Kata – Judo mal ganz anders

Dax-Romswinkel wirft Loosen auf den Deutschen Kata-Meisterschaften 2012

Deutsche Meisterin und Europameisterin - jetzt fehlt nur noch die Medaille bei der Weltmeisterschaft. Die 52-jährige Ulla Loosen sahnt bei den Kata-Meisterschaften 2012 im Judo ab.

Seit 40 Jahren auf der Matte! Das können nicht viele von sich behaupten. Ulla Loosen betreibt seit ihrem zwölften Lebensjahr Judo. Ihre Eltern suchten einen Sport für ihre Tochter, die damals schon lieber mit Jungs raufte, anstatt mit Barbie-Puppen zu spielen. So trat sie 1972 dem TUS Iserlohn in der Abteilung Judo bei. 1990 hatte Loosen alle Kyu-Prüfungen abgelegt und machte ihren ersten Dan, den schwarzen Gürtel. Der zweite Dan folgte rasch und die zahnmedizinische Fachangestellte übernahm fünfzehn Jahre lang die Vereinsleitung und Trainertätigkeiten im Judoverein Lüdenscheid. Um sich zu beweisen, besuchte sie zahlreiche Wettkämpfe und erreichte hier auch die Westdeutsche Ebene. Doch jeder Leistungssportler setzt sich in Extremsituationen wie bei Meisterschaften und Turnieren einer erhöhten Verletzungsgefahr aus. Das ließ Loosen, die mittlerweile auch in der Frauen-Regionalliga kämpft, ihre Situation überdenken.


Kata statt kämpfen


Beim Judosport gibt es zwei unterschiedliche Formen von Meisterschaften. Die eine und wohl bekanntere ist der Wettkampf. Hier treten zwei Kämpfer der gleichen Gewichts- und Altersklasse mit dem Ziel gegeneinander an, den anderen zu werfen, zu hebeln, zu würgen oder auf dem Rücken festzuhalten. Bei dieser Art der Meisterschaft geht es darum, seinen Gegner zu besiegen. Bei einer Kata-Meisterschaft hingegen gilt das Bestreben, den Punktrichtern gemeinsam mit einem kooperativen Partner eine festgelegte Abfolge von Techniken vorzuführen. Judowürfe werden wie in einer Tanzchoreographie mit den dazugehörigen Schritten und Bewegungen eingeübt und schließlich präsentiert. Als Vorbild dient der japanische Begründer des Judo Jigoro Kano, der in hohem Alter die wichtigsten Judotechniken zusammenfasste und daraus verschiedene Kata-Stufen entwickelte.


Trainer als späterer Kata-Partner


Die Juno-Kata ist eine dieser Stufen und das Spezialgebiet der beiden Europameister Loosen und Wolfgang Dax-Romswinkel. Als Kata-Trainer bereitete Dax-Romswinkel vor fünf Jahren noch Loosen und ihre damalige Partnerin auf ihre nächste Meisterschaft vor. Als Loosens Partnerin dann das gemeinsame Training beendete, liebäugelte der Trainer mit dem Gedanken, mit seiner Schülerin die Kata einzustudieren. Schließlich taten sich die Beiden zusammen und wurden eines der erfolgreichsten gemischten Paare in der Juno-Kata.


Gold bei der Europameisterschaft 2012


Über die Rangliste des Deutschen Judobundes qualifizierten sich Loosen und ihr Partner für die Europameisterschaft im slowenischen Koper. Nachdem sie letztes Jahr Bronze geholt hatten, war dieses Jahr wieder alles offen. Ihre Vorbereitung für solch eine Meisterschaft erfolgt kontinuierlich über das ganze Jahr. Mit intensivem Training und eigener Videokontrolle arbeiten die Partner daran, ihre Kata zu perfektionieren. Dies erfordert eine extreme Körperspannung und hohe Konzentration, um den eigenen Körper in jeder Sekunde vollkommen kontrollieren zu können. Am Pfingstwochenende ist es dann endlich so weit. „Irgendwann entwickelt man eine gewisse Gelassenheit, aber als unser Part dann immer näher rückte, stieg die Aufregung.“ Loosen und ihr Partner haben ihren Auftritt erst als eines der letzten von insgesamt 24 Paaren. Nach dem langen Warten entscheiden dann nur wenige Minuten über Sieg oder Niederlage. „Ich nehme mir vor, während der Kata nicht zu denken. Doch meistens denkt man gerade dann an die Fehler, die man machen könnte.“ Stattdessen konzentriert sich Loosen auf ein bestimmtes Detail bei jeder Technik, auf eine kleine Unsicherheit, die nicht alles kaputt machen soll. Doch das darf sie sich nicht anmerken lassen. „Wenn die Punktrichter sehen, dass einer unsicher ist, gibt es direkt Punktabzug!“ Dann schließlich - die Erleichterung. Alles hat funktioniert wie es funktionieren sollte. 15 Techniken. Kein Fehler. Aber hat es gereicht? Loosen und Dax-Romswinkel vergleichen sich mit den anderen Paaren. Ein Platz auf dem Treppchen, damit rechnen sie fest. Aber sollte es für Gold gereicht haben? Dann die Punktwertung: 427 von 530 Punkten. Neun Punkte mehr als die Konkurrenz. Loosen und ihr Partner sind damit die diesjährigen Europameister!


Mit 52 Jahren ist noch lange nicht Schluss!


Anstatt sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, steht die fitte 52-Jährige eine Woche später wieder auf der Matte, diesmal bei den Deutschen Meisterschaften. Nach dem Sieg in Slowenien scheint diese Aufgabe leicht lösbar. Mit großem Abstand gewinnen die Judoka den Deutschen Meistertitel. Großes erreicht haben Loosen und Dax-Romswinkel jetzt schon, doch für sie ist noch lange nicht Schluss. Ihr Anliegen ist es, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiterzugeben. Daher streben sie das Amt des Bundestrainers an, um dem Nachwuchs die gleiche Chance zu bieten. Und auch ihr eigenes Ego hat noch nicht genug: Im September besteht eine weitere Chance auf eine Medaille bei den Weltmeisterschaften. Für Loosen ist und bleibt Judo das schönste Bewegungserlebnis!

Von Katharina Schuldt
Veröffentlicht am 16.06.2012