Einmal Geschichte mit eigenen Augen erleben

Zu sehen ist ein Teil der Lürbker Heimatkrippe mit dem Schild über der ganzen Ausstellung.
Eine kleine Bauernscheune - Menschen und Tiere leben unter einem Dach.
Das Lürbker Dorfleben und dazwischen die Jesus Geschichte.
Der Gasthof "Waldschlösschen" mit den 32 Schützen.
Der Schmied arbeitet in seiner Schmiede, die mit vielfältigem Werkzeug ausgestattet ist.
Kinder, die an der Schule spielen und die Heiligen drei Könige, die sich auf den Weg zu Jesus machen.
Ein Blick über das Haus der Ostermänner auf das Dorf.
Der Bieberhof, die Urzelle des Dorfes, in seiner Pracht.
Das Backwerk, in dem der Bäcker das Brot backt und die Bäckerin frisches Brot unter die Leute bringt.
Christen auf dem Weg zur St. Liborii. Am Eingang steht der Pastor und begrüßt die Menschen.
Der Meilerplatz als Standort für die Köhler.
Die Dorfschule der Lürbker, in der sich viele lustige Geschichten ereigneten.

MENDEN-LÜRBKE. Es ist dunkel. Der Regen tropft leise auf den Boden und bildet kleine Pfützen. Ab und zu eine kleine Windböe. Von Weitem kann man es schon sehen. Ein hell beleuchtetes Fenster erhellt die Straße. Ich trete näher an das Fenster heran und entdecke den ganzen Stolz von Ulrich Ostermann: Die Lürbker Heimatkrippe.

Das kleinste Dorf rund um Menden mit knapp 100 Einwohnern hat eine Geschichte, über die die wenigsten Bewohner Bescheid wissen. Ulrich Ostermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Mitbürgern diese Geschichte näherzubringen. In einer Modellbaulandschaft, die er liebevoll die „Lübker Heimatkrippe“ nennt, macht er die Dorfgeschichte greifbar und stellt die wichtigsten Gebäude dar. 

Zurückversetzt in die Vergangenheit

Dargestellt ist der Zeitraum zwischen 1152 – 1960 nach Christus. Neu für die Besucher der Lürbker Heimatkrippe dieses Jahr ist die Urzelle des Dorfes. Erst seit Dezember diesen Jahres kann die Erweiterung begutachtet werden. „Mit dieser Erweiterung habe ich nun eine Lücke in der Geschichte geschlossen“, erklärt Ostermann. Der Bieberhof besteht aus einem großen, altertümlichen Bauernhaus, mehreren Tierställen vorne auf dem Hof, einer Scheune neben dem Haus, einem Backhaus angrenzend an den Hof sowie einer Hofkapelle, die auf einem Hügel liegt, der an den Bieberhof angrenzt. Menschen, die sich gemeinsam um die Tiere kümmern, sind überall auf dem Hof verteilt. Ein Schwein, in der Mitte zerteilt, hängt auf einem Ständer an der Hauswand. Ein Mann steht davor und hält eine Keule in der Hand. Einige Frauen mit Körben im Arm scharren sich um die Hühner und sammeln Eier. In einem kleinen Teich am Rand des Hofes sind Gänse, die im Wasser schwimmen und baden. Die alten Bewohner des Hofes ruhen sich auf einer Bank aus und betrachten vergnügt das Hofleben.

Neben dem Hof existiert ein kleines Backwerk, wo ein Bäcker und seine Helfer Brot für das Dorf backen. Ein gigantischer Ofen, der so groß ist, dass es eine Hütte sein könnte, und ein kleiner Unterstand, wo die Bäckerin das Brot verkauft, bilden die Bestandteile des Backwerks. Mehlsäcke lehnen an die Gebäude. An der Seite des Backwerks führt eine Treppe zur Hofkapelle. Es herrscht reger Betrieb dort. Menschen, die auf ihrem Weg zur Hofkapelle St. Liborii sind, eilen die Stufen hoch. Vor ihr steht der Pastor und begrüßt die Menschen. Die Kapelle wurde nach dem heiligen Liborii benannt, ein spätantiker Bischof, der viele Menschen heilte. Während des 30-jährigen Krieges wurde sie zerstört.

