Liebe auf Distanz

Fernbeziehungen – funktioniert das?

Verena und Roderick leben in einer Fernbeziehung und sind mittlerweile seit sechs Jahren verheiratet. Foto: Privat

Für Verena Knippschild ist es mittlerweile normal: Eine Beziehung mit jemandem, der weit weg wohnt. Das Problem, den Partner nicht jeden Tag sehen zu können, ist inzwischen durch Videokommunikation gelöst. Aber was sind die Gründe für so eine Beziehung und funktioniert die Liebe auf Distanz?

ISERLOHN. Es ist früh am Morgen. Mit einem Kaffee in der Hand ruft die 48-jährige Verena Knippschild ihren Partner Roderick per Videochat an. Das Besondere: Er lebt auf Barbados, einer Insel in der Karibik. Wie für sie, ist der Videochat für einige mittlerweile eine gängige Morgenroutine. Denn immer mehr Menschen sind in einer Fernbeziehung. Beziehungen über eine größere Entfernung entstehen aus verschiedenen Gründen.

In der heutigen Zeit lernen sich viele Paare über Social Media oder Dating Apps kennen, da ist es gut möglich, dass der Partner oder die Partnerin mehrere hundert Kilometer weit weg wohnt. Aber auch der Urlaub gilt als Möglichkeit, Menschen aus anderen Regionen oder Ländern kennenzulernen und sich zu verlieben.

Was heißt überhaupt „fern“?

Laut deals.com sollen Stand 2014 ca. 13% der Deutschen in einer Fernbeziehung gelebt haben. Mehr als ein Dreiviertel von ihnen führen die Beziehung mit ebenfalls in Deutschland lebenden Partnern. Fern heißt, wenn der Lebensmittelpunkt der Partner an unterschiedlichen Orten gelegen ist. Durchschnittlich liegt die Entfernung zwischen den Liebenden bei 653 Kilometern. Bei Verena Knippschild ist es etwas mehr. Die kürzeste Entfernung zwischen Deutschland und Barbados beträgt rund 7.500 Kilometer. Dementsprechend aufwendig gestalten sich auch Besuche.

Die meisten Menschen kommunizieren laut farlove in Fernbeziehungen über das Telefon. Mittlerweile ist aber auch Videokommunikation über Skype oder Facetime immer beliebter. Auch die geschriebene Form ist sehr gefragt, schließlich können jederzeit, fast überall Textnachrichten gelesen werden. Das klassische Briefeschreiben ist sogar immer noch angesagt, wenn auch nicht mehr so stark.

Eine beispielhafte Fernbeziehung

Verena Knippschild lernte ihren heutigen Ehemann im Jahr 2011 im Urlaub mit ihrer Freundin kennen. Ihr heutiger Mann Roderick war der Nachbar der Eltern ihrer Freundin vor Ort. Drei Jahre später haben sie am Strand auf Barbados geheiratet. Doch warum sind sie danach nicht zusammengezogen? „Für Roderick wäre es in Deutschland sehr schwierig geworden“, berichtet Verena. Er hätte seinen guten Job auf Barbados aufgeben müssen und mit fast 60 Jahren und ohne Deutschkenntnisse wäre es für ihn auf dem deutschen Arbeitsmarkt fast aussichtslos. „Das wollte er einfach nicht machen“, ergänzt sie.

Für Verena kam es auch nicht in Frage, dauerhaft nach Barbados zu ziehen. „Durch meine Herzerkrankung bin ich zwar schon verrentet und mein Mann ist im nächsten Jahr auch so weit“, berichtet sie, „aber ich fühle mich als Risikopatientin in Deutschland einfach noch besser versorgt.“ Außerdem tragen beide eine ausgeprägte Heimatverbundenheit in sich, so dass sie ihr jeweiliges Heimatland nicht dauerhaft verlassen wollen.

Großer Aufwand für die Liebe

Die beiden sehen sich zweimal täglich über Facetime. Verena ruft ihren Roderick dafür schon um acht Uhr morgens an. Das Problem dabei ist die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Barbados. Wenn Verena anruft, ist es bei ihrem Mann zwei Uhr in der Nacht. Abends sehen sie sich meistens um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit, da kommt Roderick meistens gerade von der Arbeit.

„Es ist so schön, dass es diese Möglichkeiten gibt, sich trotz dieser Entfernung täglich sehen zu können“, schwärmt Verena. „Wir können zusammen lachen und Emotionen teilen. Aber er kann mir beispielsweise auch seinen blühenden Garten zeigen.“ Dennoch versuchen sie auch, sich möglichst oft zu treffen. Zwei bis drei Monate am Stück verbringen sie dann bei dem jeweils anderen, bevor sie sich dann erst einmal eine Zeit lang nur noch über den Bildschirm sehen. Jedoch nur maximal zehn Wochen, bevor der andere die lange Reise auf sich nimmt.

Gemeinsame Zukunftsvisionen

Zuletzt live gesehen haben sie sich Anfang März. Der Grund dafür ist die aktuelle Corona-Krise, die dafür sorgt, dass alle Flugzeuge am Boden bleiben. Sie hoffen, im Oktober wieder Flüge buchen zu können. Ein One-Way-Flug stand aber außer Frage, da Verena durch ihre Herzerkrankung vor und während der Corona-Zeit zur Risikogruppe zählt. Sie bedauert die Situation extrem, wenn sie sieht „wie alle mit ihren Familien Zuhause sind und Grillen oder Spiele spielen“, sie aber physisch alleine ist.

Für das nächste Jahr haben Verena und Roderick aber große Pläne. Wenn beide im Ruhestand sind, wollen sie zusammenziehen. Wohnen möchten sie dann trotzdem in beiden Ländern. „Den Sommer verbringen wir dann in Deutschland und im Winter halten wir uns auf Barbados auf“, erklärt Verena. Und das immer zusammen.

Von Max Sinn
Veröffentlicht am 16.06.2020