Der Nachwuchs im Schachsport

Schachvereine vom Aussterben bedroht?

Die Schachfreunde Neuenrade bei einem Turnier. Zweiter von Links: Walter Cordes. Foto: Schachfreunde Neuenrade

NEUENRADE. Die Schachfreunde Neuenrade merken, dass sie immer weniger werden. Nachwuchs ist nur schwer zu finden. Was die Schachfreunde machen, um neue, junge Gesichter in den Verein zu bringen und wo sie die Probleme sehen, verrät uns Walter Cordes, Schriftführer und Jugendbeauftragter des Schachvereins Neuenrade, im Interview mit MAERKZETTEL.

Der Deutsche Schachbund veröffentlicht jedes Jahr auf seiner Internetseite die aktuelle Mitgliederzahl. 2006 hatte der DSB mehr als 97.000 Mitglieder. Zwölf Jahre später waren es bereits 7.000 weniger. Dieses Jahr feierte der Deutsche Schachbund wieder einen leichten Anstieg. „Davon merken wir nichts.“, erzählt Walter Cordes. Er war zwanzig Jahre lang Bezirksvorsitzender, zehn Jahre lang Bezirksspielleiter und ist zudem Jugendwart im Schachbezirk Sauerland.

MAERKZETTEL: Was war eure Spitzenmitgliederzahl und wie viele seid ihr heute?

Walter Cordes: Der Schachverein Neuenrade hatte mal 50 Mitglieder und die höchste Teilnehmerzahl bei einem Schachabend lag bei 36. Heute sind wir nur noch 30, davon ca. 2/3 aktive Schachspieler, und bei einem Schachabend sitzen wir oft nur zu zweit.

MAERKZETTEL: Wie hat sich die Zahl der Jugendlichen in eurem Verein entwickelt?

Walter Cordes: 1972 haben wir die Jugendabteilung gegründet – ein Jahr nach der Gründung des Schachvereins Neuenrade. Die Älteren waren zunächst dagegen: „Was willst du mit so kleinen Kindern?“, fragten sie mich. „Eins will ich euch sagen“, habe ich geantwortet, „In zehn oder zwanzig Jahren seid ihr nicht mehr da und wenn wir dann keine Kinder haben, haben wir Keinen mehr".

Damals kamen immer zwei Schulklassen zum Schach: eine Realschulklasse aus Balve und eine Gymnasialklasse aus Menden. Das waren immer um die zehn oder zwölf Schüler. Zu unseren Spitzenzeiten hatten wir drei Jugendmannschaften.
Heute sieht es nicht mehr so gut aus. Wir haben gerade mal sechs oder sieben Jugendliche, deren Spielniveau äußerst Bescheiden ist.

MAERKETTEL: Worin sehen Sie die Probleme bei der Jugend?

Walter Cordes: Die Jugendlichen, die wirklich gut sind, gehen meistens aufs Gymnasium und wenn sie dann studieren, sind sie weg. 
Außerdem glaube ich, dass es zu viel Ablenkung gibt und dass viele einfach nicht verlieren können. Die spielen am Computer und wenn sie gewinnen passiert nichts, genauso als wenn sie verlieren, dann ziehen sie einfach den Stecker. Aber gegen jemanden zu verlieren, der gegenübersitzt, ist viel schwieriger. Ich sage immer: Man muss die ersten 500 Partien verloren haben, bevor man Schach richtig kapiert.
Ein weiteres Problem ist, dass wir die Eltern nicht richtig ins Boot kriegen. Wenn man die auf seiner Seite hat, dann motivieren sie ihre Kinder: „Geh doch mal zum Schach“. Und das fehlt bei uns. In unserer Jugend-WhatsApp-Gruppe ist es häufig der Fall, wenn ich Frage wer heute kommt, dass niemand schreibt. Oder es schreibt einer und sagt dann 10 Minuten vorher wieder ab.

MAERKZETTEL: Habt ihr Maßnahmen, um die jungen Leute im Verein am Ball zu halten, sodass sie im Verein bleiben?

Walter Cordes: Nicht direkt. Für die Jugend veranstalten wir vier Turniere: die Jugendmeisterschaft, die Schülermeisterschaft für Jugendliche unter 16 Jahren, ein Jugendpokal und zu guter Letzt das Jugendblitzturnier. Wir machen schon recht viel. Inzwischen gibt es auch Bezirke in Südwestfalen, die überhaupt keine Jugendliga mehr haben.

MAERKZETTEL: Was macht ihr, um Jugendliche für euren Schachverein zu gewinnen?

Walter Cordes: Ich versuche jedes Jahr einen Schachkursus zu machen. Dazu mache ich Reklame in der Burgschule Neuenrade. Da verteile ich um die 100 bis 200 Zettel im dritten und vierten Schuljahr, bevor die Kinder in höhere Schulen gehen. Da erreiche ich sie nicht mehr.
Es gibt zudem wenig Lehrer, die zum Thema Schach ansprechbar sind, da sie einfach kein Interesse daran haben.
Es kommen ungefähr 15 bis 20 Kinder und Jugendliche zum Schachkursus, aber davon können wir dann höchstens einen oder vielleicht zwei für den Schachverein gewinnen. In acht Jahren hat man dann mal eine Mannschaft zusammen.

MAERKZETEL: Seid ihr auch auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram vertreten, um Jugendliche zu erreichen?

Walter Cordes: Nein, wir haben nur unsere Internetseite. Über Facebook und Instagram haben wir noch nicht nachgedacht. Das Problem ist: wer pflegt die Facebook-Seite oder den Instagram Account? Da muss sich erstmal jemand finden, der sich dafür bereit erklärt. Das ist schwierig, denn die Motivation, sich im Verein zu engagieren, hat abgenommen.

MAERKZETTEL: Woran kann es liegen, dass die Motivationsbereitschaft abgenommen hat?

Walter Cordes: Das eine Problem ist, Posten neu zu besetzen. Wenn jemand aus dem Vorstand ausscheidet, dann findet man schlecht einen Nachfolger. Bei der Generalversammlung sitzen meistens nur zwei oder drei Mitglieder, die sich anhören, was der Vorstand zu sagen hat. Aber es gibt heute auch nicht unbedingt strittige Themen, die besprochen werden müssen. Insofern fehlt auch der Anreiz, da mitreden zu müssen.

MAERKZETTEL: Wie schätzen Sie die Zukunft des Vereins ein?

Walter Cordes: Keine Ahnung. Es sieht zwar im Moment schlecht aus, aber mal sehen, was uns die Zukunft bringt.

Von Luisa Bialas
Veröffentlicht am 08.11.2019

Luisa Bialas

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