Es ist nicht zu übersehen: Die Menschen früher lebten ein anderes Leben, als wir heute. Bei uns wird ein Schwein nicht mitten auf dem Hof an der frischen Luft geschlachtet, sondern in einem Schlachthaus, abgetrennt von der Außenwelt. Kühe laufen nicht auf dem Hof herum, sondern auf einer Wiese, die umzäunt ist oder leben in einem Stall mit anderen Kühen. Wie in dem alten Bauernhaus zu sehen, lebten Menschen mit Tieren unter einem Dach. Erst später wurde das Wohnhaus vom Tierstall getrennt. Ebenso ist es nur noch für die wenigsten Menschen wichtig, eine Kirche zu besuchen und ein gutes Verhältnis zu Gott zu haben. Das Leben hat sich stark verändert.

Köhler und Müller

Was heute nur noch bekannte Nachnamen sind, waren früher die Berufe der Menschen. In der aufkommenden Frühindustrie wurde der bäuerliche Charakter von Lürbke stark verändert. Zur Verhüttung von Eisen wurden Mengen an Holz und Holzkohle benötigt. Neue Leute siedelten sich an – die Köhler. Sie kamen aus Lothringen, der Eifel und dem Hunsrück. Neue Siedlungen entstanden – die Kotten. Noch um das das Jahr 1880 herum betrieben mehrere Bewohner das Köhlerhandwerk. Sie schlugen Bäume, schlichteten sie zu Meilern auf und gewannen Holzkohle. Mit der Erfindung der Steinkohle starb der jahrhundertalte Köhlerberuf letztendlich aus, und die Meilerplätze wurden geschlossen.

„Der Schmied und der Müller kamen aus dem Nachbardorf, aber sie spielten für Lürbke eine wichtige Rolle“, erzählt Ostermann und zeigt auf die Schmiede. Es ist ein im Gegensatz zu den anderen Häusern eher kleines Gebäude. Wie alle anderen ist auch dieses Gebäude gezeichnet durch seinen Fachwerkstil. Innen glimmt eine kleine Feuerstelle. Ein Mann steht daneben und hält mit der einen Hand ein Metallstück und mit der anderen einen Hammer. Die Werkstatt ist mit viel Werkzeug ausgestattet. Hinter dem Schmied steht eine kleine Werkbank an der Wand. Auf dem Boden liegen Materialien, wie Holz und Eisen. Bis 1971 wurde in der alten Schmiede noch geschmiedet, wie mir Ostermann mitteilt. Der letzte Schmied hieß Ferdinand Schlünder. Nachdem er gestorben war, wurde das Handwerk nie wiederaufgenommen. Heute sei dort ein kleiner Blumenladen.

Direkt hinter dem Gebäude befindet sich die Mühle. Sie liegt direkt an einem kleinen Bach. Eine Brücke führt von der einen zur anderen Seite des Baches. Das Wasserrad, welches an der Front des Hauses angebracht ist, dreht sich im Wasser. Ein Angler steht auf der Brücke und wartet seelenruhig auf das Anbeißen eines Fisches. Im Hintergrund watscheln kleine Gruppen von Gänsen auf der Wiese und schnattern vor sich hin. Der Müller selbst befindet sich am anderen Ende des Gebäudes und schleppt Säcke von Mehl in das Gebäude. Artur Buddenberg ist der letzte Müller gewesen. Bis in die 60er Jahre betrieb er die Mühle. 1969 wurde sie dann abgerissen und ein neues Wohnhaus wurde auf den erhaltenen Grundmauern erbaut.

Kultur und Bildung spielten auch schon damals eine wichtige Rolle

Genau neben der Mühle befindet sich die alte Dorfschule. Als die Schulreform kam, gab es schlagartig 68 schulpflichtige Kinder. Damit sie aber keinen langen Schulweg haben, wurde entschieden, dass Lürbke eine eigene Dorfschule bekommt. „An dieser Stelle würde ich sehr gern eine Geschichte erzählen“, äußert sich Ostermann. „Auf den Dörfern sprachen die Kinder bis zu ihrer Einschulung nur plattdeutsch. Damit sie den Lehrer verstehen konnten, redete er anfangs auch sehr viel plattdeutsch mit den Kindern. Nach den Osterferien im April 1910 wurde dann Franz Fischer vom Bieberhof eingeschult. Nur wenige Tage danach fehlte Franz bereits beim Unterricht. Dem Lehrer wurde mitgeteilt, dass Franz krank sei. Er fehlte eine ganze Woche. Als er dann wieder in die Schule kam, fragte ihn der Lehrer ‚Franz, du warst die ganze, letzte Woche nicht da. Was war denn los?‘ und Franz antwortete ‚Lassen Sie sich mal mit dem Kultivator über den Fuß fahren, dann würden Sie auch nicht zur Schule kommen‘.“

