Fridays For Future

Sie demonstrieren für ihre Zukunft, eine lebenswerte Zukunft

Über 700 Demonstranten setzen am 15. März in der Iserlohner Innenstadt ein klares Zeichen für den Klimaschutz. Foto: Fridays For Future Iserlohn

ISERLOHN. Die Iserlohner Fridays For Future Bewegung hat das wohl größte und wichtigste Problem ihrer Generation erkannt. Doch sehen sich die jungen Aktivisten gegenwärtig den Folgen des Klimawandels ganz alleine ausgeliefert. Die Politik macht in ihren Augen zu wenig. Daher rufen die Schüler zum Protest auf und versuchen sich und ihren politischen Forderungen so Gehör zu verschaffen.

Der Gemeinderaum der Christuskirche ist hell und geräumig. Große Fester, eine selbstgebaute Bar und eine gemütliche Sofalandschaft schaffen eine einladende Atmosphäre. In diesen Räumlichkeiten finden alle zwei bis drei Wochen die Treffen der Iserlohner Fridays For Future Bewegung statt. Neben dem Kernteam der Bewegung sitze auch ich heute mit am Tisch. Warum? Zwar wird über die Fridays For Future Bewegung fast in jedem Medium berichtet, allerdings überwiegt oftmals das „berichten über“ statt das „reden mit“. Was genau wollen die Schüler durch ihre Demonstrationen bezwecken und mit welchen Herausforderungen sehen sie sich dabei konfrontiert? – Das versuche ich heute herauszufinden. 

Das Organisationsteam der Bewegung ist heute nur in kleiner Runde vertreten, denn bei vielen Schülern steht in diesem Jahr das Abitur an. Schulbildung ist ihnen wichtig, auch wenn viele Kritiker der Bewegung das oft anzweifeln. DieStimmung am Tisch ist entspannt und es wird konstruktiv miteinander diskutiert. Thema heute: Am 25ten Mai – ein Tag vor der Europawahl – soll eine große Demonstration in der Iserlohner Innenstadt stattfinden und das muss gut vorbereitet werden. 

 

Die Schüler sehen sich selbst als eine Bewegung, die sich stetig weiterentwickelt. 

Entstanden ist die Bewegung aus einem schulischen AG-Projekt und umfasst mittlerweile zehn aktive Mitglieder. Wobei nicht immer alle bei den Treffen anwesend sind. Der harte Kern der Bewegung, dem auch Luca Ströhmann, Nancy Schmidt, Annalisa Schlüter und Alexander Saß angehören, ist jedoch fast immer vertreten. „Auch wenn sich die Strukturen der Bewegung verändern, bleibt der Inhalt eine feste Konstante“, erklären die Schüler.

Bei ihrer letzten Fridays For Future Demo in Iserlohn am 15. März demonstrierten fast 700 Schüler, Studenten und Erwachsene gemeinsam für den Klimaschutz. „Mit so vielen Menschen haben wir selbst nicht gerechnet“, erklären die Iserlohner Schüler. Angemeldet und geplant war die Demo nämlich nur für 200 Leute. Auch jetzt sind die jungen Aktivisten noch immer beeindruckt von der positiven Resonanz, die ihre erste Demo erfahren hat. Beim nächsten Mal wollen sie diese – für Iserlohn bemerkenswert große Zahl an Demonstranten – aber nochmal steigern. „Mein Ziel ist es vor 1200 Leuten zu reden“, sagt Luca. Er wird am Tag der Demo eine Rede vor dem Iserlohner Rathaus halten, wo sich der Bürgermeister den Forderungen der Schüler und Mitdemonstranten stellen soll. Ob sich in einer so unternehmerisch geprägten Stadt wie Iserlohn wirklich so viele Menschen mit den Schülern und ihren Klimazielen solidarisieren, wird sich zeigen. Wünschen tue ich es ihnen auf jeden Fall!

 

Dass zum Wohle aller späteren Generationen der Klimawandel gestoppt werden muss, ist inzwischen in den Köpfen der meisten angekommen.

Aber gibt es dafür nicht schon das Pariser Abkommen, die Förderung von erneuerbaren Energien und Diesel-Fahrverbote in Städten? Den Schülern der Fridays for Future Bewegung geht das nicht weit genug. Sie fordern von der Politik extremere und effektivere Schritte für den Klimaschutz. Um diese zu erreichen sind den Schülern viele Mittel recht. Auch das Schule schwänzen. „Ich finde es extrem wichtig, dass man überhaupt etwas für den Klimaschutz macht. Auch wenn das bedeutet nicht in die Schule zu gehen“, erklärt Luca.

