Osterfest

Jugendprozession begeistert Groß und Klein

Der Messias mit dem schweren Kreuz geht an neun Stationen auf die Knie. (Foto: Janine Glormann)
Mehr als 2000 Menschen befanden sich zum Start der Prozession um Punkt 21 Uhr vor dem Kirchplatz. (Foto: Janine Glormann)
Der Messias kommt um 21 Uhr aus der Kirche und beginnt den Kreuzweg. (Foto: Janine Glormann)
Begleitet von jugendlichen Helfern, die Fackeln hochhalten, folgt die Menschenmasse dem Messias. (Foto: Janine Glormann)
Dieses Bild zeigt eine der neun Stationen, an denen sich der Messias niederließ. (Foto: Janine Glormann)

Menden. Eine besinnliche Atmosphäre und tiefgründige, selbstgeschriebene Texte von Schülern prägten die Jugendprozession in Menden am Donnerstagabend. Bis in die frühen Samstagmorgenstunden war die Kreuztracht Hauptbestandteil des Mendener Stadtlebens. Tausende Menschen folgten den Stundenprozessionen.

„Jahrelang konnten Frauen nicht darüber sprechen, dass sie in der Kirche missbraucht wurden. Sie wurden nicht ernst genommen“, hallte die Stimme einer Schülerin durch Lautsprecher auf Mendener Straßen und Waldwege. „Wir bitten Gott darum, auf alle Menschen aufzupassen“, führt sie fort. Unter Vollmond und bei frühlingshaften Temperaturen folgten rund 2000 Menschen dem Messias mit dem schweren Holzkreuz auf dem Kreuzweg. Begleitet wurde die Prozession von selbstgeschriebenen Texten von Schülern, die in der ganzen Stadt zu hören waren. 

Die diesjährige Jugendkreuztracht organisierten 20 Schülerinnen und Schüler des Walburgis-Gymnasiums (WBG). Die Kreuztracht umfasst eine Prozession, ein religiöses Ritual, bei dem eine Menschengruppe einen Umzug vollzieht. Diese Prozession zieht mit einem Jesus-Darsteller in entsprechender Verkleidung durch Straßen und Waldwege Mendens. Der Jesus-Darsteller trägt dabei ein schweres Holzkreuz auf seinen Schultern. Auf diese Weise gedenken die teilnehmenden Gläubigen dem Weg Jesu durch Jerusalem, bevor er auf gekreuzigt wurde. Im Rahmen ihrer Firmvorbereitung haben sie nach dem Schulunterricht noch Texte geschrieben, die das Geschehen rund um den Tod und die Auferstehung Jesu Christi mit der Gegenwart und dem eigenen Leben verbinden sollen. „Kreuzwege des Lebens“ nannten sie das diesjährige Motto. Eine biblische Schilderung sollte der Ausgangspunkt jeder der neun Stationen des Kreuzweges sein. An diesen Stationen ließ sich der Messias, dessen Identität unter einer Perücke verdeckt war, auf die Knie sinken. Daraufhin folgten Ereignisse des aktuellen Weltgeschehens in persönlichen Schilderungen. Unter anderem das Thema Mobbing, der Missbrauch in der Kirche, die Verletzung von Olympiasiegerin Kristina Vogel, durch die sie an den Beinen gelähmt ist, und eine Naturkatastrophe wurde aufgegriffen. Den Abschluss bildeten Gebete, passend zu den jeweiligen Situationen. Entsprechend der Situationen suchten die Schüler auch die Musik aus. Diese haben sie aus aktuellen Popsongs, aber auch aus klassischen Werken zusammengesetzt. 

Bewegende Geschichten verbunden mit Religion

An der dritten Station des Kreuzweges erinnerten die Schüler an die 50 Opfer des Terroranschlags in Neuseeland vergangenen Monat. "Lieber Gott, hilf uns, mit dem Tod umzugehen und uns Kraft dafür zu geben", hallte die Stimme der Schüler durch die Lautsprecher. Um die zweitausend Menschen stehen mitten auf der Straße und gedenken der Opfer. Es ist still und dunkel. Zu hören sind ausschließlich die Stimmen der Schüler und zu sehen sind nur die Fackeln, die jugendliche Helfer trugen. Noch nicht einmal die Handys wurden genutzt. Das Lied "Human" von Christina Perri ging unter die Haut. Beim Weitergehen regte es zum Nachdenken an: Das Leben sei ein Geschenk und die Menschen müssen sich gegenseitig tolerieren und respektieren.

Seit nun schon mehr als 300 Jahren gibt es die Kreuztracht in Menden. Die Jugendkreuztracht am Donnerstagabend dient als Start für die folgenden Prozessionen. Bis in die frühen Samstagmorgenstunden beginnt danach jede Stunde eine neue Prozession. Die große Kreuztracht an Karfreitag war jahrelang der Höhepunkt der Stundenprozessionen. Doch seit einigen Jahren zieht die Jugendprozession am Gründonnerstag die meisten Besucher an. Vor allem die jungen Leute sind von dem Programm begeistert. Die Selbstgestaltung des Kreuzweges und die Verbindung des Alltäglichen mit kirchlichen Ereignissen ist einmalig. „Das ist eine beeindruckende Atmosphäre. Es sind so viele Leute da und trotzdem ist es so still“, bemerkt WBG-Schüler Moritz Köchling. Er ist einer der 20 Jugendlichen, die die diesjährige Organisation übernahmen. Alle sind bereits mitgelaufen, manche schon seit vielen Jahren. 

Ostern nur Eiersuche und Süßigkeitensammeln

Für Jugendliche hat das Osterfest unterschiedliche Bedeutungen. Oft wird nicht mehr an die Leidenszeit, die Kreuzigung und die Auferstehung Jesu gedacht. Eher stehen für viele Jugendlichen Eier- und Süßigkeitensuche, Geschenke und die freien Tage im Vordergrund. „Für mich bedeutet Ostern Zeit mit Familie und Freunden“, sagt Maria Schulte. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass es so ein Angebot, wie die Jugendprozession gibt, wo gezielt die jungen Leute angesprochen werden.

„Gott gibt einem nur so viele Aufgaben, wie man bewältigen kann“, klingt es aus den Lautsprechern mitten im Wald. Die Waldwege und der leichte Windzug verbunden mit vollkommener Stille sorgen bei den Besuchern für eine besinnliche Stimmung. Nach gut einer Stunde neigt sich die Kreuztracht dem Ende zu. Die Besucherzahlen zeigen: Die Jugendkreuztracht ist begehrter denn je.  

Von Janine Glormann
Veröffentlicht am 24.04.2019