Der Spaß am Fußball geht verloren

Die Schiedsrichter der Deutschen Fußballbundesliga haben seit Beginn der aktuellen Saison den umstrittenen Videobeweis zur Hilfe. Quelle: pixabay

Ein Kommentar. In der ersten Fußballbundesliga sorgt seit Beginn der aktuellen Saison der Videobeweis für viel Gesprächsstoff. Bevor die Saison anfing, fürchteten viele,dass die Diskussionen im Fußball nun zu Ende seien. Diejenigen wurden eines Besseren belehrt: Es gibt so viele Diskussionen wie noch nie zuvor.

Diskussionen gehören zum Fußball definitiv dazu. Es macht ja auch schließlich Spaß, sich über vermeintlich unberechtigte gelbe Karten oder Freistöße aufzuregen. Allerdings geht dieser Spaß bei den spielentscheidenden Situationen verloren. Jeden Spieltag gibt es mehrere fragwürdige Entscheidungen des Schiedsrichters. Das war schon immer so. Jedoch hatte der Schiedsrichter zuvor alleinige Entscheidungsgewalt. Wenn das Schiedsrichtergespann ein Vergehen der Spieler sah, wurde gepfiffen, ansonsten nicht. Das war eine einfache Regel, woran es nichts zu rütteln gab, egal wie viele Spieler sich beschwerten oder wie laut die Pfiffe der Fans im Stadion waren. In den ersten Spielen der Saison entschieden die Referees auf dem Platz in den spielentscheidenden Situationen so gut wie nichts mehr selbst. Sie nahmen sofort Kontakt mit dem Videoschiedsrichter in Köln auf. Dieser hat die Möglichkeit, sich die strittige Situation in den verschiedensten Kameraperspektiven anzusehen und kann daraufhin dem Hauptschiedsrichter einen Rat für die endgültige Entscheidung geben. Auch dieser hat die Möglichkeit, sich die strittige Situation noch einmal anzusehen.

An sich ist das eine gute Idee, die Ausführung ist allerdings katastrophal. Die Schiedsrichter zogen zu vielen Entscheidung immer wieder den Video-Assistenten hinzu. Der Spielfluss ging verloren und die Wut auf den Rängen wurde immer größer, denn die Fußballfans im Stadion bekommen die Bilder des Videobeweises nicht zu sehen. Sie müssen auf die Entscheidung warten, genau wie die Spieler. Bis das Ergebnis jedoch verkündet wird, dauert es oft viele Minuten. Durch diese langen Unterbrechungen geht der Spaß am Fußball verloren. Das sah auch der Deutsche Fußball Bund (DFB) ein und verkündete in einem Schreiben vom 25. Oktober: "Bei schwierigen Situationen, in denen die Einordnung der Schiedsrichterentscheidung in die Kategorie 'klarer Fehler' nicht zweifelsfrei gewährleistet ist, der Video-Assistent aber starke Zweifel an der Berechtigung der Schiedsrichterentscheidung hat, soll er das dem Schiedsrichter unverzüglich mitteilen." Der Video-Assistent darf also nur bei Fehlentscheidungen des Referees eingreifen.

Doch auch durch diese Regelung klingen die Diskussionen rund um den Videobeweis nicht ab. Am 12. Spieltag, beim Spiel des 1. FC Köln gegen den FSV Mainz 05, gab es eine klare Fehlentscheidung. Bei der Situation in der 42. Spielminute, in der der Mainzer Stürmer Pablo De Blasis ein Foul vortäuschte, entschied der Schiedsrichter Felix Brych auf Elfmeter. Auch der Videoschiedsrichter stimmte dieser Entscheidung zu – ein klarer Fehler. Auf den Fernsehbildern ist gut zu erkennen, dass es eine Schwalbe war. Auch Felix Brych revidierte seine Entscheidung nach dem Spiel gegenüber Sky: „Auf dem Platz war es für mich ein klarer Elfmeter mit Kontakt." Als er den Videoschiedsrichter hinzuzog, bestätigte er die Vermutung. Jedoch sei es im Nachhinein eine Fehlentscheidung gewesen, erklärte Schiedsrichter Brych beim Sehen der Szene im Fernseher.

Dass es solche Situationen jeden Spieltag aufs Neue gibt, ist ein Armutszeugnis für den Fußball.  In vielen anderen Sportarten gibt es den Videobeweis seit Jahren – ohne viele Diskussionen. Im Tennis beispielsweise haben die Sportler die Möglichkeit, den Videobeweis einzufordern. Über das sogenannte „Hawk-Eye“ kann geklärt werden, ob der Ball noch innerhalb des Feldes war oder nicht.  Ist der Einwand berechtigt, revidiert der Schiedsrichter seine Entscheidung. Ist er allerdings unberechtigt, verliert der Sportler einen der drei Einspruchsmöglichkeiten. Auch beim Hockey können Teams Einspruch einlegen, allerdings haben sie dieses Recht bei einer richtigen Entscheidung des Schiedsrichters nur einmal. Es gibt jedoch noch eine weitere Art des Videobeweises, den  "Umpire Referral". Dabei kann der Schiedsrichter selbst, ähnlich wie beim Fußball, entscheiden, dass er eine Szene noch einmal sehen möchte. Dies kann er zum Beispiel tun, wenn er sich nicht sicher ist, ob ein Tor erzielt wurde. Die Regelungen in diesen Sportarten scheinen gut zu funktionieren. Warum haben der DFB und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) sich also dagegen entschieden, dass Sportler eine Spielsituation überprüfen lassen können? Auf ihrer Website beantwortet die DFL die Frage folgendermaßen: „Von IFAB-Seite (International Football Association Board) wurde dies nicht zugelassen, als die zweijährige Testphase 2015 beschlossen wurde.“ Das internationale Gremium IFAB beschließt Änderungen im Fußball. Wenn dieses Gremium sich dagegen entschließt, sind der DFB und die DFL machtlos. Also muss der International Football Association Board sich schleunigst erneut beraten. Denn ansonsten werden die Diskussionen um den Videobeweis niemals aufhören und die strittigen Situationen zerstören den Fußball immer weiter.

Von Michèle Loos
Veröffentlicht am 19.11.2017