Unter den Straßen Iserlohns

Das Baarbachtal

In den Katakomben befinden sich viele Stalaktiten aus Kalk. Foto: Manon Meinert
Marlis Gorki erklärt den Weg. Drei Straßen - auch unterirdische - führen in die Katakomben. Foto: Manon Meinert

ISERLOHN. Was vor 200 Jahren noch ein sumpfiges Gebiet rund um den Baarbach war, ist mittlerweile unter dem Namen „Iserlohner Katakomben“ bekannt. Geplant war lediglich, eine repräsentative Zufahrtsstraße zu bauen. Doch die Katakomben haben sich bis zum heutigen Tag in vielerlei Hinsichten bewährt.

Iserlohn Anfang des 19. Jahrhunderts - „Die Stadt ist viel kleiner und lebt von den zahlreichen Fabriken und dem Handel“, beginnt Marlis Gorki die Führung durch die Katakomben. Die Teilnehmer hören ihr gespannt zu, wie es zum Bau dieser kam: Im Laufe der Jahre wuchs die Stadt und die Handelskaufleute wünschten sich eine repräsentativere Zufahrtsstraße. So begann 1820 der Ausbau. Zunächst wurde der Fußweg in der Stadt durch eine Straße ersetzt. Doch der Baarbach war dem geplanten weiteren Straßenverlauf im Weg. Das Gebiet wurde immer sumpfiger, je weiter man sich aus der Stadt hinaus begab. Erst als der stadtbekannte Architekt Otto Leppin um 1880 „die glorreiche Idee hatte, das Baarbachtal samt der Sümpfe drum herum in eine Ebene zu verwandeln“, wie Gorki erklärt, „konnte das Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden.“ Der Bau stürzte 1890 ein. Das bestärkte Leppin in seinem Tatendrang. So wurde die fast quadratisch gebaute Überwölbung in Ziegelsteinkonstruktion im Jahr 1902 fertiggestellt.

Mehr als nur eine stabile Erdkuppel

„Wir waren früher immer draußen, auch oft in den Katakomben. Es war spannend, alles war dort glitschig, nass und dunkel. Zu der Zeit hat sich keiner um die Sicherheit gekümmert. Hauptsache, wir waren satt. Es war die beste Kindheit, die man sich vorstellen kann!“, erinnert sich Jürgen Nafe zurück. Er hat nach dem Zweiten Weltkrieg als Kind in den Katakomben gespielt. Auch seine Freunde schwärmen noch heute von ihren Kindheitstagen unter der Erde. Einige erinnern sich sogar an riesige Ratten und Spinnen.

Etwas später, in den 50er Jahren, wurden dort unten Champignons gezüchtet, doch trotz gleichbleibenden Temperaturen und ausreichend Feuchtigkeit war das Vorhaben nur wenig erfolgreich. Noch heute sieht man kleinere Relikte an den Mauern.

Zufluchtsort während der letzten Kriegstage

Zu dieser Zeit hatte auch noch jedes Haus, das auf den Katakomben gebaut war, einen eigenen Zugang zu diesen. Die Anwohner nutzten den zusätzlichen Raum als Keller. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Räume dann zu Luftschutzbunkern umgebaut. Zu diesem Zweck haben die Zwangsarbeiter der Firma Mengeringhausen, die heute noch immer in der Maschinenbau-Branche tätig ist, Betten gebaut. Die Bürger mussten nur noch Bettzeug, Vorräte und eine Petroleumlampe mitbringen, um die letzten Kriegstage dort sicher zu verbringen. Ein Zeitzeuge erzählt, dass die Betten sehr eng aneinander gereiht wurden. So hatte jeder Platz.

Katakomben als Überbleibsel der Stadtgeschichte

Zuvor machte die deutsche Wehrmacht während des Krieges Gebrauch von den Katakomben. Sie richtete dort eine Autowerkstatt ein. Davon sind zwei Autos übriggeblieben. Geht man mit einer Taschenlampe durch die dunklen Gemäuer, kann man sie sehen.

Mittlerweile werden die Katakomben nur noch genutzt, um den Bürgern bei Führungen einen Teil der Geschichte Iserlohns näherzubringen. Die Eingänge sind zugesperrt, weil zu viele Geocacher den Koordinaten unter der Erde gefolgt sind. Jörg Hemecker von den Stadtbetrieben Iserlohn-Hemer: „Vor zwölf Jahren habe ich dort sogar ein Bett, eine Kochstelle und eine Badewanne entdeckt. Da hat sich jemand die Katakomben als zu Hause eingerichtet.“

Von Manon Meinert
Veröffentlicht am 17.04.2016