Stadtführung

Zu Fuß zurück ins 19. Jahrhundert

Woher kommt der Unterschied im Mauerwerk der St. Kiliankirche? Dr. Norbert Hesse diskutiert mit den Interessierten. Foto: Désiree Schneider
Ein trauriger Fall: Das Haus-Schmale-Hannig steht unter Denkmalschutz, ihm machen aber kaputte Wasserleitungen zu schaffen. Foto: Désiree Schneider
Vor 200 Jahren gab es sie noch nicht, doch dort führte auch der Fuhrweg entlang der Hagener Straße. Foto: Désiree Schneider
Das alte Haus Letmathe beherbergt heute die Stadtbücherei und den Heimatverein. Foto: Désiree Schneider
Auf dem Platz von St. Kilian stand früher eine kleine Kirche mit Häusern in unmittelbarer Nachbarschaft. Foto: Désiree Schneider
Nobert Hesse erklärt, dass der Wanderer auch im Mai vor 218 Jahren diesen Rundgang machte. Foto: Désiree Schneider
Das Haus mit den grünen Fensterläden stammt auch dem 18. Jahrhundert war das erste und älteste Krankenhaus Letmathes. Foto: Désiree Schneider
Das rote Backsteingebäude ist ein Relikt aus der Kaiserzeit: Die Hindenburgschule. Heute ist sie die Realschule Letmathe. Foto: Désiree Schneider
An der Stelle des städtischen Saalbaus stand ursprünglich einmal ein Kaisersaal. Foto: Désiree Schneider
Eine Straße gesäumt von alten, restaurierten Fachwerkhäusern: Iserlohn hat derzeit 246 Bauwerke, die dem Denkmalschutz unterliegen. Foto: Désiree Schneider

LETMATHE. Häuser, wo früher Felder standen, eine Mühle, wo heute eine Straßenkreuzung ist: Dr. Nobert Hesse nimmt 30 Interessierte mit auf eine historische Stadtführung unter dem Motto „Auf den Spuren eines Wanderers durch Letmathe vor 200 Jahren“. So haben selbst eingesessene Letmather ihre Stadt noch nicht wahrgenommen.

„Von hier aus ist vor 200 Jahren – auch im Mai, wie wir heute – der Wanderer losmarschiert, wir marschieren ihm nun nach.“ Mit diesen Worten eröffnet Norbert Hesse, Vorsitzender des Letmather Heimatvereins, die Führung. Sie stützt sich auf einen Bericht von 1936 aus dem Letmather Heimatblatt, in dem ein Mann seine Wanderschaft über den alten Königsweg durch das damalige Letmathe und seiner Umgebung im Jahre 1800 aufzeichnete. Hesse beginnt die Führung ebendort, wo auch der unbekannte Wanderer sie von 218 Jahren begann, an der Kreuzung der Friedrich-Ebert-Straße und der Wiesenstraße unweit der Innenstadt. „Nur damals hätten wir alle Gummistiefel anziehen müssen, da war hier Schwemmgebiet.“ Denn hier floss der Flehmebach, über den nur ein Fußgängerüberweg nach Oestrich führte. Fuhrwerke mussten durch den Bach fahren.

Die Wanderung folgt der alten, ehemaligen Heerstraße von Oestrich durch Letmathe, vorbei an unter Denkmalschutz stehenden Villen und Bürgerhäusern und am heutigen Saalbau Richtung Schwerter Straße, bis ins frühere „Oberdorf“. Am Saalbau angekommen, erklärte Hesse: „Hier standen früher nur vier Häuser. Alles andere waren Felder und Gärten des Hauses Letmathe“, erklärt Hesse und deutet auf den städtischen Saalbau, „Das wurde 1896 als Kaisersaal gebaut, das war ein Gebäude mit Charakter“. Der Heimatliebhaber ist selbst in Menden geboren, doch in Letmathe aufgewachsen. Nachdem er längere Zeit beruflich unterwegs war und wieder in die Heimat kam, habe sich viel verändert. So war auch das Gebäude des ehemaligen Kaisersaals fort und „jetzt steht dort diese 0815-Turnhalle. Da kommen mir die Tränen“.  

Von der eigenen Stadt zum Stadtteil

Zur Zeiten des Wanderers und davor wurde Letmathe von Adelsfamilien beherrscht, unter anderem von den Herren von Letmathe auf Haus Letmathe, der Familie Brabeck und dem Unternehmer Wilhelm Ebbinghaus, der 1818 eine Papiermühle an der Lenne eröffnet. Sie gehörte einmal zu den größten Deutschlands. „Da hatte es aber auf keinen Fall mehr als 1000 Einwohner“, schätzt der Heimatkundler. Urkundlich erwähnt wurde Letmathe jedoch schon erstmals im Jahre 1036 in einem Güterverzeichnis des Klosters Werden. Auch wenn sich die Urkunde als Fälschung herausstellte, gilt ihr Inhalt dennoch als echt. Ab 1956 war es sogar eine eigene Stadt, bis es 1975 im Rahmen der Neugliederung der Gemeinden ein Stadtteil Iserlohns wurde. 

Vom Haus Letmathe ist heute nicht mehr viel über: „In den 1970er Jahren verfiel die Anlage, da man sich nicht mehr darum gekümmert hatte und wurde abgebrochen.“ Nur die Tenne, der befestigten Fußboden einer Scheune, ist heute noch im Westfälischen Freilichtmuseum Hagen zu sehen. Heute befindet sich in dem Haus eine Zweigstelle der Iserlohner Bücherei und das Letmather Heimatmuseum. Hesse und auch die Besucher bedauern, dass sich so wenig um historisch wertvolle Gebäude gekümmert wurde und immer noch wird.

Das Geheimnis des Lennedoms

An der Pfarrkirche St. Kilian, dem „Lennedom“, angekommen, teilt ein Besucher seine Beobachtungen mit: „Die Kirche ist bis zur ersten Zinne feinspaltig gemauert mit kleinen Abständen zwischen den Steinen. Darüber werden die Abstände größer und auch die Steine klobiger.“ Woran das wohl liegen mag? Er meint: Unten sei das Werk der Italiener gewesen und oben das der Deutschen, die weiterbauen mussten als die Italiener während des Baus von 1914 bis 1918 im Krieg abgezogen wurden. Das mussten die anderen Besucher gleich untersuchen und stimmten zu. Wer genauer hinschaut, sieht tatsächlich einen Unterschied im Mauerwerk. Das hätte der Wanderer jedoch nicht gesehen, denn zu seiner Zeit stand dort noch eine kleine Kirche und auch der Kirchplatz reichte nicht bis an die Straße heran. Da standen überall kleine Häuser. „Und dort, wo jetzt die Hecke wächst, war ein kleiner Bach, der Erbsenbach“, erzählte Hesse.

Die meisten können sich Letmathe ohne eine feste Straße und mit mehr Feldern als Häusern gar nicht mehr vorstellen. Nur die alten Bauern- und Fachwerkhäuser im „Oberdorf“, wo auch der Wanderer vor 200 Jahren seinen Rundgang beendete, stammen noch aus der alten Zeit und sind teilweise sehr gut erhalten. Jedenfalls ging ein erstauntes Raunen durch die Runde, als Hesse das grau geschieferte Haus mit seinen grünen Fensterläden als erstes und ältestes Letmather Krankenhaus offenbarte. Seine Grundsteine sind aus dem 18. Jahrhundert – noch vor dem Bau des Marienhospitals durch die katholische Kirche 1884.

Von Désiree Sophie Schneider
Veröffentlicht am 14.04.2018