 

Beim Thema schwänzen haben die Schüler eine klare Meinung:

„Das gehört dazu. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir sind die nächste Generation, die politische Entscheidungen treffen muss“, erklärt Annalisa. Die Bewegung trifft sich meistens außerhalb der Schulzeiten. Nur die Demos finden freitags während der Schulzeit statt. „Wenn jemand unbedingt schwänzen will, würde er das genauso gut an einem Mittwoch tun“, sagt Luca. Dazu brauche er nicht den Vorwand auf eine Demonstration zu gehen. Und sind wir mal ehrlich: Bei der letzten Demo in Iserlohn war es draußen stark windig und hat geregnet. Wer geht da bitte lieber demonstrieren, als ein paar Unterrichtsstunden abzusitzen? Nur weil jemand physisch am Unterricht teilnimmt, tut er das noch längst nicht aktiv und aufmerksam. Wer keine Lust auf Schule hat, lernt auch nichts, egal ob er sich dabei für den Klimaschutz engagiert oder im Unterricht sitzt.  

Bei der Planung der anstehenden Demonstration beweisen die Schüler weitsichtiges Handeln. Schnell wird eine Skizze des Iserlohner Rathausplatzes mit Bühne und Absperrungen gezeichnet. Es ist ihnen wichtig, dass sich alle Beteiligten der Demo in das Geschehen einbezogen fühlen und kein Gedränge entsteht. Die Absperrungen sollen dafür sorgen, dass alle gut sehen und hören können, wenn Luca seine Rede auf dem Rathausplatz hält. „Beim letzten Mal gab es ein paar Holpersteine, bei denen man gemerkt hat, was noch verbessert werden muss“, sagt Luca

 

Und wie finanziert man so eine Demo?

1.    Fridays for Future Deutschland unterstützt Ortsgruppen durch Infomaterialien wie Fleyer, Poster und Banner. Problematisch dabei ist jedoch, dass sich viele Prozesse lange hinziehen. Die Organisation besteht ausschließlich aus freiwilligen Helfern, die nebenher meist noch einer anderen Tätigkeit nachgehen müssen.

2.    „Sponsoren für diese Sache zu finden, ist immer etwas problematisch“, erklären die Schüler. „Zumal, weil Sponsoring ja fast immer mit Auflagen verbunden ist“, ergänzt Luca. Die Iserlohner Schüler möchten bei ihrer Demo keine Werbung machen, weil sie unabhängig von Unternehmen oder politischen Parteien sein wollen – verständlich. 

Daher sind soziale Medien eine wichtiger – und vor allem ein kostengünstiger – Faktor, um für die Bewegung, ihre Ziele und Aktionen in der Öffentlichkeit zu werben. Alle Infos zur Demo sollen auf allen Kanälen verfügbar sein und immer wieder aktualisiert werden. So sollen noch mehr Leute für die nächste Demonstration mobilisiert werden. 

Annalisa hat sich auch schon lange vor der Fridays for Future Bewegung für Umweltthemen interessiert und versucht nachhaltiger zu leben. Die Freitagsdemos empfindet sie als gute Anlaufstelle um Gleichgesinnte zu finden und sich auszutauschen. Lucas Vorgeschichte zu Fridays for Future verlief etwas anders. „Ich engagiere mich zwar schon länger in der Kirche, aber das Thema Umweltschutz war neu für mich. Greta und ihre Geschichte haben mich sehr inspiriert und was das politische Engagement angeht – ich spiele schon lange mit dem Gedanken in die Politik zu gehen“.

Als ich die beiden frage warum sie glaube, dass sich in so kurzer Zeit eine so starke politisierte Jugend entwickelt hat, sind sie sich einig: „Unsere Generation kann sich ganz anderes und viel besser vernetzen als früher. Wir organisieren uns heute so schnell über WhatsApp und Telegram und dadurch konnte die Bewegung so groß werden “, erklärt Luca. Annalisa glaubt, dass es nur einen Anstoß gebraucht habe, wie Greta. Lucas Meinung nach brauchen Jugendliche etwas, mit dem sie sich identifizieren können. Sie hätten eine Sehnsucht nach einem gemeinsamen Ziel und dem Streben darauf zu. 

Auch wenn die Schüler keine Klimaexperten sind, haben sie dennoch das wohl größte und wichtigste Problem ihrer Generation erkannt und nehmen das in der Verfassung verankerte Grundrecht zur Demonstration wahr, um ihren Zielen und Forderungen an die Politik Ausdruck zu verleihen. Auch wenn die Politik in diesem Punkt bisher keinen nennenswerten Fortschritt zustande gebracht hat, haben die Schüler dennoch eines erreicht: Sie haben das Thema in die Köpfe der Menschen getragen, sich und ihr Umfeld für das Problem sensibilisiert. So erklärt Luca beispielsweise: „Ich versuche inzwischen mich flexitarisch zu ernähren, obwohl ich früher viel Fleisch gegessen habe und eigentlich sehr festgefahren bin in meinen Gewohnheiten“. Jeder soll seinen eigenen Weg finden zum Klimaschutz beizutragen. Die Iserlohner Schüler haben sich für das Demonstrieren entschieden, aber diese Form des Protestes muss nicht für jeden das Richtige sein. Hauptsache ist, dass jeder seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet und nicht nur passiv dabei zuschaut, wie eine Welt, wie wir sie kennen, für alle zukünftigen Generationen zerstört wird.

Von Luisa Gehnen
Veröffentlicht am 27.04.2019