Ein Beruf mit Tradition und Zukunft

Zu ihm kann jeder aufschauen: Frank Kruse, aufstrebender Landwirt in Menden. Foto: Carsten Rose

Menden. Ein hohes Maß an Management-Qualität, gute körperliche und psychische Belastbarkeit, sicherer Umgang in der Buchführung und große Chancen auf beruflichen Aufstieg – diese Attribute sprechen für einen ambitionierten Arbeitnehmer in der Wirtschaft. Frank Kruse verkörpert sie alle.

In seinem beruflichen Umfeld dreht es sich jedoch nicht um Luxus-Limousinen oder steigende Aktienkurse, sondern um Traktoren und fallende Lebensmittelpreise. Die Rede ist von der Landwirtschaft. Eine Branche, in der die Bürokratie fortwährend an Bedeutung gewinnt, dessen Anerkennung durch gewisse Fernsehproduktionen dagegen teilweise verloren geht. Der 24-jährige Frank Kruse vom Mendener Hof Scheffer hat jene Entwicklung miterlebt. Er hat seinen Kindheitstraum verwirklicht, und ist seit Jahren ein Landwirt von besonderer Natur.

Bereits zwei Stipendien und prüfungsbester Geselle

Zunächst hat der Neuenrader eine Ausbildung zum Maschinenschlosser beendet – mit einem Stipendiumsangebot der Industrie- und Handelskammer (IHK). Dieses lehnte er aber ab und wechselte in eine andere, ihm jedoch nicht unbekannte Berufswelt. Durch den familieneigenen Bauernhof entstand schon frühzeitig der Kontakt zu Heinz-Josef Scheffer, Inhaber des Hofes Scheffer in Menden Bösperde.
Im Jahr 2008 begann Kruse dort seine zweite Ausbildung. Sein Geschick und Wissen stellte er schnell an Maschinen, im Stall und auf dem Feld unter Beweis. Resultat:  zwei anstatt drei Jahre Ausbildungszeit, bester Geselle von 900 Mitstreitern in Nordrhein-Westfalen 2010 und – keineswegs überraschend – ein Stipendium der Landwirtschaftskammer. Dieses sichert ihm binnen der folgenden drei Jahre Lehrgänge in einem Kostenrahmen von insgesamt 6.000 Euro zu. Auf der Fachschule für Agrarwirtschaft in Münster strebt er nun den Agrarbetriebswirt an.

Hoher BWL-Anteil

Was heißt dies nun im Konkreten? Wie sieht eine Gesellenprüfung im landwirtschaftlichen Bereich aus und welche Inhalte hat seine jetzige schulische Ausbildung?
„In den theoretischen Teilen habe ich die Tier- und Pflanzenproduktion behandelt. Dabei geht es um Anbaustrategien, also um wirtschaftliche Aspekte. Dementsprechend gibt es viele Rechnungen“, erklärt Kruse die Abläufe. In der praktischen Prüfung ergänzte sich mathematisches Talent mit den notwendigen Kenntnissen über Tiernahrung: „Im Praxisteil standen Tiere und Pflanzen erneut im Mittelpunkt. Neben der Errechnung von Futterrationen musste ich sowohl Futtermittel unterscheiden als auch Unkräuter in der Natur erkennen können. Der schwierigste Bereich war aber eindeutig das Dünge-Management. Dies beinhaltet die gezielte Wachstumsentwicklung eines Anbaus, um höhere Erträge zu erzielen.“ Das Lehrangebot der Fachschule in Münster knüpft nahtlos an die Inhalte einer solchen Gesellenprüfung an, da der betriebswirtschaftliche Anteil, nach Aussage Kruses, enorm hoch ist.

Arbeitswoche mit sieben Tagen

Der Stundenplan hält den Landwirt unter der Woche bis 15 Uhr in Münster. Anschließend geht es auf den Hof nach Menden. Dort ist er dagegen auch am Wochenende aktiv. „Samstags unterwegs sein und sonntags ausschlafen? Unmöglich! Wir stehen im Prinzip sieben Tage im Stall, haben aber dennoch keinen Stundenlohn wie beispielsweise in der Metallindustrie! Ein Milchpreis von 40 Cent pro Liter wäre daher schon zufriedenstellend", sagt der Vollblut-Landwirt in Bezug auf den jetzigen Stand der Dinge, denn 32 Cent sind momentan Realität. Ebenso wie der allgemeine Drang, so gut es geht an Lebensmitteln zu sparen.

