Sexismus

Catcalling - Der Parasit im Alltag der Frau

ISERLOHN. Es fängt in der Regel schon in der Schulzeit an und endet vermutlich nie. Wie ein Parasit zieht es sich durch das Leben. Wovon ich spreche? Vom Sexismus an dem weiblichen Geschlecht und dem sogenannten Catcalling. Ich denke, ich kann für jedes Mädchen und jede Frau sprechen, dass sie selbst oder eine Bekannte, unangebrachten Sprüchen oder sogar Berührungen ausgesetzt war.

Was gibt es eigentlich Schöneres, als über die Straße zu laufen und von der Seite angequatscht zu werden? Damit meine ich nicht ein freundliches „Hallo“ – vielmehr kreative Sprüche wie „Tat es eigentlich weh, als du vom Himmel gefallen bist?“. Oder noch charmanter „Hey Süße zeig doch mal, was sich unter deiner Bluse versteckt“. Ganz zu schweigen von dem ansprechenden Hinterherpfeifen. Die Krönung von allem ist der Klapser auf den Po. Ein Traum jeder Frau – wohl kaum.

Eingebrannt

Doch eigentlich beginnt Sexismus schon viel früher. Ich war immer einer der Letzten die beim Schulsport gewählt wurden. Fairer Weise muss ich hierzu aber auch sagen, dass ich echt eine Niete war. Egal ob beim Ball fangen oder bei jeglicher anderen Sportart. Der ausschlaggebende Punkt hierbei ist aber, dass selbst meine Klassenkameradinnen die schnell laufen konnten, immer zuletzt gewählt wurden. Einfach nur weil wir Mädels waren. Das klischeehafte Denken scheint schon in Kinderköpfen fest eingebrannt zu sein.

Auf der weiterführenden Schule wurden wir plötzlich auch noch für unsere Kleidung sexualisiert. Ich begreife bis heute nicht, weshalb ein enges Oberteil oder eine betonte Hose hilfreich für gute Noten sein konnten. Das Männliche Gehirn scheint das Outfit der Frau als Bestätigung für das häufig absurde Handeln zu sehen. Dabei spielt ein weites Sweatshirt mit Jogginghose oder ein tief ausgeschnittenes enges Kleid keine Rolle. Sexualisiert werden können wir schließlich in allem. Denn egal was wir tragen, wir tragen es selbstverständlich nur für ihn. Natürlich auch das Make-up. Das sich die Frau lediglich für sich selbst hübsch macht, steht außer Frage.

Das Phänomen 

Setzen wir nach dem ständigen Catcalling kein gekünsteltes Lächeln auf und lassen der schlechten Laune ihren Lauf, folgt in 99 Prozent der Fälle der mit Abstand beliebteste Spruch des männlichen Geschlechts – „Hast du deine Tage“. Ich spreche nicht nur mir und vielen Damen aus der Seele, wenn ich nun behaupte, dass ich nach diesen vier Wörtern am liebsten endgültig an die Decke springen möchte. Dieses Phänomen tritt nicht nur bei der Periodenfrage auf, sondern auch beim Anschreiben. Es ist immer wieder herrlich, wie aus „Hey du siehst echt gut aus. Hast du Lust zu schreiben?“ ein „Du bist eh voll hässlich“ wird, wenn die Frau nicht interessiert ist. 

Interessant ist auch die Kombination „Mami mit Job“. Es ist sexistisch davon auszugehen, dass die Frau hinter den Herd gehört und um die Kinder kümmern muss. Ob ich lieber Haus-, Karrierefrau oder beides sein möchte, liegt nicht in der Hand des Mannes. Genauso wenig wie ihm meine Stimme und mein Körper gehören. Sexualisiert zu werden ist trauriger Weise der Alltag von fast jeder weiblichen Person. Der Parasit nimmt mehr oder weniger bewusst einen kleinen Teil von uns ein. Sei es auch nur der Gedanke, ob ein bauchfreies Oberteil oder der rote Lippenstift auf den Gegenüber sexy wirken könnte. Oder die Angst und das beklemmende Gefühl nachts allein nach Hause zu gehen. Er ist und bleibt da, wenn wir uns nicht gegen ihn wehren.

Von Tamara Berg
Veröffentlicht am 16.12.2021