Autor als Hobby

Horrorbuchautor – Mehr als nur Gewalt

Marvin ist Horrorbuchautor, Tierliebhaber, Freund und Politikinteressierter. Foto: Marvin Buchecker
Crossend ist das erste Horrorbuch das Marvin geschrieben hat und das zweite Buch, welches er veröffentlichte. Foto: Marvin Buchecker
Chroniken der Weltenfresser ist Marvins zweites Horrorbuch und der Folgeteil zu Crossend. Annemarie, Marvins Freundin hat hierfür sogar die Illustrationen gezeichnet. Foto: Marvin Buchecker

Liebe, Fantasy, Horror und noch vieles mehr – Autoren haben durch die verschiedenen Genres eine große Auswahl ihre Geschichten zu gestalten. Horrorbuchautoren gehören noch zur Randgruppe. Sie werden meistens mit überspitzter Gewalt in Verbindung gebracht. Der 26-jährige Marvin Buchecker ist nebenberuflich Horrorautor. Doch warum sollte sich ein Autor überhaupt dafür entscheiden Horror zu schreiben?

OEDING/REKEN. Marvin Buchecker ist Horrorbuchautor. Mit seinen 26 Jahren hat er bereits einige Kurzgeschichten, sowie einen Psychothriller und eine Horrorbuchreihe veröffentlicht. Das Autorendasein ist jedoch nicht seine hauptberufliche Tätigkeit, sondern war zunächst lediglich ein Ausgleich und ein Hobby für ihn. „Irgendwann habe ich aus Spaß angefangen zu schreiben, wie wahrscheinlich jeder der gerne liest. Im Studium brauchte ich dann einen Ausgleich und da habe ich wieder richtig angefangen“, sagt Marvin. Sein eigentlicher Beruf liegt in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, bald übernimmt er auch die pädagogische Leitung für eine Begegnungsstätte.

In einem rot-schwarz kariertem Hemd, welches er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hat und mit einer cremefarbenen Baseballkappe auf dem Kopf, sitzt Marvin in seinem kleinen Büro im Dachgeschoss, welches früher einmal eine Abstellkammer war. Seine Arme zieren Tattoos. Auf dem einen Arm befindet sich eine Schreibfeder, welche nach oben hin in kleine Vögel ausgeht und auf dem anderen Arm eine Uhr, sowie ein Schriftzug. Vom Aussehen könnte er also zumindest ansatzweise in das Vorurteil des Horrorbuchautors passen. In seiner Persönlichkeit hingegen spiegelt sich dies nicht wider, was ihm auch sehr wichtig ist. „Ich habe da auch eine gewisse Distanz zu meinen Büchern. Das ist eine Geschichte, die ich geschrieben habe, das ist aber nicht Marvin Buchecker“, erklärt er, warum ihn seine Bücher nicht definieren.

„Ich hatte einfach Glück“

Sein erstes richtiges Buch war der Psychothriller „Monster muss man töten“, welchen er im März 2018 veröffentlichte. Kurz darauf, im September 2018, veröffentlichte er auch schon sein erstes Horrorbuch, den Hardcoreroman „Crossend“. Damals war er noch sehr stolz. Heute jedoch sieht er seine eigenen Bücher sehr kritisch. Besonders mit „Crossend“ scheint er nicht mehr ganz so zufrieden zu sein. „Ich habe das damals so geschrieben und fand das auch gut. Wenn ich mir das jetzt jedoch wieder anschaue, denke ich mir, dass ich das nie wieder so schreiben würde“, erklärt er. Wie ernst er das meint und wie sehr sich auch sein Schreibstil verändert hat, lässt sich daran erkennen wie unterschiedlich „Crossend“ und das Nachfolgerbuch „Die Chronik der Weltenfresser“ ist. Bei „Crossend" war die Sprache um einiges vulgärer und es enthielt sehr viel mehr brutale Gewaltszenen. 

Doch wie kam er überhaupt dazu seine Bücher zu veröffentlichen? Marvin selbst sagt, dass er in das Ganze mehr oder weniger reingerutscht ist. „Ich habe gesehen, dass Timo Koch, welcher ebenfalls Autor ist, in einer Facebook-Gruppe geschrieben hatte, dass er einen Autorenstammtisch gründen möchte“, daraufhin hat Marvin ihm geschrieben und ist dann zu diesem Autorenstammtisch gegangen. „Bei dem Autorenstammtisch waren viele Autoren aus allen möglichen Regionen, von denen ich echt viel lernen konnte“, erklärt er. „Wir haben auch viele Textarbeiten zusammen gemacht“, wodurch er dann auch anfing, besonders an seinen Kurzgeschichten zu arbeiten, welche er auch ab Oktober 2016 veröffentlichte.

