Während der Vereinssport seit dem 16. März von der Bundesregierung offiziell verboten wurde, dürfen wir Reiter unseren Sport trotzdem weiterhin ausüben. Aktuell können wir allerdings nur von rosaroten Ponyhofzeiten träumen, denn die Gründe hierfür liegen weniger beim Sport an sich...
UNNA. Mit einem erwartungsvollen Schnauben begrüßt mich Aron, als ich den kleinen Stall betrete. Aron ist das Pony einer Freundin, die zweifache Mutter und in einer Apotheke tätig ist – eine zeitaufwendige Kombination in der Corona-Krise. Deswegen unterstütze ich sie, indem ich mich regelmäßig um Aron kümmere.
„Wir alle haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Als Pferdesportler haben wir allerdings noch eine Aufgabe: Unsere Pferde im Rahmen des absolut Notwendigen zu versorgen und zu bewegen“, so erklärt Soenke Lauterbach, der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die aktuelle Situation. Es geht ausschließlich darum, die Grundversorgung und Bewegung der Vierbeiner sicherzustellen, weshalb auch alle anstehenden Turniere abgesagt oder verschoben wurden. Deswegen heißt es heute für mich: Keine Zeit verlieren und möglichst effektiv handeln.
Als Erstes begrüße ich den braunen Ponywallach im Sparprogramm, denn auf ausgiebiges Streicheln wird aus Zeitgründen verzichtet. Ich hole ihn aus seiner Box, säubere seine Hufe, versehe seine Beine mit dem nötigen Schutz und bringe ihn auf direktem Weg in die Führmaschine. Obwohl Reiten bei Weitem kein Mannschaftssport ist, sind wir Reiter dennoch sehr kommunikative und gesellige Menschen. Wir verbringen viel Zeit am Stall damit, mit unseren Stallkollegen über die Vierbeiner, Turnierergebnisse und die neuesten Reitsport-Kollektionen zu diskutieren. Aktuell verzichten wir aufgrund des Ansteckungsrisikos vollständig darauf – das nimmt dem Stallalltag zwar viel Spaß, verkürzt aber auch seine Dauer.
Während Aron seine Runden in der Führmaschine läuft, miste ich seine Box. Das erspart mir Zeit, auch weil ich auf das lange Schrittreiten verzichten kann. Nach einer halben Stunde hole ich Aron aus der Führmaschine und bringe ihn auf direktem Weg – ohne mit der Stallbesitzerin Kim zu quatschen – in seine frisch gemistete Box. Während er trinkt, gehe ich die Treppe zum Futter hoch. „Ich mache eben Futter“, kündige ich Kim, die gerade ihr Pferd George aus der Box holt, meine Anwesenheit in der Kammer an. Wir vermeiden es, zusammen dort zu sein, da diese relativ klein ist, was das Einhalten des Mindestabstands erschwert. Schnell fülle ich Arons Futtereimer auf: Erst das Müsli, dann die Brennnesselblätter, dann die Zusätze. Keine zwei Minuten später bin ich wieder unten im Stall und die Sattelkammer ist frei.
Ohne Zeit zu verlieren, hole ich das Pony aus seiner Box und fange an zu putzen. Schnell über den Kopf und die Sattellage – fertig. Jetzt muss ich noch einmal in die Sattelkammer: „Ich hole eben mein Zeug“, rufe ich Kim erneut als Ankündigung zu. Normalerweise würde ich jetzt in der Sattelkammer stehen und mir Gedanken darüber machen, welche Farbkombination Aron beim Training tragen soll. Aber nicht heute. Heute greife ich nach der nächstbesten Satteldecke und gehe vollbeladen mit Sattel und Trense die schmale Treppe herunter. Als Aron fertig gesattelt ist, ziehe ich mir meine Stiefel an und setze meinen Helm auf. Und dann kann es auch schon losgehen.
Auf dem leeren Platz angekommen, steige ich auf und fange nach ein paar Minuten an zu traben. Das Reiten begrenze ich auf fünfundzwanzig Minuten, damit das Pony locker und ausreichend bewegt ist. Ein richtiges Training kann normalerweise schon einmal eine gute Stunde dauern – ausgiebig zu trainieren übersteigt jedoch die Grundversorgung. Eigentlich freue ich mich, wenn ich nicht alleine auf dem Platz reite, denn die Schrittphasen vor und nach dem Reiten eignen sich ausgezeichnet für Unterhaltungen. Das ist auch ein Grund dafür, dass aktuell immer nur einer von uns auf dem Platz reitet. Seit die verschärften Vorgaben von der Reiterlichen Vereinigung verkündet wurden, verzichten wir auf Konversationen und direkten Kontakt innerhalb der Stallgemeinschaft.
„Du kannst Aron eben mit Manni tauschen, dann hole ich den später mit rein“, ruft mir Kim zu als ich mit Aron nach dem Reiten die Stallgasse betrete. „Perfekt, das mache ich“, antworte ich dankbar und mit dem nötigen Abstand. Der Ponywallach Manni steht seit zwei Stunden auf dem Paddock, einem etwa fünfzig Quadratmeter großen Auslauf ohne Wiese. Je mehr Zeit die Pferde draußen verbringen, desto besser geht es ihnen. Nachdem ich ihn in seine Box gebracht habe, bringe ich Aron über den Reitplatz zu den Paddocks. Dort darf er jetzt für die nächsten drei Stunden das schöne Wetter genießen, bis Kim ihn wieder reinholt.
Die gute Kommunikation bei uns am Stall sorgt dafür, dass wir die Pferde aktuell sehr effektiv versorgen. An größeren Ställen werden mittlerweile Pläne mit festen Zeiten für jeden Reiter aufgestellt. Da wir eine kleine Stallgemeinschaft mit neun Pferden und acht Reitern sind, funktioniert es bei uns, nach mündlicher Absprache, problemlos. Auch, wenn es uns nicht leichtfällt, verzichten wir auf unsere geliebten Gespräche und Diskussionen auf der Holzbank im Stall.
Vom Stall aus fahre ich auf direktem Weg nach Hause. Seit zwei Wochen ist die Zeit am Stall meine einzige Abwechslung zu den Online-Vorlesungen, die meine Hochschule anbietet. Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass ich die Zeit am Stall aktuell nicht genieße – es ist für mich eine gute Möglichkeit, meinen Kopf frei zu bekommen. Dennoch ist durch die Einschränkungen kein normaler Stallalltag möglich und ich freue mich darauf, anstatt wie heute zwei, wieder bis zu fünf Stunden am Stall zu verbringen: Ohne Corona im Hinterkopf und dafür mit ausgiebigen Gesprächen auf der Holzbank und gründlichem Training mit Aron.