Ein Lokalreporter im Home-Office

Journalismus von Zuhause

Stephan Teine arbeitet wie viele andere Journalisten zurzeit auch im Home-Office. Foto: Stephan Teine

Journalismus ist systemrelevant, das hat sich in der Coronakrise gezeigt. Doch auch Journalisten müssen zurzeit ihre Arbeit aus dem Home-Office machen. Mögliche Themenfelder fallen weg und Interviews werden lediglich über Videochat durchgeführt. Es hat sich also einiges verändert, doch wie genau sieht die Arbeit eines Lokalreporters im Home-Office eigentlich aus?

SÜDLOHN/AHAUS. Stephan Teine ist 34 Jahre alt und Journalist. Wer ihn so sieht, einen Mann mit Vollbart und im roten T-Shirt, denkt vielleicht nicht als erstes an einen „Journalisten". Dabei arbeitet er bereits seit sechs Jahren als Redakteur bei der Münsterlandzeitung, wo ihm seine offene Persönlichkeit bestimmt, die ein oder andere Tür geöffnet hat.  Seit sechs Jahren arbeitet er als Redakteur bei der Münsterlandzeitung. Sein Volontariat machte er von 2010 bis 2012, vorher war er jedoch schon als freier Mitarbeiter tätig. Eine Situation, wie die jetzige, hat er jedoch noch nicht erlebt. So wie viele andere Berufe auch, wurde auch die Tätigkeit des Journalisten ins Home-Office verlegt. In wie weit sich sein journalistischer Alltag verändern wird, wusste auch er vorher nicht.

Die Münsterlandzeitung, für die der Journalist arbeitet, zählt als lokale Tageszeitung. Laut der Internetseite des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gibt es in Deutschland 327 Tageszeitungen, 17 Wochenzeitungen und 6 Sonntagszeitungen und bei solchen, bei denen es möglich war, wurde die Arbeit ins Home-Office verlagert. Bei der Münsterlandzeitung arbeiten zehn festangestellte Redakteure, die jetzt fast alle von Zuhause aus arbeiten müssen. Für manch einen, würde das "Arbeit von der Couch" bedeuten, nicht aber für Teine. Ihm ist es sehr wichtig zu versuchen, seinen Tagesablauf so gut wie möglich einzuhalten.

Der Alltag vor Corona

Die Berichterstattung der Lokalzeitungen leben von der Gesellschaft. Die Leute interessiert, was in ihrer Nachbarschaft passiert: Wer hat das letzte Fußballspiel gewonnen? Was hat der allseits beliebte oder auch unbeliebte Bürgermeister beschlossen und wer ist Schützenkönig geworden? Lokalzeitungen können unterschiedlich aufgebaut sein: Sie können nach Themenschwerpunkten wie Politik, Sport und Events sortiert werden oder sie teilen sich in Regionen auf. Bei der Münsterlandzeitung, für die Stephan Teine arbeitet, ist letzteres der Fall. Die Zeitung teilt sich in die Kommunen Ahaus, Vreden, Legden. Heek, Südlohn, Stadtlohn und den Lokalsport auf. Teine ist für die Region Ahaus zuständig.

Sein normaler Alltag vor der Coronakrise ließ sich „als normaler Redaktionsalltag“ beschreiben. Der Tag in der Redaktion beginnt um 9:30 Uhr, um 10:00 Uhr gibt es dann die erste gemeinsame Redaktionskonferenz und danach gehen alle Redakteure in die Tagesproduktion. Das heißt, „dass Termine wahrgenommen werden, dass das Blatt gespiegelt wird und auch online weitergearbeitet wird“. Nach einer weiteren Redaktionskonferenz sind die Redakteure, dann so gegen 19:00 Uhr fertig mit der Tagesproduktion. Und dann hieß es für Teine, ab nach Hause zu seiner Verlobten.

Der Alltag in Zeiten von Corona

Auch wenn sich die Arbeit von der Redaktion ins Home-Office verlegt hat und Dinge wie die Kaffeepause mit Kollegen jetzt wegfallen, so viel hat sich gar nicht verändert: „Erstaunlicher Weise hat sich vom Zeitablauf gar nicht so viel verändert.“ Abgesehen von zwei Producern befinden sich alle im Home-Office. Die zwei Producer sitzen weiterhin in der Redaktion, da sie die technische Infrastruktur nutzen müssen, die ihnen ausschließlich die Redaktion bietet.

Sein Tag in Zeiten von Corona, beginnt ähnlich. Um 10:00 Uhr findet die gemeinsame Redaktionssitzung statt, nur diesmal nicht persönlich von Angesicht zu Angesicht, sondern in einer Teams Videokonferenz. Also Laptop auf, einloggen und die lieben Kollegen via Videochat sehen. Danach gehen, wie sonst auch, alle Redakteure in die Tagesproduktion. Um 17:00 Uhr findet dann die zweite gemeinsame Videokonferenz statt und um 18:30 Uhr ist die Tagesproduktion beendet. Zwischenzeitlich sind die Redakteure trotzdem per Telefon oder Teams in Verbindung. Auch auf die passende Arbeitskleidung wird geachtet, denn es sind die Kleinigkeiten, die ihm das Gefühl geben, seinem normalen Alltag möglichst nahe zu kommen. 

