Von Iserlohn nach Sri Lanka

„Ich betreibe Entwicklungshilfe vor Ort“

Das Modell für die Häuser in Sri Lanka. Foto: Svea Rüter
Das Ehepaar bei der Besichtigung eines neuen Kindergartens. Foto: Lutz Malaschöwski
Eine Auszeichnung von der Regierung an das Ehepaar. Foto: Svea Rüter
Das Modell. Foto: Svea Rüter
Das Modell von der Seite. Foto: Svea Rüter
Das Ehepaar bei einer Hausbesichtigung. Foto: Lutz Malaschöwski
Die Menschen bekommen dort richtige Betten. Foto: Lutz Malaschöwski
Dieses Haus wurde mitten ins Nichts gebaut. Foto: Lutz Malaschöwski
Spendenübersicht für das Jahr 2016. Foto: Svea Rüter
Für jedes Jahr fertigt Lutz Malaschöwski ein Handout an. Foto: Svea Rüter
Lutz Malaschöwski mit seinem berühmten Spendenaccessoires. Foto: Lutz Malaschöwski

ISERLOHN. Nächstenliebe und unkonventionelle Hilfe sind für viele Menschen ein Begriff - für Lutz Malaschöwski seit mehr als 30 Jahren der Mittelpunkt seines Lebens: Der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte baut durch Spenden finanzierte Steinhäuser und Kindergärten in Sri Lanka. Ein Portrait.

Das Jahr 1980 ist das prägendste Jahr für Lutz Malaschöwski und seine Frau Barbara. Zur Silbernen Hochzeit hat sich das Ehepaar selbst belohnt und fliegt nach Sri Lanka, um dort Urlaub zu machen. Das Hotel ist vergleichbar mit den westlichen Standards. Doch nur ein paar Meter weiter sieht das Ehepaar nichts als Armut. Mit ihrem damaligen Taxifahrer Siri da Silva freundet sich das Ehepaar an und beschließt den Menschen, dort zu helfen. Zuerst mit ein paar Sachspenden wie Töpfen, Kissen und Decken - alles was die Menschen in Sri Lanka für den täglichen Bedarf so benötigen. Doch als das Ehepaar sieht, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben, beschließen sie noch mehr zu tun, und so ist die Idee mit den Steinhäusern entstanden. Für alles Organisatorische vor Ort kümmert sich da Silva - der Freund ist von nun an der Bauherr. Zurück in Iserlohn macht sich der Polizeibeamte an die Arbeit und sammelt Spenden. „Zuerst habe ich bei Freunden, Familie und Vereinen angefragt“, erzählt der 82-Jährige. Schnell war dann die erste Summe für ein Haus zusammen.

Ein Projekt mit Wirkung

Mittlerweile ist die Hundert-Häuser-Marke geknackt, als Ziel habe er sich damals aber nur 50 Häuser gesetzt, erzählt der Rentner. Möglich sei das aber nur, weil er mittlerweile auch bekannte mittelständische Unternehmen aus dem Märkischen Kreis oder Privatiers als Spender hat, die bereit sind, die Kosten für ein ganzes Haus zu übernehmen. Ebenfalls errichtete das Ehepaar elf Kindergärten. „Kindergärten sind in Sri Lanka besonders wichtig. Es gibt da nämlich so gut wie keine Kindergärten. Die Kinder werden so besser betreut und den Müttern wird dadurch auch eine ungeheure Last abgenommen“, erzählt Barbara Malaschöwski. Auch die Kindergärten sind durch die Spenden komplett ausgestattet mit Stiften, Malblöcken und ganz viel Spielzeug. Die Häuser und Kindergärten stehen alle in derselben Region, wobei es so gut wie keine Straßen gibt. Einige Häuser sind sogar mitten im Wald gebaut. Pro Haus finden minimal vier Personen Platz. „Meistens müssen wir mehr Räume einteilen, da die jungen Familien immer mit ihren Eltern zusammenwohnen. In Sri Lanka hat die Familie und der Zusammenhalt noch einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Barbara Malaschöwski. Ein Haus ist jeweils 34 Quadratmeter groß und hat einen langen Hauptraum und zwei abgetrennte Schlafräume. Die Küche befindet sich draußen vor dem Haus. Wasserleitungen gibt es auf Grund der Gegebenheiten nicht, dafür hat jedes Haus einen eigenen Brunnen, welcher sie mit Wasser versorgt. Jedoch hat jedes Haus Zugang zu elektrischen Leitungen, sodass sich einige Familien, die etwas Geld besitzen, eine kleine Glühlampe leisten können. Das Besondere an den Häusern von Malaschöwski ist der an die Zeit angepasste Toilettenraum, der an jedes Haus angebaut wird. „ Wir haben dort eine richtige Toilette bauen lassen, mit einer Trichterfunktion, so wie bei den Franzosen. Das ist uns sehr wichtig, dass dort auch Hygiene herrscht“, erzählt Malaschöwski. Die Familien sucht sich das Ehepaar immer selber aus. Die meisten von ihnen leben in totaler Armut und sind Analphabeten. Auch der Bezug zu den Häusern nach Deutschland steht für das Ehepaar im Mittelpunkt. So hat jedes Haus und jeder Kindergarten einen deutschen Namen, wie beispielsweise Dr. Sigurd Pütter – Iserlohn Haus Nr. 92, oder Haus Abendrot – Iserlohn Haus Nr. 94. Die jeweiligen Namen suchen die einzelnen Spender oder die Malaschöwskis selbst aus.

