Eine Infizierte erzählt

Hilfe, wir haben Corona!

Saskia ist seit dem 02.04. in Quarantäne, denn sie hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Bild: Saskia Wölfle

Das neuartige Coronavirus (COVID-19) bestimmt nun schon seit Wochen den Alltag der Bevölkerung. Doch wie ist es tatsächlich an dem Virus zu erkranken und welche Maßnahmen werden getroffen? Saskia Wölfle ist vor drei Wochen an dem Virus erkrankt. Im Interview mit MAERKZETTEL erzählt die 24-Jährige von ihren Ängsten und Gedanken der vergangenen drei Wochen.

SUNTHAUSEN. Derzeit haben sich in Deutschland um die 124.000 (Stand 11.04.2020) Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Vier davon sind Saskia Wölfle und ihre Familie. Sie wohnen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Stuttgart. Saskias Mutter Michaela gehört mit ihrer chronischen Lebererkrankung zu der Risikogruppe. Mittlerweile geht es der gesamten Familie schon besser.

MAERKZETTEL: Saskia, wie hast Du erfahren, dass Du an dem Coronavirus erkrankt bist?

Saskia Wölfle: Vor ungefähr drei Wochen hatte ich starke Gliederschmerzen, vor allem im Hals und der Brust. Es hat sich so angefühlt, als ob jemand auf meinem Brustkorb sitzt. Schnell darauf bekam ich auch Fieber. Ich dachte sofort an das Virus und hielt mich nur in meinem Zimmer auf, aus Angst meine vorerkrankte Mutter anzustecken. Leider ist sie trotzdem krank geworden. Dadurch, dass sie eine Risikopatientin ist, wurde nur sie getestet. Nach ein paar Tagen kam der Test dann positiv zurück.

Du selbst bist also gar nicht auf das Virus getestet worden?

Leider nein. Als ich krank geworden bin, habe ich mehrmals bei unserem Arzt im Dorf angerufen. Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, es sei nur eine Erkältung. Auch nachdem ich ihn auf meine vorerkrankte Mutter aufmerksam gemacht habe, sagte er, es gäbe nicht genug Tests um jeden, der Beschwerden aufweist, zu testen.

Laut dem Robert Koch-Institut müssen die Ärzte ihre Patienten priorisieren, wer einen Test bekommt und wer nicht. Was waren dann Deine Gedanken?

Ich habe mich sehr allein und im Stich gelassen gefühlt. Meine Mama hatte 40 Grad Fieber und lag nur im Bett. Sie hatte Angst, dass ihr Körper das Virus nicht bekämpfen kann. Ich wusste nicht, wie ich handeln sollte und niemand hat mir geholfen. Ich hatte Angst um meine Mama. Auch dem Rest der Familie ging es schlecht. Mein Papa hatte auch hohes Fieber. Meine Schwester hatte ein Kratzen im Hals und verlor ihren Geruchssinn.

Weißt Du denn, wie Ihr euch infiziert habt?

Genau weiß ich das nicht. Wir waren überwiegend Zuhause. Allerdings hatte ein Arbeitskollege meiner Schwester Kontakt mit einer Infizierten und ich habe mich einmal mit einer Freundin getroffen, die etwas Husten hatte. Vielleicht haben wir es uns aber auch einfach im Supermarkt geholt. Wir waren immer sehr vorsichtig.

Der Alltag in Quarantäne

Nachdem Ihr das Ergebnis des Tests deiner Mutter erhalten habt, hat sich bei Euch Zuhause bestimmt einiges geändert, oder?

Allerdings. Wir haben die Anweisungen vom Gesundheitsamt bekommen, 14 Tage das Haus nicht zu verlassen. Da wir alle Symptome hatten, war das Gesundheitsamt sich sicher, dass die ganze Familie infiziert ist. Außerdem mussten wir eine räumliche Trennung im Haus vornehmen. Jeder hält sich in einem Bereich des Hauses auf und ich koche meistens für die ganze Familie und stelle das Essen dann vor die jeweilige Tür. Manchmal skypen wir dann auch, damit wir „zusammen“ essen können.

Inwiefern werdet Ihr von dem Gesundheitsamt unterstützt?

Es gibt eine Hotline, die wir zu jeder Zeit anrufen können. Da geht auch wirklich immer jemand dran. Egal, was einem auf dem Herzen liegt, oder auch wenn sich eine neue Frage ergibt, kann dort angerufen werden. Die nehmen sich Zeit und rufen uns auch manchmal an und fragen, wie es uns geht.

Wann endet Eure Quarantäne?

Offiziell endet die Quarantäne am 16. April, wenn wir bis dahin symptomfrei sind. Ansonsten müssen wir nochmal 14 Tage zuhause bleiben. Bis jetzt sind wir alle schon einmal fieberfrei und sind wieder fitter.

Die Zeit danach

Laut Robert Koch-Institut steht zwar fest, dass Infizierte ein geringeres Reinfektionsrisiko haben, allerdings nicht für welchen Zeitraum diese Immunität gegeben ist. Hast Du Angst erneut krank zu werden?

Nein, eigentlich nicht. Ich sag immer zu meiner Familie, dass wir die Superhelden-Familie sind. Uns kann jetzt nichts mehr etwas anhaben. Ich habe allerdings Angst, andere trotzdem noch anstecken zu können. Denn wann weiß ich, dass ich meine Familie und Freunde zum Geburtstag wieder unbedenklich umarmen kann? Wann kriegt man selbst wieder das Gefühl, dass alles normal ist?

Derzeit gibt es leider noch Leute, die immer noch in Gruppen rausgehen und sich nicht an die Regeln halten. Wie stehst Du dazu?

Ich finde es echt leichtsinnig. Jeder hat jemanden im Leben, der zu der Risikogruppe zählt. Ich habe meine Mama sehr schwach erlebt und das hat mir Angst gemacht. Und das würde jedem Angst machen. Die jungen Leute sind die Überträger und das hat vor allem die Jugend noch nicht begriffen.

Hat sich Deine Einstellung zum Virus in der letzten Zeit verändert?

Ich bin der Meinung, dass man es nicht verhindern kann zu erkranken, sondern lediglich vorbeugen kann. Meine Dankbarkeit für andere Sachen ist nach dieser Zeit einfach größer geworden. Ich bin dankbar für den Zusammenhalt meiner Familie und für meine Freunde, die mich auch jetzt unterstützen. Aber auch die Kleinigkeiten, wie mit dem Hund rauszugehen, kann ich derzeit nicht machen. Das fehlt mir und ich werde in Zukunft, genau diese Kleinigkeiten mehr genießen.

Von Antonia Schütter
Veröffentlicht am 11.04.2020

Antonia Schütter

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