Mikrobrauereien auf dem Vormarsch

Deutsches Bier, ein Stück Heimat...

Trendbewegung "Craft-Bier" Foto: Pixabay

… so war nach der Wende, als die Branche so richtig boomte. Als die Freude über die Einigung noch oft und kräftig begossen werden musste. Da war noch ein Liter Bier das Maß aller Dinge.

In den letzten Jahren erlitt das deutsche Bier jedoch eine ziemliche Durststrecke. Der Durchschnittsdeutsche trinkt, laut der Internetseite Statista, fast 100 Liter Bier im Jahr. Die Deutschen trinken immer weniger und immer günstigeres Bier.

Der „Tag des deutschen Bieres“ existiert seit 1994 und wurde vom deutschen Brauer-Bund ins Leben gerufen, um auf die Tradition und den guten Ruf der Brauwirtschaft aufmerksam zu machen. Zudem braut die „Gütegemeinschaft Traditionsbier“, ein Zusammenschluss kleiner deutscher Brauereien, seit 2003 jedes Jahr eine limitierte Menge an Spezialbier, das als „Jahrgangsbier 23.04“ verkauft wird.

Dem abnehmendem Bier-Konsum der Deutschen wirkt der neue Trend des „Craft-Bier“ entgegen. Darunter werden allgemein alle Biersorten verstanden, die auf handwerkliche Art produziert werden. Immer mehr kleine, regionale Brauhäuser sprießen deutschlandweit aus dem Bode, so auch „Benno’s Brauhaus“ in Witten. Es ist früher Abend, als ich die kleine Gaststube im Herzen von Witten betrete. Es ist noch nicht viel los, aber schon nach einer Stunde ist die Hälfte der Tische belegt. Gemütlich sieht es aus, wie eine echte Eck-Kneipe eben aussehen sollte. Seit knapp einem Jahr braut und verkauft Brauer Benno Bracht hier sein selbst-kreiertes Bier. An den Wänden hängen Bilder auf denen Benno’s Bier zusammen mit verschieden Wahrzeichen von Witten zu sehen ist. Der Bezug zur Region ist unverkennbar. Hinter der Bar hängen Stoffbeutel mit selbst designten Werbeaufdrucken und ein Fernseher zum Fußballgucken.

Der „Craft-Bier-Trend“ stammt ursprünglich aus Nordamerika und entstand dort als bewusste Gegenbewegung zu konventionellen Brauereien und Massenproduktion. Es geht dabei um die Produktion von besonders hochwertigem Bier in sogenannten Mikrobrauereien. Im Fokus liegen dabei Brauereien, die konzernunabhängig existieren und ihr Bier nur in geringen Mengen herstellen können.

Der junge Unternehmer ist gelernter Brauer: „Drei Jahre lang habe ich eine Lehre in einer Gasthausbrauerei gemacht und danach ein Jahr in einer mittelständischen Brauerei gearbeitet“. Er habe aber in seiner Umgebung keinen neuen Job gefunden, da kam ihm die Idee: „Ich mache mich selbstständig“, erzählt Bracht. Den deutschen Bier-Markt schätzt Bracht als „vielfältig“ ein, denn „die Deutschen trinken immer noch viel und gerne“. Er freue sich über die steigende Nachfrage nach handgemachtem und qualitativ hochwertigen Craft-Bier: „Der Absatz ist ok, ich kann mich nicht beschweren.“

In den Räumlichkeiten, in denen Bracht nun sein Bier braut, befand sich vor kurzem noch ein Restaurant. „Die Küche war bereits gekachelt und mit einer Dunstabzugshaube versehen, es eignete sich wunderbar für ein Brauhaus“, sagt Bracht.

Trotzdem war nicht alles leicht. „Problematisch war natürlich das Finanzielle. Um das Geld zusammen zu bekommen, musste ich an mein Sparbuch gehen und alles abheben, was ich hatte. Das hat dann zum Glück auch gereicht“, so Bracht. Außerdem habe er viel Unterstützung aus dem Umfeld bekommen, und die umliegenden Kneipen standen dem neuen Konkurrenten auch nicht im Weg. Das liegt vor allem daran, dass Bracht seine Kneipe nur drei Tage in der Woche geöffnet hat. Die anderen drei Tage ist er mit Brauen beschäftigt. „Seit einigen Wochen füllen wir auch Bier ab und verkaufen es hier vor Ort in Flaschen. Es rentiert sich definitiv und unsere Kunden kaufen neben dem Eigenbedarf auch gerne mal ein paar Flaschen als Geschenk für Freunde und Familie“. Seine Kapazitäten reichen dennoch nicht aus, dass Bracht in große Produktion gehen könnte, bedauert er. „Es kann immer nur eine Flasche nach der andern abfüllen werden. Das zieht sich dann“.

Vor wenigen Jahren war Craft-Bier in Deutschland nur in Großstädten wie Berlin und Hamburg zu finden. Doch sprangen schnell immer mehr Brauer auf diesen Trend auf. Es existiert inzwischen ein deutschlandweites Netz an Craft-Bier-Brauern. Über das Fortbestehen seiner kleinen Brauerei macht sich Bracht keine Sorgen: „Ich wünsche mir nur, dass einfach alles so weiter läuft wie bisher.“

Von Luisa Gehnen
Veröffentlicht am 24.04.2017