Jeder hat vermutlich schon einmal nach Symptomen gegooglet und dann beunruhigende Diagnosen bekommen. Viele Menschen neigen dazu, bei gesundheitlichen Beschwerden zuerst das Internet zu befragen, anstatt einen Arzt aufzusuchen – doch genau dieses Verhalten kann erst recht krank machen.
DORTMUND. Immer mehr Menschen googlen ihre Symptome und stoßen dabei auf rätselhafte Diagnosen. Im Jahr 2018 ergab eine Studie der Bertelsmann Stiftung, dass sich die Hälfte der deutschen Internet-Nutzer mindestens einmal im Monat über Gesundheitsthemen informiert: 58 Prozent von ihnen vor dem Arztbesuch und 62 Prozent recherchieren die Diagnose nach dem Praxisbesuch im Internet.
„Nach Symptomen zu googlen ist an sich nichts Schlimmes. Wichtig ist, dass es nicht zu einem krankhaften Verhalten wird“, erklärt Allgemeinmedizinerin Inna Sbrijer. Zwanghaft nach Krankheiten zu googlen kann zu psychischen Erkrankungen führen und steigert die Sorge um die eigene Gesundheit.
Das zunächst harmlose und regelmäßige Googlen kann sich schnell zu einer Sucht entwickeln. Es können psychische Krankheiten wie Hypochondrie entstehen. Als Hypochondrie wird eine Krankheitsangst bezeichnet. Das zwanghafte Googlen nach Krankheiten wird als Cyberchondrie oder auch Morbus Google bezeichnet. Laut US-Forschern stellt Cyberchondrie eine verstärkte Form der Hypochondrie dar. Die Betroffenen suchen im Internet zwanghaft nach Symptomen für die kleinsten Beschwerden und bilden sich sogar einige ein. So wird aus harmlosen Kopfschmerzen schnell ein Gehirntumor.
Doch nicht jeder, der nach Krankheitssymptomen googlet, leidet gleich an Cyberchondrie. Erst, wenn die Suche nach Symptomen und möglichen Krankheiten einen festen Platz im Leben einnimmt und krankhaft wird, kann von Hypochondrie oder Cyberchondrie gesprochen werden. In solchen Fällen ist es ratsam einen Psychologen aufzusuchen. Doch warum gibt es immer mehr Menschen, die lieber dem Internet vertrauen, anstatt einem studierten Mediziner? Laut der Bertelsmann Studie hat sich das Arzt-Patienten-Verhältnis über die Jahre verändert. Viele Patienten sind der Ansicht, dass Ärzte oft Schwierigkeiten haben, den emotionalen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden und sie umfassend zu informieren.
„Die Diagnosen im Internet sind sehr allgemein gehalten und viele Patienten deuten ihre Symptome oftmals schlimmer, als sie sind“, erklärt Dr. Sbrijer. Problematisch bei dem Suchen nach Krankheiten ist außerdem, dass ein einzelnes Symptom auf die unterschiedlichsten Krankheiten hindeuten kann. Auf Grund dessen kann das Googlen nach Krankheiten einen Praxisbesuch unter keinen Umständen ersetzen. Hinzu kommt, dass viele Einträge im Internet nicht von Medizinern stammen, weswegen viele Quellen auch nicht glaubwürdig sind. „In solchen Fällen ist es wichtig, den Patienten verstärkt Informationsmaterialien und Links zu wissenschaftsbasierten Internet-Seiten zu geben. So können Ängste, Fehldiagnosen durch Google und das zwanghafte Suchen nach Krankheiten verhindert werden“, sagt Dr. Sbrijer. In den meisten Fällen hat das eigenständige Recherchieren im Netz zur Folge, dass sich Betroffene Symptome einbilden, oder existierende verschlimmert werden können.
Die Internetrecherche in Maßen und auf seriösen Seiten ist jedoch akzeptabel. Außerdem sollte beachtet werden, dass jeder Krankheitsverlauf individuell ist. Der Austausch im Internet mit anderen Patienten kann helfen, aber auch Ängste können entstehen. Zu beachten ist, dass die Eigenrecherche niemals einen Arztbesuch ersetzen kann. Bei akuten Beschwerden oder Symptomen, die länger anhalten, muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden, der dann eine Diagnose nach einer Untersuchung stellen kann.