Stammzellspende für die DKMS

Ein Leben retten in fünf Stunden

Die Broschüre und das Buch, in dem Geschichten von Spendern und ihren Empfängern enthalten sind, sind Geschenke von der DKMS als Dank für die Spende. (Foto: Janine Glormann)
Meine beste Freundin Jule (rechts) begleitet mich und gibt mir Kraft am Tag der Spende. (Foto: Janine Glormann)
Ich bin erschöpft und trotzdem glücklich, mich für die Spende entschieden zu haben. (Foto: Janine Glormann)

Köln. Wie ist es, Stammzellen für einen krebskranken Menschen zu spenden und ihm damit die Chance auf ein neues Leben zu geben? Redakteurin Janine Glormann wurde aufgrund von übereinstimmenden Genmerkmalen mit einem Patienten als Spenderin identifiziert und teilt ihre Erfahrungen.

Ich bin aufgeregt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich die Tür zum Cellex Collection Center in Köln öffne. Hier werde ich heute für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS), oder genauer gesagt für einen zu mir passenden Patienten, Stammzellen spenden. Die DKMS ist eine Organisation, die Blutkrebspatienten weltweit durch eine Stammzellspende eine zweite Chance auf ein Leben geben möchte. Die Genmerkmale von Spender und Empfänger müssen weitestgehend übereinstimmen, weshalb die DKMS versucht, so viele Menschen wie möglich zur Registrierung anzuregen.

„Wer von euch beiden ist denn die Heldin des Tages?“, fragt die Dame am Empfang mich und meine beste Freundin Jule zur Begrüßung. Mir wird warm, Röte steigt in mein Gesicht. ,,Heldin? Ist das nicht ein bisschen zu übertrieben?", denke ich im Stillen. 

Ich gebe der Dame lächelnd die Hand und nach einem kurzen Gespräch, in dem ich ein paar gesundheitliche Fragen beantworten muss, heißt es erstmal noch warten.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren

Vom Wartebereich aus sehe ich einige Krankenschwestern die letzten Vorbereitungen treffen. Gleich wird es ernst. Wahnsinn, wie schnell die Zeit jetzt vergangen ist. 

Vor drei Wochen erst kam die Nachricht, dass ich passende Spenderin bin. Zu dem Zeitpunkt habe ich gar nicht mehr damit gerechnet. Zwar wusste ich, dass ich für einen krebskranken Patienten als Spender in Frage kommen könnte, aber ich hatte bestimmt schon zwei Monate nichts mehr von der DKMS gehört. 

In dieser Nachricht erfuhr ich auch, dass bei mir eine periphere Stammzellspende gemacht wird, was bedeutet, dass die Stammzellen über das Blut entnommen werden. Diese Form der Spende ist die Häufigste. Von 20% der Spender jedoch wird Knochenmark während einer OP entnommen, in dem die Stammzellen enthalten sind. Welche Form der Spende durchgeführt wird, hängt vom Empfänger ab.

Nachdem ich die Nachricht bekommen habe, ging aber alles ziemlich schnell. Eine Woche später hatte ich die Voruntersuchung in Köln, bei der ich von oben bis unten durchgecheckt wurde. Als mir dort grünes Licht gegeben wurde, stand meiner Stammzellspende nichts mehr im Weg.

„Janine Glormann bitte“, werde ich aufgerufen. Ich bin die Erste. Ich schaue auf mein Handy: 7:51 Uhr. Ein letzter Blick zu Jule und ich mache mich auf den Weg ins gegenüberliegende Zimmer.

Dort angekommen erwartet mich eine Krankenschwester, die sich mir als Alina vorstellt, und geleitet mich zu meinem Platz. Mir fällt direkt das große Entnahmegerät auf, dass neben dem Behandlungsstuhl steht. Dort wird mein Blut durchgeschleust und gefiltert. An einem Ständer hängt ein großer Beutel, in dem meine Stammzellen gesammelt werden.

Ich mache es mir auf dem Behandlungsstuhl gemütlich, auf dem ich die nächsten Stunden verbringen werde. „Bist du denn gut mit den Spritzen klargekommen?“, fragt mich Alina, während sie mir den Blutdruck misst. Ach ja, die Spritzen. 

Seit vier Tagen muss ich mir morgens und abends jeweils eine Dosis eines Medikaments, den Wachstumsfaktor G-CSF, in den Bauch spritzen, der dazu führen soll, dass sich meine weißen Blutkörperchen, in denen sich die Stammzellen befinden, vermehren und im Blut anreichern. Sie vermehren sich, da durch den Wachstumsfaktor grippeähnliche Symptome im Körper entstehen und die weißen Blutkörperchen als Antikörper gebildet werden. 

Ich muss schon sagen, angenehm war die ganze Prozedur nicht. Aber vor jedem Mal spritzen, habe ich an meinen Empfänger gedacht, der viel Schlimmeres durchmacht, und schon war es nur noch halb so schwer. Froh bin ich trotzdem, dass ich heute morgen das letzte Mal spritzen musste.

