Die Sexualmoral der katholischen Kirche – „Manchmal ist Religion auch ein Fluch“

Oliver Hanitz, Sprecher des "SLIMK e.V." sprach mit BiTSnews über die Einstellungen der katholischen Kirche und den Schwulenhass in Deutschland. Foto: privat

Seit Sonntagabend diskutiert ganz Deutschland über die Aussagen des Hardliners Bischof Franz-Josef Overbeck. Bei Anne Will sagte der Essener, Homosexualität sei eine Sünde und liege nicht in der Natur des Menschens. BiTSnews traf Oliver Hanitz, Sprecher des Iserlohner Schwulen und Lesben Vereins „SLIMK e.V.“, und sprach mit ihm über seine Einstellung zur Kirche und seine Erfahrungen als Schwuler.

BiTSnews: Oliver, bist du gläubig?

Hanitz: Ja, ich bin katholisch und war lange Zeit ein sehr aktives Mitglied in meiner Gemeinde in einem kleinen Mendener Stadtteil. Ich habe Jugendgruppen geleitet und war Mitglied des Pfarrgemeinderates.

BiTSnews: Wie waren die Reaktionen der Gemeinde nach deinem Outing?

Hanitz: Sie waren alle sehr positiv. Ich habe keine Ausgrenzung erfahren. Trotzdem habe ich mich kurz vor meinem Outing aus Angst vor negativen Reaktionen aus allen Ämtern zurückgezogen. Drei Wochen später bekam ich einen Anruf. Eine Mutter schiss mich dermaßen zusammen, dass mich alle Jugendlichen vermissen würden und sie mich höchstpersönlich Zuhause abholen würde, wäre ich bei dem nächsten Treffen nicht anwesend. Alle Eltern ständen voll hinter mir.
Hinterher erfuhr ich vom damaligen Pfarrer, dass er schon lange von meiner Homosexualität wusste. Ein anonymer Anrufer hatte ihm schon vor meinem Outing seine Vermutungen über mich zugespielt. Den Pfarrer hatte es nicht gestört. Und später wurde ich noch zwei Mal in den Pfarrgemeinderat gewählt.

BiTSnews: Das sind ja eher untypische Reaktionen seitens der Kirche. Wie man Sonntagabend gesehen hat, ist Homosexualität in den Augen der Kirche nicht normkonform. Bischof Overbeck sagte bei Anne Will, Homosexualität sei eine Sünde und entspreche nicht der Natur. Wie hast du diese Aussagen empfunden?

Hanitz: Zunächst muss man mal festhalten, dass Rosa von Praunheim Overbeck mit seinen Beschreibungen der Garderobe des Papstes sehr provoziert hat. Das konnte man gut am Gesichtsausdruck des Bischofs sehen. Dass die Kirche die Homosexualität nicht anerkennt, ist nichts Neues. Die Einstellung der Kirche ist überall bekannt, doch ich denke, in diesem Falle kommt es stark auf die Wortwahl an. Overbecks Worte sind hart und wirken aggressiv.

BiTSnews: Wie glaubst du, werden diese Worte in der Öffentlichkeit aufgenommen? Die Printmedien berichten sehr stark über diesen Vorfall.

Hanitz: Ich glaube, die derzeitige Berichterstattung hat nur zur Folge, dass gegen die Homosexuellen aufgehetzt wird. Meiner Meinung nach, kann man mit Aggressivität keine Toleranz schaffen. Overbeck wollte mit dieser Aussage nur vom eigentlichen Thema, dem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche, ablenken. Was er auch zehn Minuten lang geschafft hat. Ich bin froh, dass im ganzen Durcheinander von einigen Diskussionsteilnehmern klar gestellt wurde, dass Pädophilie nicht mit Homosexualität gleich zu setzen ist.

BiTSnews: Viele Politiker und auch die ARD forderten in den letzten Tagen, Overbeck solle sich bei den Homosexuellen für seine Worte entschuldigen. Was wünschst du bzw. euer Verein euch von Overbeck?

