteln hast Du dir einen Namen im Reitsport gemacht. Wie bleibt man da auf dem Boden?
                                                                                                                                           
Benjamin: Dass Hochmut vor dem Fall kommt, habe ich bereits bei meiner ersten Deutschen Meisterschaft 2005 erfahren. Übermütig von meinem Westfälischen Meistertitel, der mich für die DM qualifizierte, ging dann alles schief, was nur schief gehen konnte. Aber, da ich nie eine Eintagsfliege sein wollte, habe ich nie aufgegeben und immer wieder hart trainiert.

BiTSnews: Diese Disziplin und Willensstärke hat dich im letzten Jahr zu einem  Mitglied der Perspektivgruppe für Olympia 2012 und 2016 in Rio de Janeiro gemacht. Wie hat das dein Leben verändert?         

Benjamin: Am Anfang war vieles sehr ungewohnt. Schließlich musste ich ins Münsterland ziehen, weil in Warendorf das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei stationiert ist. Von zuhause weg und plötzlich auf eigenen Füßen zu stehen, war eine große Herausforderung. Vor allem weil ich mein Training nun selbst koordinieren musste, was mir meine Mutter vorher komplett abgenommen hatte. Zudem herrscht hier natürlich ein ganz anderer Druck. Absolute Disziplin wird einfach vorausgesetzt, daran musste ich mich gewöhnen.

BiTsnews: Gibt es auch Tage, an denen du bereust, dich für Warendorf entschieden zu haben?                                                    

Benjamin:
Nein, glücklicherweise überhaupt nicht. Wir haben uns das sehr genau überlegt, gerade was den finanziellen Aufwand anbelangt. Zudem hab ich die Schule vorzeitig abgebrochen und Fachabitur gemacht. Aber all das war genau die richtige Entscheidung, ich fühle mich hier sehr wohl.

BiTSnews: Benjamin, mit welchen 3 Worten würdest Du dich selbst beschreiben?                                                                                           

Benjamin:     
                                                                                                                                                                

1.ehrgeizig                                                                                  
                                                                                   2.optimistisch                                                                                                                                                            
3.fröhlich

BiTSnews: Welche 3 Dinge sind beim Turnier immer dabei?                                                                      

Benjamin:                                                                       
         
1. mein Handy"
2. meine "Glücksgerte"
3. meine Mutter                                                                                                           

BiTSnews: Welche 3 Dinge hast Du vom Reitsport gelernt?          

Benjamin:
                                                                                                                                       1. Ohne die absolute Harmonie zwischen Pferd und Reiter hat man in diesem Sport keine Chance                                                               
2. Erfolg kann man nicht kaufen                                                         
3. Sieg und Niederlage liegen oft sehr nah beieinander und sind bis kurz vor Schluss nicht beeinflussbar

BiTSnews: Wo treffen wir Benjamin Winter in 10 Jahren?               

Benjamin:
Das kann ich nicht sagen. Der Erfolg im Reitsport ist natürlich immer eng an die Gesundheit des Pferdes und die eigene gekoppelt. Bei jedem Ritt geht man gleichzeitig das Risiko ein, sich zu verletzen, die Karriere kann also jeder Zeit vorbei sein. Dann wäre ein Beruf im Bereich Eventmanagement eine vorstellbare Alternative.

 

Von Caroline Dennersmann

Veröffentlicht am 05.12.2010