Im Jahre 1908 errichtete die Lürbker Dorfgemeinschaft in dem Eingangsgiebel der Schule einen Glockenturm. Der sollte dazu dienen, dass selbst die Arbeiter auf dem Feld wussten, wie spät es ist. Denn nur die Bauern selbst hatten eine Taschenuhr, sodass es oft vorkam, dass die Arbeiter zu spät zum Essen kamen. Die Frauen hatten sich beschwert, sodass eine Glocke dreimal täglich geläutet wurde.

Zu jedem Dorf gehört ein Gasthof. Der Gasthof „Waldschlösschen“ wurde 1873 erbaut. Es ist hell erleuchtet und in dem Gebäude herrscht reger Betrieb. Dargestellt wird die Gründungsversammlung der St. Hubertus Schützenbruderschaft. Am 8. August 1948 kamen dort 32 Männer zusammen und gründeten den Schützenverein. Im Fenster kann man viele Männer erkennen, die mit einem Bier anstoßen. Sie tragen grüne Uniformen und einen Hut mit Feder. An der Eingangstür steht ein Mann und hält eine Rede.

Jesus Christus in Lürbke?

Ulrich Ostermann erzählt aber nicht nur von der Lürbker Geschichte. In seiner Lürbker Heimatkrippe hat er auch die Geschichte von Jesus Christus eingebettet. Zu sehen sind Maria und Josef, wie sie nach einer Unterkunft im Gasthof suchen. Im Stall eines Lürbker Bauern gebärt Maria schließlich Jesus. Direkt daneben auf einer Weide voller Hirten erscheinen die drei Engel und verkünden die Geburt Jesu. Und da, wo die Kinder vor der Schule spielen, ziehen die drei Könige mit ihren Gefährten vorbei – auf dem Weg zum Stall. Ulrich Ostermann verrät: „Am 6. Januar stelle ich die Figuren immer direkt an den Stall. Sie beschenken das Jesuskind und da, wo jetzt Körbe stehen, sind dann die Kisten voller Gold, Weihrauch und Mürre.“

Darüber hinaus hat er auch seine Familie in dem Kunstwerk verewigt. Der Hof Ostermann steht inmitten des kleinen Dorfes. Nachdem das alte Fachwerkhaus 1899 abgebrannt war, wurde 1900 ein neues Bauernhaus aus Bruchsteinen, die zuvor aus dem Lürbker Steinbruch gewonnen wurden, neu errichtet. Dort lebten die Menschen, getrennt von den Tieren, in einem eigenen Wohnhaus. In den 40er Jahren übernahm der Onkel von Ulrich Ostermann die Landpoststelle und versorgte seine Mitbürger mit Paketen, Briefen und zum Teil auch mit der Rente. Nachdem die Dorfglocke nicht mehr in der Schule hängen bleiben konnte, da das Dach des Glockenturms undicht wurde, nahmen die Ostermänner diese Aufgabe an sich und der Onkel läutete von 1922 bis 1952 dreimal täglich die Glocke. Im hinteren Teil des Gebäudes sieht man zwei Fotos in den Fenstern hängen, die die alten Bauern zeigt. Es handelt sich hierbei um die Eltern von Ulrich Ostermann.

An dieser Stelle endet die Geschichte und es wird Zeit, zu gehen. Durch das Fenster fällt nach wie vor das Licht auf die Straße. Der Regen hat mittlerweile aufgehört und am Himmel sind Mond und Sterne zu sehen. Es ertönt das Läuten der Glocke. Es ist das Läuten wie vor 100 Jahren. Es hat sich also nicht alles verändert.

Die Heimatkrippe ist noch bis zum 2. Dezember 2018 jeden Donnerstag-Nachmittag von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr für Besucher geöffnet.

Von Anna Musch
Veröffentlicht am 18.12.2017