Mittendrin statt nur dabei – dank Blindenkommentar

Stefan Wewer (rechts) und seine Kollegen vom Verein "Blind Date" sind so gut wie jedes Heimspiel im Signal Iduna Park. Auch Auswärtsfahrten organisieren sie regelmäßig. Foto: Nadine Klingen

Dortmund. Hunderttausende Menschen zieht es jeden Spieltag der Fußball-Bundesliga in die deutschen Stadien. Stimmung und Atmosphäre ziehen die Zuschauer in ihren Bann. Seit einigen Jahren können auch sehbehinderte Menschen Fußballspiele hautnah mitverfolgen.

Es ist kurz vor Ende der ersten Halbzeit. Viele Fans sind schon auf dem Weg zum Getränkestand, als Neven Subotic in der 45. Minute bei einem Eckball einen Kopfball zum vorläufigen 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach verwandelt. Das Stadion tobt, die Fans jubeln. Unter ihnen ist auch Stefan Wewer. Als das Tor fällt, springt er auf, reißt die Hände in die Luft und bejubelt das Dortmunder Tor.

Sie werden jetzt vielleicht sagen: Eine solche Szene ist im Fußballstadion keine Seltenheit. In diesem Fall ist sie es aber doch, denn: Stefan Wewer und seine Kollegen vom Verein „Blind Date" sind sehbehindert. Sie können das Spiel teilweise gar nicht oder nur schlecht mit ihren eigenen Augen verfolgen. Dass sie dennoch nichts vom Spiel verpassen und immer auf Ballhöhe sind, verdanken sie den beiden Kommentatoren Markus Bliemetsrieder und Martin Feye. Seit 2005 kommentieren sie jedes Heimspiel der Borussia über Funkkopfhörer live für die Sehbehinderten im Signal Iduna Park. „Die beiden machen das wirklich sehr professionell", betont Stefan Wewer, zweiter Vorsitzender von „Blind Date". Obwohl fast alle Mannschaften der ersten und ein paar der zweiten Bundesliga über einen Sehbehindertenkommentar verfügen, sei die Qualität bei weitem nicht immer gut. „Teilweise sind die Kommentare geplänkelt und in Stuttgart ist er richtig schlecht – die kannten die Spieler nicht mal", erinnert sich Stefan Wewer.

Eine gute Vorbereitung ist das A und O

Markus Bliemetsrieder und Martin Feye kommentieren bei den Spielen nicht einfach drauf los, sondern bereiten sich auf jedes Spiel individuell vor. „Wir verfolgen natürlich unter der Woche die Sportnachrichten und vor jedem Spiel bereiten wir uns etwa zwei bis drei Stunden intensiv vor – sowohl auf die Heim- als auch auf die Gastmannschaft", erklärt Martin Feye. Dazu gehöre, sich die Spieldaten sowie Aufstellungen und Spieler noch einmal anzuschauen, aber auch eine Anmoderation zu schreiben. Darin werden die wichtigsten Daten zum Spiel für die Zuhörer zusammentragen, kurz bevor das Spiel beginnt. Während des Spiels wechseln die beiden Reporter sich dann alle zehn Minuten mit dem Kommentieren ab. „So ist es für unsere Zuhörer am angenehmsten", sagt Markus Bliemetsrieder. Die Sportreporter stehen in Kontakt mit den Mitgliedern von „Blind Date" und versuchen durch regelmäßige Gespräche, ihre Kommentare bestmöglich für die Sehbehinderten umzusetzen.

Dortmunder Gespann schult deutsche Kommentatoren

Dass die Dortmunder Kommentatoren ihren Job gut machen, finden nicht nur die Mitglieder von „Blind Date", sondern auch die Deutsche Fußball Liga (DFL). „Wir geben einmal jährlich Seminare für die DFL, um die Sehbehindertenreportagen in Deutschland auf ein Niveau zu bringen", erzählt Martin Feye. Auch bei der Europameisterschaft waren die beiden tätig – allerdings „getrennt" voneinander.

von Nadine Klingen

Veröffentlicht am 25.12.2010