Wie zahlreiche andere Autoren, die auch viel Zeit in ihre Arbeit investieren, wollte auch Marvin irgendwann seine Bücher veröffentlichen. „Wenn man mal ehrlich ist, möchte man ja auch gerne gelesen werden“. Also hatte er sich dann schließlich dazu entschieden sein Manuskript an einen Verlag zu schicken und dann hatte er einfach Glück, wie er selbst sagt, dass sie sich bei abertausenden Manuskripten für seine Arbeit entschieden haben. Dies heißt jedoch nicht, das sein Buch direkt so veröffentlicht werden konnte, wie es war. „Ich will nicht lügen, bis zur Veröffentlichung meines ersten Buches musste noch sehr viel Arbeit von mir und den Lektoren reingesteckt werden“ und all das hatte sich dann auch gelohnt als 2018 gleich zwei Bücher von ihm veröffentlicht wurden.

Warum eigentlich Horrorautor?

„Ich bin ein riesengroßer Angsthase“, erklärt Marvin. Mit zwölf Jahren habe er noch mit Licht geschlafen und bis heute erinnert er sich daran, wie er dabeisaß, als ein Freund und dessen großer Bruder, das Horrorspiel „Resident Evil“ gespielt haben. Besonders die Szene, in der ein Zombie jemanden den Kopf abbeißt, ist ihm noch lebhaft in Erinnerung geblieben: „Für damalige Verhältnisse war das unglaublich brutal und ein Kind sollte sowas eigentlich nicht sehen“. Damals bekam er noch Angst bei dem Spiel, heute ist es sein absolutes Lieblingsspiel. „Mit 15 dachte ich mir, dass ich mich sozusagen meinen inneren Dämonen stellen müsste und habe das Spiel angefangen zu spielen und zu lieben“, erläutert er. Und mit dem Spiel begann seine Affinität mit dem Horror-Genre. Dazu fing er auch an Horrorfilme zu schauen und Horrorbücher zu lesen, wie die Werke von Stephen King.

Wirklich angefangen Horror zu lesen hat er jedoch erst sehr spät. „Wie wahrscheinlich jeder anderer in dem Alter auch, habe ich mit der Harry Potter Reihe angefangen. Ich habe viel Fantasy gelesen, dann habe ich mit Thriller angefangen und später dann mit Horrorliteratur“, sagt Marvin. Sein Leseverhalten und seine Interessensbereiche sind nach wie vor breit gefächert, neben Werken des Genres Horror, wie „Shining“ oder „der Schacht“, liest er auch andere Genre, unter anderem auch klassischen Werk. Zu seinen Lieblingsbüchern gehört bis heute auch das Kinderbuch „Der kleine Prinz“, seiner Meinung nach „ein Werk unglaublich guter Literatur“.

„Anfangs dachte ich noch, dass Horror wirklich nur dieser Splatter-Horror ist, also sehr gewalttätiger Horror mit viel Blut und Zerstückelungen. Das ist auch Horror, aber eben nicht nur. Inzwischen habe ich verstanden, dass es ein richtiges Genre ist und deshalb schreibe ich auch in dem Bereich“, erklärt Marvin. Für ihn ist es faszinierend, wie unterschiedlich Horror sein kann, auch basierend auf dem Autor. „Horror muss nicht vulgär sein. King beispielsweise schreibt sehr langatmig und beschäftigt sich mit dem Bösen an sich“. Wie vulgär und gewalttätig ein Buch wird, liegt an den Grenzen des Autors. „Meine Grenzen sind mir wichtig. Ich würde niemals davon schreiben, wie ein Kind vergewaltigt wird oder so. Sowas will ich einfach nicht schreiben, warum auch?“, erklärt Marvin.

Die Figuren erzählen die Geschichte

Der Weg, um ein Buch zu schreiben, ist für jeden Autoren unterschiedlich. Einige plotten, sie schreiben die Geschichte anhand der Storyline und planen die Geschichte komplett durch, andere schreiben einfach und sehen was passiert. Auch Marvin hat inzwischen schon die verschiedensten Arten des Schreibens ausprobiert. Zurzeit arbeitet er an einer Reihe mit Timo Koch und da mussten sie, damit alles Sinn ergibt, die Geschichte plotten. „Plotten ist nicht meine Art zu schreiben. Diesmal mussten wir es, damit wir auch wirklich nichts offenlassen oder uns widersprechen. Aber für gewöhnlich ist das einfach nicht meine Art zu schreiben“, sagt Marvin. Seine Art zu schreiben, beschreibt er selbst, als etwas chaotisch.

