Duell der Woche

Sperrstunde für den Märkischen Kreis

Foto: Tim Mossholder auf unsplash

Den Märkischen Kreis hat es erwischt – er hat den Inzidenzwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern überschritten. Jetzt heißt es: Sperrstunde. Ab 23 Uhr können Restaurants, Bars und Gaststätten ihr Schild auf "Geschlossen" umdrehen. Notwendige Maßnahme oder unverhältnismäßiger Eingriff des Staats?

Endlich ist die längst überfällige Sperrstunde da!
Von Janine Glormann

Die Inzidenzzahlen im Märkischen Kreis (MK) steigen seit knapp einer Woche über die Grenze von 50. Somit ist der MK Risikogebiet. Das Freizeitverhalten der Menschen wird nun mit einer Sperrstunde eingeschränkt — das Mindeste, das die Regierung tun kann.

MÄRKISCHER KREIS. Nun hat es den Märkischen Kreis auch erwischt: Seit vergangenem Mittwoch ist die kritische Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner überschritten worden und somit gilt der MK jetzt als Risikogebiet. Eigentlich war dies ja nur eine Frage der Zeit. Was nun folgt: Die Sperrstunde für Gastronomien von 23 bis 6 Uhr morgens, im öffentlichen Raum dürfen sich nur noch maximal fünf Personen oder zwei Hausstände zusammen treffen. Außerdem gilt für die selbe Zeitspanne ab jetzt ein Verkaufsverbot von Alkohol. Das sind längst überfällige Maßnahmen angesichts der steigenden Corona-Zahlen im Umkreis und in ganz Deutschland.

Seit die Infektionen wieder steigen, kristallisiert sich immer öfter raus, an was es liegt: An den jungen Menschen und ihrer Partylust. Schon Anfang Oktober sah Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci junge Menschen als Hauptschuldige des erneuten Anstiegs. Zum Deutschlandfunk sagte sie: „Wir haben analysiert – wo kommen die Infektionen her? Wir sehen das auch in der Alters-Inzidenz. Bei den Jüngeren haben wir eine sehr, sehr hohe, mehr als doppelt so hohe Inzidenz.“

Ein fehlgeschlagenes Hygienekonzept

Dass die Jüngeren so eine hohe Inzidenz aufweisen, ist doch wohl klar. Warum? Sie haben keine Angst vor dem Virus und wollen keine Lebenszeit verschwenden, in dem sie zu Hause rumsitzen. Also treffen sie sich in Restaurants, Kneipen oder Bars und trinken das ein oder andere Glas Alkohol. Bis tief in die Nacht. Klar, ein ausgearbeitetes Hygienekonzept, welches das Tragen von Masken und eine Abstandsregel umfasst, ist vorhanden. Aber nützt das was? Eher nicht.

Allein bei der Vorstellung, dass sich eine Studentengruppe von 10 Leuten an einen Tisch in einer Bar setzt, an dem die Maske wieder abgesetzt werden darf, ist das Risiko sich anzustecken, extrem hoch. Der Abstand ist nicht mehr gewährleistet. Und wenn sie dann noch miteinander reden, ist die Gefahr der sogenannten Tröpfcheninfektion total wahrscheinlich. Am besten steht dann in der Ecke noch ein Billardtisch, der für sie nach ganz viel Spaß aussieht. Sich in Teams um den Billardtisch stellen und die Kugeln einlochen. Denn das ist ja erlaubt. Aber das Einzige, wonach das alles aussieht: ein fehlgeschlagenes Hygienekonzept — kein Mindestabstand, keine Masken, keine Vorsichtsmaßnahmen.

Mit einer Sperrstunde ab 23 Uhr werden diese Zusammentreffen wieder eingeschränkt. Und das ist auch bitter nötig. Denn dadurch können die Hauptschuldigen nicht mehr alles so tun und lassen wie sie wollen und die Zahlen haben wieder die Möglichkeit, zu sinken.