Hanitz: Eine Entschuldigung ist nicht notwendig, denn Overbeck vertritt nur die Sexualmoral der katholischen Kirche. Aber wir würden uns wirklich wünschen, dass er einsieht, dass die Wortwahl völlig unbedacht war. Was uns sehr wichtig ist, ist der gegenseitige Respekt, den man sich entgegen bringt. Uns Schwulen ist klar, dass unser Lebensstil dem Leitbild der Kirche widerstrebt. Manchmal ist Religion auch ein Fluch.

BiTSnews:  2000 hatte Kardinal Lehmann gesagt, dass es die kirchliche Lehre verbietet, homosexuell veranlagte Menschen in irgendeiner Weise ungerecht zu behandeln und ihnen mit Missachtung zu begegnen. Gleichzeitig sagt er aber auch, dass die Kirche homosexuelle Beziehungen unmissverständlich ablehnt, da die Geschlechtlichkeit nach der Schöpfungsordnung auf die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau hin geordnet ist.

Hanitz: Gerade deswegen hätten wir uns auch gewünscht, dass Overbeck an die Nächstenliebe appelliert, sich insbesondere gegen Abgrenzung, Diskriminierung und Übergriffe stark macht. Aber das, was Lehmann sagt, bedeutet ja nichts anderes, als dass die Homosexualität als solche geduldet wird, die Auslebung dieser ‚Neigung’ jedoch nicht erwünscht ist. Und das ist ein Widerspruch in sich.

BiTSnews:  Auch Bischof Overbeck sagte bei Anne Will, dass ‚Liebe sich nur in der Gemeinschaft von Mann und Frau’ erfülle.

Hanitz: Liebe ist, wenn jemand für den anderen da ist! Egal wie sich diese Liebe äußert.
Meine Eltern führten eine Beziehung, wie ich sie mir immer gewünscht und jetzt auch gefunden habe. Denn es geht nicht darum, wer eine Beziehung führt, sondern um das ‚Wie’. Man muss sich ja nur mal die Scheidungsrate der Ehen in Deutschland angucken.

BiTSnews: Am Montagabend zeigte der „Westdeutsche Rundfunk“ die Dokumentation „Schwule Sau“. Hier konnte man sehen, dass gerade bei Jugendlichen der Schwulenhass neu aufkommt. Woher kommt diese Entwicklung?

Hanitz: Das ist schwer zu sagen, aber ich glaube, vor allem geht es um Klischees, die im Raum stehen. Es wird viel zu wenig über Homosexualität aufgeklärt. In meinen Augen haben die Erziehungsinstitutionen versagt; vor allem die Kirche, Schulen und der Staat. Sozialer Neid spielt hierbei auch eine Rolle. Homosexuelle sind meist Doppelverdiener und kinderlos, es geht ihnen relativ gut. Oft sind die Täter auch Jugendliche mit Migrationshintergrund. Wenn in Ländern, in denen Religion eine sehr große Rolle spielt, dann Homofeindliches von der Kanzel gepredigt wird, dann wird die Mehrheit in ihrem Glauben gestärkt, dass Homosexualität etwas Schlechtes sei.

BiTSnews: Was wünschst du dir von der Kirche und der Gesellschaft?

Hanitz: Die Modernisierung der Kirche ist ein großer Wunsch, doch ich weiß, dass dies noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir sind dankbar für jeden kleinen Schritt, den wir machen. Religionen entwickeln sich. Man kann ihnen den Wandel nicht aufzwingen, sondern muss ihnen die Zeit zur Entwicklung lassen. So etwas muss von innen kommen. Auch die Gesellschaft ist noch nicht so weit. Die Werte und der Respekt im Miteinander müssen da sein und anerkannt werden. Wie Overbeck sagte: ‚Liebe ist ein ganz hohes Gut’. Zwischen wem die Liebe ist, dürfte da keine Rolle spielen.

Von Paulina Dobek und Adrienne Hattingen

www.slimk.de

Veröffentlicht am 15.04.2010