Rachel Scheele

„Ich hab das starke Gefühl in mir, dass ich nicht weg vom Wasser, vom Meer sein kann“

Für Rachel Scheele ist das Surfen mehr als nur ein Sport. Foto: Privat

Hagen. Die 22-jährige Sylter Surferin Rachel Scheele mit Hagener Wurzeln erzählt im Interview von ihrem spannenden Leben. Wie sie den dänischen Kronprinzen traf und wie sie zum Surfen kam, lest ihr hier.

MAERKZETTEL: Du bist auf Sylt aufgewachsen. Wie sagt man so schön: Die Insel der Schönen und Reichen. Wie ist es, wenn man dort aufwächst?

Rachel: Meine Eltern waren in diesen Kreisen nicht so aktiv, als dass ich nur mit Reichtum aufgewachsen wäre. Und dadurch, dass ich auch mit dem Surfen angefangen hab, bin ich nie in diese Schiene reingeraten, in der man Louis Vuitton Taschen und schöne Boots kauft. Und das war eigentlich ganz cool. Obwohl dieser Tourismus so unglaublich überhandnimmt, gibt es eben noch die ganz normalen Menschen, die einfach nur auf dieser Insel wohnen. Die muss man einfach nur finden. Und gerade durch das Surfen hatte ich eine große Community um mich herum, die ganz anders drauf war als die Superreichen auf Sylt.

Und wie bist du an das Surfen gekommen?

Ich habe mit acht Jahren an einem Surfcamp bei uns auf Sylt teilgenommen. Da war eine Freundin von mir, die wollte nicht alleine dahin und dann hat sie mich gefragt, ob ich Lust habe mitzumachen. Das war ein zweitägiger Surfkurs vom Surfclub Sylt zusammen mit Billabong. Das war cool, weil wir auch schon nach einem Tag auf dem Brett standen und die Surflehrer auch super drauf waren und die ganze Atmosphäre drum herum – dieses lässige am Surfen. Danach hatte ich leider drei Jahre lang eine Pause, weil sich da nichts ergeben hat und ich Tennis gespielt hab. Ich habe dann aber mit elf Jahren mit dem Yoga angefangen und der Yogalehrer hatte das Surfcamp geleitet. Der hat uns eingeladen, zu ihm zum Rettungsschwimmerstand zu kommen und da fingen die „Jahre am Rettungsschwimmerturm“ an. Ich bin dahingefahren und er ist mit uns surfen gegangen. Meine Eltern haben irgendwann angefangen, mir Boards zu kaufen und so nahm das Ganze seinen Lauf.

Später warst du eine Zeit lang dann in der kompetitiven Surfszene unterwegs. Du warst auch bei der deutschen Meisterschaft. Wie war das für dich?

Genau. Ich war 2011, 2012 und 2013 bei der deutschen Meisterschaft. Das erste Mal war es richtig cool, weil es ein anderes Surfen war, als das, was ich sonst kannte und weil ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin. Ich habe auch auf hohem Leistungsniveau Tennis gespielt. Aber um ehrlich zu sein, fand ich es dann die anderen Male nicht mehr so toll, weil es für mich beim Surfen ums Surfen geht: mit Freunden auf dem Wasser zu sein, die Sonne zu genießen und nicht bloß 20 Minuten auf dem Wasser sich abzuhetzen und irgendwas zu kriegen, um die anderen zu besiegen.

Man sagt, dass unter Surfern eine ganz eigene Atmosphäre und ein ganz eigener Lifestyle herrscht. Wie hat das dein Leben verändert?

Bei mir war immer der Kontrast zwischen Tennis und Surfen. Tennis war bei mir der Wettkampfsport. Ich musste sehr diszipliniert sein, viel trainieren und wenn ich auf dem Platz stand, ging es ums Gewinnen. Beim Surfen ging es dann um den Ausgleich. Ich bin ein sehr engstirniger Mensch, aber beim Surfen habe ich gelernt, einfach mal loszulassen und Spaß zu haben und nicht darüber nachzudenken, wie lange man jetzt im Wasser war. Ich war einfach im Wasser – und es waren sieben Stunden um. Ich kam aus dem Wasser und meine Mutter stand da mit Brötchen: „Komm Kind, jetzt iss doch mal was.“

Du bist auf eine dänische Schule in Deutschland gegangen und studierst jetzt in Kopenhagen. Was genau studierst du?

Ich studiere Wirtschaft und Wirtschaftsrecht an der Copenhagen Business School, da mache ich jetzt im Frühjahr meinen Bachelor. Nebenbei bin ich gerade in der Prüfungsphase bei der Lufthansa, weil ich überlege, Pilotin zu werden. Da habe ich meinen letzten Test im Frühjahr.

Wenn du den Pilotentest erfolgreich absolvierst, wirst du dich entscheiden müssen.

Ja, also ich war nach meinem Abi ein halbes Jahr zum Surfen reisen. Danach habe ich dann bei der Lufthansa den ersten Test gemacht, dann hatten die aber einen kompletten Ausbildungsstopp. Deswegen habe ich mein Studium als zweite Sicherheit angefangen. Aber jetzt, wo die Tests wiederbeginnen und ich im Frühjahr meinen Test habe, gefällt mir mein Studium so sehr, dass ich nicht weiß, was ich wählen würde. Aber Pilotin war halt immer so eine Sache mit dem Surfen zusammen. Das war immer eine hammerschöne Vorstellung, dass ich irgendwo hinfliege und arbeite, um dann in den zwei Tagen mein Hobby auszuführen.

Du bist sehr engagiert in deiner Universität. Letztens hast du sogar den dänischen Kronprinzen Frederik kennengelernt. Wie ist es dazu gekommen?

Ja, habe ich. Und die Prinzessin auch! Ich bin zweite Vorsitzende in unserer Studentenorganisation. Wir repräsentieren alle 23.000 Studenten, die wir auf der Uni haben. Da habe ich auf dem 100-jährigen Jubiläum unserer Uni eine Rede gehalten, wo Prinzessin Mary auch eine Rede gehalten hat und danach hatten wir da ein kleines Meet and Greet.

Wie waren die denn so drauf? Wie muss man die sich vorstellen?

Die waren super cool! Also sehr lässig. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Die Kultur, mit Menschen umzugehen, ist in Dänemark ganz anders als in Deutschland. Man duzt sich, obwohl das der Kronprinz ist. Wir haben uns dann ganz locker eine Viertelstunde über dieses und jenes unterhalten. Ohne dass es irgendwie gestellt war oder so.

Deine Eltern kommen aus Hagen. Warst du schon mal in der Umgebung?

Jaja klar. Hagen, Hohenlimburg – überall eigentlich.

Und was hältst du von der Gegend? Hier gibt es ja kein Meer, sondern nur Hügel und Wälder.

Furchtbar und schön zugleich. Ich bin ja nur mit meinen Eltern aufgewachsen und wenn ich dann da bin, fühlt es sich doch wie Zuhause an, weil das ganze Familiäre eben da ist. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, ob ich da leben wollen würde, dann eher nicht. Ich bin halt als Inselkind aufgewachsen und das werde ich auch immer bleiben. Deswegen habe ich mich auch teilweise für Kopenhagen entschieden, weil ich das starke Gefühl in mir habe, dass ich nicht weg vom Wasser, vom Meer sein kann.

Von Sebastian May
Veröffentlicht am 20.11.2017