Aber bis dahin gilt jetzt: Abwarten und Tee trinken, bis der Inzidenzwert wieder sieben Tage in Folge unter 50 liegt und die Klassifizierung als Risikogebiet aufgehoben werden kann. Und das geht nur mit Reduzieren von Kontakten und der neu eingesetzten Sperrstunde!

Unsinnig und kontraproduktiv – die Sperrstunde
Von Luisa Bialas

Um Punkt 23 Uhr ist Schluss. Dann müssen alle Restaurants, Bars und Co. die Pforten dicht machen. Der Märkische Kreis hat die Sieben-Tage-Inzidenz überschritten, sodass nun für alle Gaststätten die Sperrstunde ab 23 Uhr eingeführt wurde. Eine Maßnahme, die völlig unsinnig und kontraproduktiv ist.

 

MÄRKISCHER KREIS. Was macht man, wenn das Lieblingsrestaurant oder die Stammkneipe um 23 Uhr schließt? Die Einen versuchen noch schnell vor der Sperrstunde etwas essen oder trinken zu gehen und die Anderen verlagern ihr Treffen einfach in den privaten Raum. Das Ergebnis: ein Kundenansturm vor 23 Uhr und private Treffen, bei denen Abstands- und Hygieneregeln sowieso egal sind. Die Sperrstunde löst also nicht das Problem der Infektionsketten, sondern verschiebt es ganz einfach auf 22 Uhr und in die privaten Haushalte.

 

Die Gewinner der ganzen Sache? Das sind jedenfalls nicht die Gastronomen. Während des Lockdowns im Frühjar mussten sie bereits enorme Verluste verzeichnen. Für einige bedeutete der Lockdown sogar das Ende. Und jetzt wird den Gastronomen, die es durch diese schwere Zeit geschafft haben, erneut das Leben schwer gemacht. Wie viele Existenzen sollen noch dahinscheiden?

 

Gericht gibt Gastronomen Recht

 

Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht am 16.10.2020 die Sperrstunde in der Hauptstadt gekippt hat, steht auch die Sperrstunde in NRW „juristisch auf wackeligen Füßen“, heißt es in einem Artikel der Tagesschau. Einige Berliner Gastronomen hatten Eilanträge gegen die Sperrstunde eingereicht und das Verwaltungsgericht gab ihnen Recht. Warum dann nicht auch in NRW? Dafür setzt sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ein. Der Verband unterstützt die Gastronomen in NRW und droht mit Klagen gegen die Sperrstunde. Der Dehoga-Präsident in NRW, Bernd Niemeier, sagte der Tagesschau: "Wozu führen denn solche Sperrzeiten? Entweder stehen bei Erreichen der Sperrzeit alle Gäste auf der Straße. Konzentration statt Entzerrung wäre eine Folge. Oder die, die ausgehen wollten, treffen sich direkt privat - ohne jegliche Corona-Schutzmaßnahmen oder die soziale Kontrolle, die es in der Gastronomie gibt." Die Sperrstunde ist einfach nicht verhältnismäßig.

 

Und das Infektionsrisiko?

 

Neben der Verhältnismäßigkeit fehlen auch noch Nachweise zum Infektionsrisiko in Gaststätten. Es ist nicht bewiesen, dass in Restaurants und Bars eine höhere Ansteckungsgefahr herrscht als in anderen Bereichen. Im Gegenteil. Mit 12.315 Infektionen liegen private Haushalte deutlich vor Restaurants und Gaststätten mit insgesamt 273 Infektionen (Stand 17.09.2020). Das ergeben Daten aus dem Epidemiologischen Bulletin 38/2020 des Robert-Koch-Instituts vom 17.09.2020.

 

Wofür soll die Sperrstunde also gut sein? Die Sperrstunde – ein unverhältnismäßiger und schwerer Eingriff des Staates in das unternehmerische Handeln der Gastronomen und in die Freiheit der Bürger.

Veröffentlicht am 26.10.2020

Luisa Bialas

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