Sport und Sucht – Vortrag eines Sportpsychologen

Sportpsychologe Sebastian Altfeld hält einen Vortrag zum Thema Sport und Sucht. Foto: Jasemin Rafati Sajedi
Barabara Friehe übernimmt die Begrüßung bei dem Vortrag über Sport und Sucht. Foto: Jasemin Rafati Sajedi

ISERLOHN. Am vergangenen Donnerstagabend, den 17.Mai 2018, war der Sportpsychologe Sebastian Altfeld in Iserlohn zu Besuch. Er will den Zuhörern die Wechselwirkung von Sport und Sucht erklären, da Sucht nach wie vor als Tabuthema gilt.

„Wer hat Lust auf einen Kinderriegel?", so beginnt der Vortrag des Sportpsychologen und Psychologischen Physiotherapeut: Sebastian Altfeld. Daraufhin bekommt ein Besucher der Veranstaltung, einen Schokoriegel ausgehändigt, den er die ganze Zeit bei sich halten, jedoch nicht essen darf. Thema des Vortrags ist Sport und Sucht, um genau zu sein, „wie Sport bei Suchterkrankungen helfen kann – aber auch selbst zu einer werden kann". 

Wie geht man mit Alkoholsucht um? 

Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 findet der erste Alkoholrausch bei Jugendlichen durchschnittlich im Alter von 16,2 Jahren statt. „Dieses Alter ist inzwischen jedoch gesunken.", sagte Dr. Altfeld. In Deutschland gebe es rund 2.600.000 Kinder mit mindestens einem Alkoholabhängigen Elternteil. 

Jetzt ist das Publikum gefragt: „Ab wann gilt jemand als abhängig?" „Bei einem Glas Wein zu Mittag", sagt der eine, „wenn man jedes Wochenende trinkt" der andere. Die Definition laut Dr. Altfeld lautet: „Wenn jemand den Konsum von Alkohol nicht beenden kann, ohne das unangemessene Zustände eintreten oder wer nicht aufhören kann zu trinken, obwohl er oder andere darunter leiden." Auch die zwei Phasenwirkung von Alkohol wurde besprochen, einerseits sei man bei dem Konsum von Alkohol „gehemmt", „entspannt", „locker" und „sozialer", andererseits kann dies langfristig schwerwiegende Folgen haben. 

Dazu hat Altfeld eine passende Metapher: „Was müssen Sie tun, wenn Sie ausziehen?" Hätte man beispielsweise vorher ein kleines Loch in die Wand gehauen, würde einfaches Streichen ausreichen. Hätte man ein Loch in die Wand gebohrt, müsste das kleine Loch vorher verschlossen werden.  „Doch was ist, wenn sie mit einem Vorschlaghammer immer wieder auf eine Stelle der Wand geschlagen haben? Dieses Loch lässt sich nicht so einfach verschließen und so ist es auch beim regelmäßigen Trinken", erklärt Altfeld. Unser Körper besitzt ein Suchtgedächnis, das heißt, dass man selbst nach 20 Jahren Abstinenz wieder rückfällig werden kann. 

Sport als Ressource 

Sport kann für den Abbau des inneren Drucks, welcher unter anderem durch Stress ausgelöst werden kann, sorgen. Ebenso bietet er Ablenkung von negativen Gedanken und steigert die Ausschüttung, der Glückshormone Noradrenalin und Serotonin. Sportler haben eine ungeheure Willenskraft und verfolgen ihr Ziel bis zum Schluss, davon kann man eine ganze Menge lernen. 
 
Auch dazu gibt es wieder einen interaktiven Versuch. „Versuchen Sie mal, so lang wie möglich die Luft anzuhalten." Luftanhalten löst Stress aus. Zu beobachten war, dass sobald die Ersten aufgeben haben, auch weitere aufgaben. Der Grund dafür ist, dass das Minimalziel „ich will nicht letzter werden," schon erreicht wurde. Daraufhin fordert der Experte alle auf, einen zweiten Versuch zu starten. Diesmal sollte sich jeder auf die Aufgabe und sich selbst fokussieren, um länger durchzuhalten zu können. Das klappte gleich viel besser. Manche überwanden sogar ihre Schmerzgrenze. 

