Historische Fabrikanlage

Handwerk wie im 19. Jahrhundert

Heiße Angelegenheit – flüssiges Messing wird in die Form gegossen. Foto: Hannah-Catharina Esser
Die Anlage aus dem 19. Jh. gilt als besterhaltene im Märkischen Kreis. Foto: Hannah-Catharina Esser
Wie vor fast 200 Jahren werden hier Messingteile hergestellt. Foto: Hannah-Catharina Esser
Bei 1000 Grad wird das Messing im Ofen erhitzt. Foto: Hannah-Catharina Esser
Andreas Kiesewetter erklärt, wie die Gelbgießerei abläuft. Foto: Hannah-Catharina Esser
Erster Schritt: Die Form mit einem mehlartigen Trennmittel bepudern. Foto: Hannah-Catharina Esser
Mit einem großen Sieb trägt Andreas Kiesewetter den Formsand auf. Foto: Hannah-Catharina Esser
Harte Arbeit – mit einer 15 Kilo Kugel wird alles verdichtet. Foto: Hannah-Catharina Esser
Die Modelle werden entfernt und die Abdrücke sind bereit zum Gießen. Foto: Hannah-Catharina Esser
Heiße Angelegenheit – flüssiges Messing wird in die Form gegossen. Foto: Hannah-Catharina Esser
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Foto: Hannah-Catharina Esser
Von 1881 bis 1966 produzierte hier die Firma Hermann Moritz & Sohn. Foto: Hannah-Catharina Esser
Das Drahtschneiden war in den Anfängen anstrengende Handarbeit. Foto: Hannah-Catharina Esser
Bald übernahmen Maschinen die Aufgabe, wie Mitarbeiter Wiegand zeigt. Foto: Hannah-Catharina Esser
Um die Kopfhaut nicht zu verletzen, werden die scharfen Kanten entfernt. Foto: Hannah-Catharina Esser
Nach dem Umschlagen und Wellen sind die Haarnadeln fast fertig. Foto: Hannah-Catharina Esser
Auch Zopfnadeln als Schmuck wurden in mühevoller Arbeit hergestellt. Foto: Hannah-Catharina Esser
In fünf Schritten zur fertigen Haarnadel (l.) und Zopfnadel (r.). Foto: Hannah-Catharina Esser

ISERLOHN. Am vergangenen Samstag nahm die „Historische Fabrikanlage Maste-Barendorf“ ihre Besucher auf eine spannende Zeitreise mit. Hautnah erlebten sie, wie einst die Messing- und Haarnadelherstellung ablief – der bedeutendste Industriezweig der Stadt.

Der Schweiß tropft, die glühende Hitze des Ofens treibt einem Tränen in die Augen und Kohlerauch erfüllt die Gelbgießerei – damals wie heute. An den Wänden und auf dem Boden sind Formen für den Guss verteilt, in einer Ecke steht der brodelnd heiße Ofen, schräg gegenüber liegen ein großer Haufen schwarzer Sand und jede Menge andere Utensilien – das ist das Reich von Andreas Kiesewetter. Er macht auf der seit 1983 unter Denkmalschutz stehenden Industrieansiedlung kostenlose Vorführungen seines Handwerks.

Gelbgießerei – schwere körperliche Arbeit

„Der Gelbguss ist eigentlich nichts anderes als der Messingguss. Aber der Begriff Gelbguss stammt aus der Bronzezeit. Bronze ist eine Legierung, also eine Mischung aus Kupfer und Zink, wodurch man goldgelbes Metall erhält“, klärt Kiesewetter die fragenden Gesichter über den Ursprung des Namens auf. Produziert wird hier noch wie vor knapp 200 Jahren nach dem Nassgussverfahren. Auf einer rechteckigen Lagerform werden mehrere Modelle in Formstoffe, ein mehlartiges Trennmittel, roter Ölsand und schwarzer Tonlehmsand, eingebettet. Mit einer fünfzehn Kilogramm schweren Kugel wird alles verdichtet. Dann werden die Modellteile wieder entnommen, sodass die entstandenen Abdrücke über ein kleines Loch ausgegossen werden können. „Das Gewicht einer fertigen Form ohne Messinginhalt liegt bei ungefähr 43 Kilo. Ein Handformer wie ich hat am Tag ungefähr 60 bis 70 Kästen gemacht“, sagt Kiesewetter über die schweißtreibende Arbeit. Vor den gespannten Augen der Zuschauer gießt er mit einer großen Kelle das feuerrote, 1.000 Grad Celsius heiße Messing in die Form. Einige Minuten später kann das noch glühende Ergebnis bestaunt werden.

Iserlohner Haarnadeln waren weltweite Exportschlager

Nebenan werden die Besucher Augen- und Ohrenzeuge wie es von 1881 bis 1966 in der Haarnadelfabrikation Hermann Moritz & Sohn zuging. Von Iserlohn aus belieferte das Unternehmen Kunden auf der ganzen Welt mit seinen Haar- und Zopfnadeln – zu einer Zeit, als Frauen noch aufwendige und pompöse Frisuren trugen. In der vollständig funktionsfähigen Anlage demonstriert Museumsmitarbeiter Wiegand den industriellen Produktionsablauf. Von einer langen Drahtrolle werden zunächst gleich große Stücke abgeschnitten. Was in den Anfängen der Produktion noch mit der sogenannten Knieschere in anstrengender Handarbeit gemacht wurde, übernahm bald eine Maschine. Damit die scharfen Schnittkanten der Nadeln nicht die Kopfhaut verletzen, werden an die beiden Enden kleine Köpfe mit der Perlnadelmaschine geschlagen. Der Besucher ist mittendrin statt nur dabei, darf die Ergebnisse nach jedem Arbeitsschritt begutachten und mitnehmen. „Für eine gleichmäßige Festigkeit bei der Weiterverarbeitung wurden die Drahtstücke gebündelt und im Ofen bei 300 Grad ungefähr zwei Stunden gebläut. Durch die Hitze im Ofen sehen die Drähte dann bläulich aus, deswegen heißt der Produktionsschritt so“, sagt Wiegand. In den letzten beiden Schritten wird der Draht für den optimalen Halt gebogen und gewellt.

Nach knapp zwei Stunden endete die spannende Zeitreise. „Es war interessant zu sehen, wie die Maschine funktionierten und was die damals schon für eine fortschrittliche Technik hatten“, lässt ein Familienvater mit seinen beiden Söhnen den Nachmittag Revue passieren. Die nächsten Vorführungen finden am 9. Mai und 20. Juni jeweils um 15 Uhr statt. 

Von Hannah-Catharina Esser
Veröffentlicht am 21.04.2015