Kohle oder Menschenleben?

Die aktuelle Ausstellung der Zeche Zollern dokumentiert die Bergwerkunglücke in Deutschland. Foto: Carolin Dennersmann

Dortmund. In Russland schockierte letztes Wochenende ein Bergbauunglück mit verheerenden Folgen: Über 70 Tote und weitere Vermisste – und das obwohl die Gefahren der Arbeit unter Tage längst bekannt und die Ursachen erforscht sind. BiTSnews sprach mit Experten aus der Region über die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen.

„Sicherheit ist teuer“, betont Wilhelm Scheider von der Iserlohner Firma Thiele, die an weltweite Bergbauunternehmen unter anderem Teile für Förderanlagen verkauft.  Als ehemaliger Fertigungsleiter und Berater für die Anwendung vor Ort hat er sich über die Jahre ein Bild gemacht: „Die Sicherheitsstandards sind von Land zu Land verschieden. In den Ländern, wo die Wirtschaft an der Kohleindustrie hängt, wird der Profit schon mal über die Menschenleben gestellt.“

 „Entweder die Wirtschaft stirbt oder die Menschen tun es“, weiß auch Technik- und Wirtschaftshistoriker Martin Lochert. Der enorme wirtschaftliche Druck verführe zu Leichtsinn. Die Folge: Explosionen wie neulich in Russland könnten leicht geschehen. Er selbst ist Sohn eines ehemaligen Zechenarbeiters und weiß um die Gefahr, in die sich die „Kumpel“ Tag für Tag begaben: „Nachdem mein Vater dem Tod zum dritten Mal so eben von der Schüppe gesprungen ist, hat er mir ausdrücklich verboten im Bergbau zu arbeiten.“ Heute ist er Museumsführer in dem Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund.

Schwere Unglücke auch im Ruhrgebiet

Die Ausstellung des Museums „Ich hatte einen Kameraden“ dokumentiert die schweren Unglücke in der deutschen Bergbaugeschichte. Zu den verheerendsten Katastrophen zählen vor allem die so genannten Schlagwetterexplosionen, die auch für das Desaster in Russland Auslöser war. In der Geschichte des Ruhrgebiets hat es davon einige gegeben: 1908 in Hamm mit 348 Toten, 1926 in Dortmund mit 136 Toten, 1946 in Bergkamen mit 405 Toten,  um nur die schlimmsten Unglücke zu nennen. 

Experte Martin Lochert konnte zumindest in Deutschland in den vergangenen Jahren Verbesserungen feststellen. Lochert: „Es hat sich Einiges getan, solche Explosionen müssen nicht sein und passieren in Deutschland schon seit Jahrzehnten nicht mehr. China dagegen zählt bis zu 20 000 Tote – jedes Jahr!“ Natürlich darf man dabei die Relationen nicht außer Acht lassen. Während in Deutschland nur noch 6 Bergewerke aktiv betrieben werden, sind es in China über 600.

Explosionen kann heute vorgebeugt werden

Trotzdem können moderne Messgeräte die fatalen Schlagwetterexplosionen verhindern. Bei diesen Explosionen handelt es sich um Methan-Luft-Gemische. Bei dem Abbau von Kohle werden Methangase freigesetzt, die bei einer Konzentration über 4,5% zusammen mit Luft und einer Zündquelle großflächigen Schaden anrichten.

Und es wird zumeist noch verstärkt: Denn durch die entstehende Druckwelle wird Kohlenstaub aufgewirbelt, der im Raum verteilt hochentzündlich ist und einen Brand nach sich zieht. „Da nur dieser eine Bereich der Konzentration wirklich gefährlich ist, neigen viele dazu in ihrer gefühlten Sicherheit leichtsinnig zu werden“, befürchtet Wilhelm Scheider. „Zudem ist ihr Lohn erfolgsabhängig, sie haben also kein Interesse zu früh die Arbeit einzustellen.“

Sicherheit zu teuer

Bleibt festzuhalten, dass sich in der Geschichte des Bergbaus immer wieder neue Entwicklungen gab, die Schlagwetterexplosionen und so viele Todesopfer verhindern können. Einen wesentlichen Anteil hat die Zeche Tremonia in Dortmund dazu beigetragen. Sie diente als Versuchszentrum und brachte zum Beispiel die heutige überlebenswichtige Wassertrogsperre, Wassertröge, die an zentralen Punkten in der Grube platziert sind, bei einer Druckwelle zerbersten und den Brand löschen, auf den Markt.

Von Carolin Dennersmann

Veröffentlicht am 15.05.2010