Von Zuhause arbeiten ist für Teine gar nicht so schwer. Er versucht seinen Alltag so gut wie möglich zu behalten. Während seine Verlobte, die meiste Zeit arbeiten ist. Sie arbeitet im Krankenhaus, da sie aber keinen Schichtdienst hat, kommt sie in der Regel zwischen 17:30 Uhr und 18:00 Uhr nach Hause. Eine starke Ablenkung durch zwei Personen im Haushalt findet somit nicht statt. Dennoch fällt es auf, wenn satt einer plötzlich zwei Personen zu Hause sind, auch wenn es nur eine Stunde ist.

Die Themenfindung gestaltet sich schwieriger

Worüber wird berichtet? Zurzeit behandeln jeder Fernsehsender und jede Zeitung das Thema Corona. Wie sollte es auch anders sein das gesamte öffentliche Leben ist zum Stillstand gekommen. Veranstaltungen wie öffentliche Sitzungen, Sportturniere und Nachbarschaftsfeste finden alle nicht mehr statt. Dies waren für gewöhnlich Themen, über die besonders Lokalzeitungen gerne berichtet haben. Doch worüber soll berichtet werden, wenn es kein öffentliches Leben mehr gibt? Diese Frage stellen sich auch die Zeitungen.

„Im Moment haben wir noch den Vorteil, dass wir viel über das Coronavirus und seine Folgen berichten können. Wir merken jedoch auch, dass das immer weniger wird“, erklärt Teine die Schwierigkeit der jetzigen Situation. Corona verliert an seinem Neuigkeitswert, Veranstaltungen finden die nächste Zeit nicht statt – die Themensuche gestaltet sich somit besonders schwierig. Jeder muss jetzt selbst schauen, was für Inhalte er für seine Kommune findet.

Wie geht es weiter?

Zurzeit arbeiten alle im Home-Office. Themensuche, Interviews, Recherche, Artikel schreiben und Konferenzen alles von Zuhause aus. Bei dem guten Wetter der letzten Zeit verschlägt es die meisten Leute in ihre Gärten und auf ihre Balkone. Teine hat zwar keinen Garten, von dem aus er arbeiten könnte, dafür jedoch eine Dachterrasse. Und auch wenn das Wetter nur dazu einlädt, seinen Laptop zu nehmen und sich draußen in die Sonne zu setzen, musste Teine feststellen, dass es sich im Büro, zumindest für ihn, einfach besser arbeiten lässt. Und konzentriertes Arbeiten ist wichtig, wenn trotz Corona weiterhin qualitativ hochwertige Beiträge produziert werden sollen.

„Das alles war ein laufender Prozess“, keiner hat damit gerechnet, dass Corona so ein Ausmaß annimmt. Für Journalisten gilt das gleiche, wie für alle anderen auch: „Es gibt Anordnungen, an die wir uns halten müssen und dann haben wir inhaltlich reagiert, wie wir uns auch bei einem normalen Redaktionsalltag auf aktuelle Ereignisse einstellen.“

„Was wir auf jeden Fall weiter machen, ist der tägliche Liveticker, wie sich die Situation entwickelt. Für online verwerten wir die Zahlen als Liveticker und für das Printprodukt in unterschiedlichen Grafiken und Aufbereitungen, um einfach den aktuellen Stand abbilden zu können“, erzählt Stephan Teine das aktuelle Vorgehen. Des Weiteren wird versucht Themen zu finden, die die Leser interessieren könnten, „sei es die wirtschaftliche Lage von lokalen Unternehmen oder Folgen für öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Bibliotheken." 

Eine Umstellung für alle

„Die technischen Möglichkeiten waren da. Wir haben jeden Reporter mit einem Laptop ausgestattet, mit dem er von Zuhause aus, arbeiten könnte. Das hat kein Reporter in dem Maße genutzt“, sagt Teine. Jetzt waren sie jedoch durch Corona gezwungen, diese technischen Möglichkeiten, die sie hatten, auch wirklich zu nutzen. „Wir haben alle immer in der Redaktion gearbeitet und dann wurde plötzlich der Hebel umgelegt. Fast alle arbeiten jetzt im Home-Office.“

In wie weit das ganze zukünftig Auswirkung auf die Arbeit der Journalisten haben wird, wird sich noch zeigen. Die ganze Sache hat jedoch auch seine Vorteile, wie Teine selbst auch feststellen konnte. Auch wenn er den Redaktionsalltag nicht vollständig missen will, hat er dadurch zumindest teilweise, das Home-Office für sich entdeckt. „Ich kann mir schon vorstellen, ein oder zwei Tage die Woche oder je nachdem bei welchem Themenschwerpunkt auch zukünftig von Zuhause im Home-Office zu arbeiten". 

Langfristig betrachtet ist die jetzige Situation, jedoch keine Lösung. Trotz allen Versuchen, irgendwie Normalität beizubehalten, wünscht sich wahrscheinlich jeder Mensch seinen Alltag zurück. Das Home-Office mag seine Vorteile haben, jedoch gibt es auch viele Schwierigkeiten: das Feriengefühl wird stärker, die Themen weniger, die Recherche schwieriger und abwarten einfach nur langweilig. Da hilft auch die Aussicht von einer Dachterrasse nicht allzu viel.  

Von Jasemin Rafati Sajedi
Veröffentlicht am 26.04.2020