Verwurzelt in Sri Lanka

Die Ein-Mann-Hilfsorganisation ist mit den Jahren gewachsen, so musste Malaschöwski vor Ort einen weiteren Bauherrn einstellen, weil es für einen allein nicht mehr zu schaffen war. Leon Liyanage war Ansprechpartner für das Ehepaar im Hotel und ist durch die zahlreichen Besuche ebenfalls ein guter Freund der Familie geworden. Beide Bauherren sprechen einwandfrei, Deutsch, Englisch und Singhalesisch und waren auch schon für einen kurzen Besuch in Deutschland. Mit den Jahren hat Malaschöwski auch ein vertrautes Verhältnis zum Ministerpräsidenten Kumara Welgama, zu Kommunalpolitikern und zum Bürgermeister aufgebaut. „Das macht die Sache mit dem Bau der Häuser deutlich leichter. Wobei es nie Probleme gab. Wenn die mich schon sehen, dann nicken die nur noch und freuen sich, dass ich wieder Geld für weitere Häuser bekommen habe“, so Lutz Malaschöwski. Auch mit den Baustoffen gibt es nie Probleme, obwohl diese aus allen Regionen von Sri Lanka kommen. Baumärkte wie in Deutschland gibt es dort nämlich nicht. Das Ehepaar kommt immer einmal im Jahr nach Sri Lanka. „Immer im Januar und dann für zehn Wochen. Dieses Jahr waren wir schon zum 36. Mal da“, erzählt Barbara Malaschöwski. Das Ehepaar guckt sich dann die einzelnen Häuser an. Sie schauen nach, ob diese sauber sind und die Sachen gepflegt werden. Zudem besuchen sie auch gerne die Familien und kümmern sich um weitere organisatorische Dinge. „Am Anfang, als wir kamen, waren die Kinder noch ganz schüchtern, weil wir ja weiß sind. Trotzdem haben sie mir immer die Süßigkeiten aus der Hand gerissen“, erzählt Barbara Malaschöwski. „Mittlerweile ist das nicht mehr so, weil sie uns kennen und wissen, jeder bekommt etwas ab. Zum Dank führen sie uns mittlerweile etwas vor und sagen immer `Thank you´.“ In Sri Lanka selbst ist das Ehepaar aus Deutschland sehr bekannt, auch im Hotel. So passierte es öfter mal, dass Besucher mit zu den Häusern kommen und Sach- oder Geldspenden geben.

„Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich“

So oder so ähnlich ist wohl das Lebensmotto von Lutz Malaschöwski. Bereits als Politiker der SPD, in die er 1962 eintritt, bewirkt Malaschöwski sehr viel und wird auch hoch angesehen. Bereits 1963 wird er Ortsvorsitzender für Letmathe, Oestrich und Grüne. Nur ein Jahr später wechselt er ins Lethmather Stadtparlament. 1975 geht Malaschöwski in den Iserlohner Gesamt-Rat und behält sein Mandat für 25 Jahre. Dafür bekam er besondere Auszeichnungen, unter anderem das Ehrenzeichen der Stadt Letmathe, den Ehrenring der Stadt Iserlohn sowie mit dem Bundesverdienstkreuz. Ebenfalls erhält Malaschöwski die Ehrenmitgliedschaft in der SPD. Schon damals ist der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte mit dem Herzen dabei, denn als eine Behinderteneinrichtung in Letmathe geschlossen werden soll, fackelt er nicht lange und zieht mit einer Dose los, um Spenden zu sammeln. „Ich glaube, dass mein Mann immer aufrichtig und ehrlich war und sich immer zum Wohl der anderen eingesetzt hat, macht viel aus. Nur so war es möglich, das Projekt mit den Steinhäusern zu realisieren“, sagt Barbara Malaschöwski stolz. Am Anfang ging Malaschöwski noch mit einem Bierglas zu Trödelmärkten, Stadtfesten oder anderen Veranstaltungen. „Das Rumgehen und Nachfragen ist gar nicht mehr nötig. Viele Leute erkennen mich schon von weitem, wenn ich das Glas mal nicht dabei habe, wird schon nachgefragt, wieso ich es nicht dabei habe. Das passiert mir öfters, wenn ich in die Stadt zum Einkaufen gehe, dann stecken die Leute mir einfach etwas zu, ohne etwas zu sagen“, so Malaschöwski. Somit blieb es dann auch nicht aus, dass Malaschöwski das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse im April 2015 bekam. „Das war total unerwartet. Ich bekam einen Anruf aus Sri Lanka, dass dort das Consulat von Sri Lanka bei den Häusern aufgetaucht sei und sich alles genau angeschaut und auch viele Fragen gestellt habe“, so Lutz Malaschöwski. Ein Letmather Bürger hatte von dem Projekt erfahren und sei daraufhin nach Sri Lanka geflogen, um sich vor Ort ein Bild zu machen und hat dann den Tipp gegeben. Trotz der Euphorie blickt Malaschöwski etwas wehmütig in die Zukunft. Er selber ist mit seinen 82 Jahren nicht mehr so fit und weiß nicht, wie lange er das Projekt noch machen kann, denn der Flug nach Sri Lanka und die Zeitverschiebung machen dem Ehepaar sehr zu schaffen. „Auch wenn unser Projekt mittlerweile ein Familienprojekt geworden ist, weiß ich nicht, wie die Leute reagieren würden, wenn jetzt meine Tochter oder meine Enkel alles übernehmen würden.“ Dazu sei er einfach eine zu feste Größe in Iserlohn. Lutz Malaschöwski hofft daher, dass seine Ein-Mann-Hilfsorganisation bestehen bleibt - denn für Malaschöwski steht fest: „Ich betreibe Entwicklungshilfe vor Ort.“

Von Svea Rüter
Veröffentlicht am 17.04.2017