Sein erstes Buch, der Psychothriller, hat sich zum Beispiel aus einer Kurzgeschichte ergeben. „Ich habe eine Kurzgeschichte geschrieben, nach einiger Zeit ist mir jedoch aufgefallen, dass die Figur Potenzial zu einer längeren Geschichte hat, also habe ich weitergeschrieben“, erklärt er. Marvin nutzt bei seinen Geschichten für gewöhnlich die Figur als Leitfaden. „Ich entwickle eine Figur, gebe ihr eine Geschichte, eine Persönlichkeit und dann lasse ich sie einfach machen“, so entwickelt die Figur selbst die Geschichte. Meistens funktioniert dies, er hatte jedoch auch schon Geschichten, bei denen es ab einem bestimmten Punkt einfach nicht weiterging.

Inspiration bekommt Marvin von überall her. „Ich habe immer ein Notizbuch dabei, wenn mir was einfällt, dann schreibe ich es auf“, erklärt er. Neben seinem Notizbuch arbeitet Marvin auch sehr gerne auf seiner alten Schreibmaschine, die links auf seinem Schreibtisch in seinem kleinen Büro steht. „Wenn ich auf der Schreibmaschine schreibe, muss ich mir mehr überlegen, was ich schreibe, da ich es nicht einfach so löschen kann“. Passend zu dem alten Flair der Schreibmaschine, schreibt er meistens während er akustische Musik hört. Diese muss nicht unbedingt klassisch sein, wichtig sei nur, dass kein Text ihn ablenken kann. Dazu machen noch das Licht eines Dachfensters, viele Bücher, ein alter Globus, in dem ein altes E-Zigarettenset liegt und ein Gebetsteppich, welchen er von einem Jugendlichen aus seiner Begegnungstagesstätte geschenkt bekommen hat, sein kleines Büro komplett.

Autor – trotz Rechtschreibschwäche

Ein weiterer Grund warum Marvin gerne seine Bücher veröffentlichen wollte, war der, dass er sich selbst etwas beweisen wollte. „Ich habe eine Rechtschreibschwäche und als man mir gesagt hat, dass ich mit einer Rechtschreibschwäche ja wohl nicht ernsthaft vor hätte ein Buch zu schreiben, dachte ich mir einfach nur: Jetzt erst recht“, sagt er. Er hat seinen Bachelor gemacht, arbeitet und macht zurzeit auch noch neben seiner Arbeit seinen Master in Politikwissenschaften als Fernstudium, warum sollte er also nicht auch Autor sein können? „Ich muss zugeben, als ich zu meiner Lesung auf der Leipziger Buchmesse gelaufen bin und die Person gesehen habe, die das gesagt hatte, konnte ich es mir nicht verkneifen ihr zuzuwinken“, schmunzelt Marvin.

„Ich sage immer, jeder kann Autor sein. Das beste Beispiel dafür sind Kinder. Wer hat schon mehr Fantasie als Kinder?“, sagt Marvin. Auch durch seine Arbeit in der Begegnungstagesstätte hat er junge Teenager kennengelernt, die seiner Meinung nach, wirkliches Talent haben. Neben der Arbeit in der Begegnungstagesstätte liegt ihm besonders soziales Engagement und Politik am Herzen. Seiner Freundin Annemarie Engenhorst, mit der er auch zusammenlebt, geht sein Gerede von Politik zwar manchmal auf die Nerven, „da er, wenn er einmal anfängt nicht mehr aufhören kann und mit Fachbegriffen um sich wirft“, sein soziales Engagement findet sie jedoch sehr lobenswert. „Marvin interessiert sich wirklich für die Menschen“. Ob es nun Kinderhilfswerke oder Tafeln sind, laut Marvin ist es selbstverständlich, dass diese Zwecke Unterstützung verdienen. „Ich will damit nicht sagen, dass ich ein besonders guter Mensch bin. Ich kann auch ein richtiges Arschloch sein, aber manche Dinge sind es einfach wert unterstützt zu werden“, sagt er.

Wichtig ist sowohl Marvin, als auch seiner Freundin Annemarie, dass seine Horrorbücher ihn nicht ausmachen. „Marvin liebt Horror und ich finde es auch cool, dass er sich dieses Genre ausgesucht hat. Aber seine Geschichten sind nicht er“, erklärt sie. Sie erzählt, dass sie sehr oft gefragt wird, ob Marvin mit seinen Geschichten nicht irgendwelche Fantasien auslebt, dies ist jedoch nicht der Fall. Sie unterstützt ihn gerne. „Ich bin natürlich auch stolz, wenn mich jemand darauf anspricht, dass er ein Buch meines Freundes gelesen hat“. Bald könnten die Bücher, auf die sie angesprochen wird, mehr werden, da dieses Jahr, sowohl die sechsteilige Romanreihe mit Timo Koch veröffentlicht werden soll als auch ein weiterer Horrorroman. 

Von Jasemin Rafati Sajedi
Veröffentlicht am 24.05.2020