Ein Portrait

„Man muss den jungen Wählern mehr Gehör verschaffen“

Alexander Brockmeier ist mit 26 Jahren der jüngste Abgeordnete im NRW-Landtag. Foto: Nino Murtas.

DÜSSELDORF. Mit 26 Jahren ist Alexander Brockmeier der jüngste Abgeordnete des NRW-Landtags. Seit seinem Einzug in den Landtag im Juni 2017 hat sich sein Alltag völlig verändert. Neben dem Studium ist er nun auch als Politiker der FDP-Landtagsfraktion Vollzeit beschäftigt. Gerade bei Themen wie Artikel 13, Meinungsfreiheit im Internet oder der Bewegung „Fridays for Future“, versteht er es als seine Aufgabe, junge Bürger in demokratische Prozesse einzubinden und ihre Sichtweise im Landtag wider zu spiegeln.

„Der Einzug in den Landtag war eine komplette Lebensumstellung – vom Studenten hin zum Vollberufstätigen in der Politik“, so Brockmeier. Am 30. Juni 2017 wurde er im Landtag NRW vereidigt. Seitdem sind die Tage und Termine des FDP-Politikers genauestens geplant, um sein Studium in Rechtswissenschaften nach wie vor in Regelzeit, neben seiner Tätigkeit im Landtag absolvieren zu können. „Es war eine Herausforderung, Studium, Beruf und Freizeit unter einen Hut zu bekommen, aber nach und nach hat sich das ganz gut eingependelt“, erzählt Brockmeier. Lange Arbeitstage sind für ihn heute keine Seltenheit mehr. Morgens widmet er sich dem Studium, tagsüber und abends der Politik.

Brockmeiers politisches Interesse besteht nicht erst seit der Landtagswahl 2017: „Ich habe früh festgestellt, dass es nicht reicht, sich nur in der Schule zu engagieren. Wenn man wirklich etwas verändern möchte, muss man sich in der Kommunalpolitik engagieren.“ Da es zu der Zeit keine Jugendorganisation in seinem Heimatort Rheine gab, gründete er dort einen Ortsverband der Jungen Liberalen. Anschließend war er auf Landesebene politisch aktiv. „2016 bin ich FDP-Kreisvorsitzender Steinfurts geworden und so in der Politik gelandet“, erzählt Brockmeier.

Alltag im Landtag

Der FDP-Politiker ist Mitglied in drei Ausschüssen: Schul- und Innenausschuss und im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Aufgrund der landespolitischen Bedeutung, schaut sich Brockmeier zu Beginn des Tages die aktuelle Presselage zu seinen Fachgebieten an, um Einfluss nehmen zu können und um Stellungnahmen zu geben. Für die Themen Jugend und Datenschutz ist er Sprecher der FDP-Landtagsfraktion: „In der heutigen Zeit ist die Jugend ein besonders wichtiges Thema, wenn man sich beispielsweise die „Fridays for Future-Bewegung“ anschaut“, so Brockmeier. Seine Aufgabe besteht darin, junge Menschen, die sich besonders für bestimmte Themen interessieren und engagieren, in demokratische Prozesse zu integrieren. Diesen Auftrag gilt es für Brockmeier in NRW zu verbessern, um mehr junge Menschen mitnehmen zu können.

„Ich bin der Meinung, dass man jungen Wählern mehr Gehör verschaffen muss und sie besser in demokratische Prozesse einbinden sollte.“

Mangelndes Verständnis für junge Wähler

Das Durchschnittsalter der Mitglieder der politischen Parteien in Deutschland liegt bei 56 Jahren. CDU und SPD führen die Statistik mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren an. Die FDP liegt bei 52 Jahren im Durchschnitt. „Dieser Fakt ist in allen Ebenen zu sehen. Auf kommunaler Ebene ist es ehrlicher Weise sogar desaströs“, so Brockmeier. Im Landtag sind rund 5% der Abgeordneten unter 30 Jahre alt und im Bundestag sind es sogar nur 2,3%. „Sie stellen jedoch ein Viertel der Gesellschaft dar. Man sieht, dass ein Missverhältnis besteht“, erklärt Brockmeier. Den größten Anteil im Bundestag machen die 50-bis 59-jährigen Politiker aus, mit 35%.

Besonders die Diskussion um Artikel 13 und das Thema Uploadfilter habe gezeigt, dass Berichterstatter Axel Voss, Europaabgeordneter der CDU, nicht die Interessen der jungen Leute nachvollziehen konnte. „Wir müssen schleunigst zusehen, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis in der Altersstruktur der Abgeordneten erreichen“, erwähnt Brockmeier.  Es sei nicht nötig, dass ein Viertel der Abgeordneten unter 30 Jahre alt ist. Dennoch sollte Brockmeiers Meinung nach die Altersstruktur in Parlamenten es ermöglichen, dass die unter 30-jährigen Politiker eine vernehmbare Stimme bilden, die im Landtag, im Bundestag oder in kommunalen Parlamenten zu hören ist. 

„In unserem Demokratiesystem wird das so nicht umsetzbar sein, deswegen muss man andere Elemente finden: Zum Beispiel Jugendparlamente, eine Jugendbeteiligungsform, die keine Parteizugehörigkeit erfordert“, so Brockmeier. Das Wahlrecht auf 16 herabzusetzen, wäre aus seiner Sicht unter anderem auch eine Möglichkeit, junge Menschen besser in das Politikgeschehen einzubinden.

Verbesserungswürdiges Agenda Setting

Bei Themen wie „Fridays for Future“, Meinungsfreiheit im Internet oder Artikel 13 sei es essentiell, seine Rolle als junger Politiker richtig zu verstehen: Was denken die jungen Leute darüber? Warum machen die das? Was ist ihre Motivation? „Bei solchen Thematiken verstehe ich es als jüngster Abgeordneter als meine Aufgabe, innerhalb unserer Fraktion die Sichtweise junger Menschen wieder zu spiegeln“, erklärt Alexander Brockmeier. „Themen, die junge Bürger interessieren, stehen auf der Tagesordnung von Plenarsitzungen leider nicht weit oben.“ Agenda Setting sei einer der Faktoren, warum die Wahlbeteiligung bei jungen Wählern oft geringer ist und warum sich diese von der Politik häufig nicht verstanden fühlen. Die größte Wählerschaft liege nun mal im älteren Segment. Daran orientieren sich viele Parteien.

„Aus diesem Grund haben wir uns das Ziel gesetzt, Themen wie Bildung und Digitalisierung auf unsere Agenda zu setzen“, so Brockmeier. Gerade bei Erst- bzw. Jungwählern stößt das auf Anklang. Mit knapp 13% ist der Stimmenanteil der FDP bei der letzten NRW-Landtagswahl 2017 der höchste von allen Bundesländern. Dort regieren sie gemeinsam mit der CDU. Auch bei der vergangenen Europawahl war die Wahlbeteiligung der unter 25-jährigen FDP-Wähler um 3% höher, als bei den 60plus-Wählern. „Das erkläre ich mir durch unsere junge Themensetzung und dem jungen Auftreten der gesamten Partei“, erklärt Alexander Brockmeier. Ein weiterer Grund könne die Kommunikation der FDP sein. Über die Sozialen Medien wird versucht, mit den Wählern in Kontakt zu treten und zu interagieren. „Wie wir kommunizieren und welche Themen wir in den Fokus nehmen, spielt bei der Adressierung der jungen Menschen und beim Ernstnehmen ihrer Ansichten eine erhebliche Rolle.“

Von Julia Schuchardt
Veröffentlicht am 08.06.2019