Dieses Phänomen erklärt Altfeld wie folgt: „Ziele haben eine wichtige Funktion bei der Bildung von Motivation, sie wirken richtungsweisend für unsere Energie." Man muss sich also selber fragen, was ein attraktives Ziel ist und warum man das alles überhaupt macht. Die Zielerreichung ist ein langer Weg, wie das Besteigen des Mount Everest. Dafür werden Zwischenziele gebraucht und man muss sich vorher fragen, wie man dahin kommen soll.  

„Lebt ihr Schokoriegel noch?", fragte Dr. Altfeld den Mann vom Anfang. Da er den Schokoriegel nicht gegessen hat, bekommt er nun einen zweiten. Warum? Nach Zielerreichung sollte es immer eine Belohnung geben. Um ein Ziel zu erreichen, eignen sich Dinge mit persönlichem Wert wie Bilder, Zitate oder Kuscheltiere, die man mit sich führt oder in der Wohnung verteilt. 

Sport und Alkohol gehören zusammen 

Sport vermittelt Glücksgefühle, doch was ist wenn ein Sportler plötzlich mit seinem Sport aufhört? Wenn er sich keine Alternativbeschäftigung gesucht hat, sei die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Alkohol greift, relativ hoch. Rund 33 Prozent der Fußballprofis sind alkoholabhängig, jeder vierte habe nach seiner Karriere Depressionen. Doch genau wie Alkoholsucht, kann auch Sport zu einer Sucht werden. Bei der Sucht nach Sport lässt sich zwischen der primären, also der Sucht nach sportlicher Betätigung und der sekundären Sucht, also die exzessive Sportbetreibung für ein Ziel beispielsweise abnehmen, was in einer Essstörung ausarten kann, unterscheiden. 

Bei der primären Sucht gilt es zu beachten, dass Übertraining und mangelnde Erholung einen nicht weiterbringen, sondern lediglich zu Burn Outs mit Depressionen und Angstzuständen führen. Deshalb ist laut Sebastian Altfeld, „Erholung, einen Schritt Anlauf nehmen." Sport soll guttun und ein Ressource darstellen, nicht uns Schaden. Die leichteste Übung, wie das halten einer Wasserflasche, kann auf einem längeren Zeitraum anstrengend werden, sodass man die Flasche abstellen muss. Deshalb rät Altfeld dazu auf,  Abwechslung in ihrem Training zu achten, so bleibt der Spaß erhalten und die Wahrscheinlich den Sport als automatisiert anzusehen, verringert. Sport soll Spaß machen! Auch ein striktes Sportverbot sollte man lassen. Dazu wäre es empfehlenswert, darüber zu sprechen, hierfür würden sich Beratungsstellen eignen. Und Sie sollten sich über das Erholungsbedürfnis ihres Körpers informieren. 

„Ein gelungener Abend" 

Veranstaltet wurde dieser Vortrag von den Guttemplern, einer Selbsthilfegruppe für alkoholfreies Leben und der katholischen Familien und Erwachsenbildung. „Sucht ist nach wie vor ein Tabuthema, dies zeigt sich auch in der Besucherzahl, heute waren lediglich rund 20 Leute da. Bei unserem Themenabend über Nahtod hatten wir 120 Leute ", erzählte Mitorganisatorin Barbara Friehe.  
Für Sebastian Altfeld ist es dennoch ein gelungener Abend, „wenn die Leute lachen und bleiben obwohl ich überziehe, kann ich das nur als gelungen bezeichnen."  

Von Jasemin Rafati Sajedi
Veröffentlicht am 20.05.2018