Von Bürokratie nicht verschont

All diese Tatsachen sorgen bei Kruse für Bodenständigkeit und gesunden Realismus. „Auch wenn ich einen höheren Verdienst hätte, würde sich nicht viel ändern. Es fehlt einfach die Zeit.“ Sein ökonomisches Denken ist auch in einer weiteren Aussage tief verankert: „Bei gesteigertem Umsatz werden stets Rücklagen gebildet. In der Regel muss ein Hof ein bis zwei schlechtere Jahre verkraften können.“

Dass der Beruf des Landwirts mehr als Mist fahren, Heu ernten oder Kühe melken verkörpert, ist keine Neuheit, bewusst ist dies vielen allerdings nicht. Ein Aspekt, der des Öfteren ausgelassen wird, ist die Buchführung. „Der Bürokratie-Wahn wird immer verrückter, das ist hammerhart“, lautet Kruses eindeutige Meinung zum Verwaltungswesen und er fügt hinzu: „In anderen Unternehmen gibt es dafür ganze Abteilungen. Wir machen das nebenbei!“

Es ist und bleibt ein Traumjob

Es mag klingen, als würden die Nachteile überwiegen. Doch die Faszination Landwirtschaft ging und geht Kruse nicht verloren. „Es ist einfach spannend, gewisse Entwicklungsprozesse zu verfolgen. Sei es auf dem Feld, oder im Stall. Auch die Abwechslung spielt eine wichtige Rolle! Mal ist man zwei Tage mit dem Traktor unterwegs, mal zwei Tage bei den Tieren.“

Dass er dort in den zahlreichen Kühen und Rindern nicht Grillfleisch zum Niedrigpreis vor sich sieht, steht für den Jungbauern außer Frage. „Bei 25 bis 30 Prozent der Tiere verspürt man schon eine gewisse Verbundenheit. Gerade dann, wenn man die Entwicklung vom Kalb bis zur Kuh mitverfolgt hat.“ Zudem zieht er einen Vergleich zum Alltag: „Der Charakter ist auch hier sehr wichtig. Man merkt auch, dass es weibliche Tiere sind – die ticken einfach anders!“

„Ich wühle ja nicht in der Scheiße“

Der Ruf seiner Berufsgruppe hat durch Fernsehsendungen wie „Bauer sucht Frau“ sehr gelitten. Der Begriff Bauer wird somit sprichwörtlich durch den Dreck gezogen. „Es gibt doch in jedem Beruf Hinterwäldler! Maurer sucht Frau würde doch auch gehen!“, distanziert Kruse sich von dem durch das Fernsehen entstandenen Eindruck, und fügt mit drastischen Worten hinzu: „Ich wühle ja nicht in der Scheiße oder sitze auf einem Hocker beim Melken!“ Diese Arbeit übernehmen nämlich hochmoderne Melkroboter, die zusammen mit einem Traktor – im Fachjargon nur Schlepper genannt – unentbehrlich für einen Arbeitstag des Jungbauern sind. Die motorisierten Arbeitsgeräte sind nicht nur ausgesprochen wichtig, sondern auch sehr kostspielig und entsprechen dem neuesten technologischen Standard.

Die Antwort auf die Frage, wie er denn 30.000 Euro aus einem Gewinnspiel investieren würde, passt in das Gesamtbild des pragmatisch denkenden Musterschülers: „Ein Trecker geht nicht, dafür benötige ich mindestens 100.000 Euro. Von daher würde ich in kleinere Maschinen investieren, aber niemals ein neues Auto kaufen!“

Für seine persönliche Zukunft gilt nur eins: „Hoffentlich werde ich ein erfolgreicher, und vor allem zukunftsorientierter Unternehmer, denn ein Stillstand in dieser Branche ist unmöglich.“ Die Voraussetzungen stimmen. Auch ein eventuell sinkender Milchpreis oder noch mehr Bürokratie werden ihm die Liebe zu Tier und Traktor wohl nicht nehmen. Sucht er denn eine Frau? „Nein, ich habe eine Freundin – so wie eigentlich jeder in meiner Klasse.“ Klare Antwort, klare Ziele.

 

Von Carsten Rose
Veröffentlicht am 05.05.2012