Drei Millionen Stammzellen für die Empfängerin

Alina nimmt eine der beiden Kanülen und sticht eine Nadel in meine linken Armbeuge, um so den Zugang zu legen. Darüber nimmt sie mir zuerst Blut ab, damit ausgewertet werden kann, wie gut sich das Medikament bei mir ausgewirkt hat. Ich zittere, weil ich so aufgeregt bin. Nadeln im Arms zu haben und mir Blut abnehmen zu lassen ist echt nicht mein Ding. Nachdem der zweite Zugang am rechten Arm angebracht ist, lächelt Alina mich an. „Das Schlimmste ist geschafft!“, sagt sie. Den rechten Arm darf ich ab jetzt nicht mehr bewegen, da die Nadel so lang ist, dass sie beim Beugen des Armes meine Vene durchstoßen könnte. An beide Zugänge bringt Alina jeweils einen dünnen Schlauch an, den sie mit dem Entnahmegerät verbindet. So kann mein Blut zirkulieren. Jetzt wird es ernst. Alina schaltet das Entnahmegerät an. 

Es ist ein wirklich komisches Gefühl. Da ich die Erste und noch die Einzige im Raum bin, kann ich mich nicht ablenken und konzentriere mich auf jede Veränderung meines Körpers. Ich höre das Gerät rattern, merke, wie das Blut aus meinem rechten Arm gezogen wird und sehe, wie sich der Schlauch links von mir, der das Blut wieder in meinen Körper führt, rot verfärbt. Alina erklärt mir, dass das Blut mehrere Schichten hat. In dem Gerät wird das Blut in die einzelnen Schichten unterteilt, sodass nur die weißen Blutkörperchen gefiltert werden.

Während der nächsten Stunde werden noch fünf weitere Spender an die Entnahmegeräte angeschlossen. Ich bin froh, endlich Gesellschaft zu bekommen. Nachdem unsere Begleitungen für ein paar Minuten bei uns sein dürfen, schalten die Krankenschwestern als Ablenkung den Film „Der Hobbit“ an. 

Ich merke, dass das Schlimmste jetzt vorbei ist. Nachdem ich mich an das komische Gefühl in meinen Armen gewöhnt und mich wieder beruhigt habe, kann ich relativ entspannt den Film schauen. Das Einzige, worauf ich die ganze Zeit achten muss, ist, immer wieder meine rechte Hand zu öffnen und zu schließen, damit das Blut gut durch meine Adern gepumpt wird.

Mittlerweile ist es 10 Uhr und die Krankenschwestern kommen mit den Blutergebnissen. „Du musst drei Millionen Stammzellen sammeln“, teilt mir Alina mit. Wow, ist das viel. „Es ist aber in einem Tag ganz gut zu schaffen“, sagt sie noch. Ich hoffe es, denn sonst müsste ich morgen nochmal zum Spenden kommen. Mir wird gesagt, dass meine Spende noch bis 12:30 Uhr geht. Die Zeit, die ich an dem Gerät angeschlossen verbringen muss, richtet sich danach, wie viele Stammzellen der Patient benötigt und wie sich der Wirkstoff ,den ich mir spritzen musste, auf mein Blut ausgewirkt hat. In der Regel wird an einem Tag drei bis fünf Stunden lang gespendet und wenn das nicht ausreicht, geht es am nächsten Tag weiter. Für mich heißt es jetzt aber erstmal nur: abwarten.

Ich werde ein bisschen neidisch als ich sehe, dass die meisten Spender in der nächsten Zeit gehen dürfen, da sie schon genug Stammzellen gesammelt haben. Aber auf die zwei Stunden kommt es jetzt auch nicht mehr an, denke ich. Glücklicherweise habe ich einen zweiten Film dabei.

Zum Ende meiner Spende hin spüre ich, wie meine Haut anfängt zu kribbeln. Das ist ein Anzeichen von Calcium-Mangel und die Krankenschwestern spülen mir durch eine Infusion welches nach. Nach ein paar Minuten ist das Kribbeln wieder weg.


Heldentat vollbracht - mich erfüllen Glück und Stolz

Und dann habe auch ich es endlich geschafft! Alina löst die Kanülen von meinem Körper und bindet mir Druckverbände. Zur Erholung bleibe ich erstmal noch liegen und bekomme Vitamintabletten für heute und die nächsten Tage. Außerdem erhalte ich, sowie jeder andere Spender heute auch, ein kleines Paket von Alina, in dem weitere Infos zur Kontaktaufnahme mit dem Patienten sind. Außerdem ist ein Buch enthalten, in dem lauter Geschichten von Spendern und ihren Empfängern stehen. Ich freue ich mich schon, das Buch zu lesen. 

Letztendlich werde ich nachdem ich fünf Stunden angeschlossen war um 13 Uhr aus der Station entlassen. Ich bin sehr erschöpft, doch auch sehr erleichtert und glücklich, dass ich es geschafft habe. Nach ein paar Stunden kommt dann auch der Anruf, dass ich die gewünschte Anzahl an Stammzellen erreicht habe und jetzt nach Hause fahren darf. Ich freue mich über die Nachricht und mache mich mit Jule direkt auf den Weg zum Bahnhof. 

Einen Tag später erfahre ich, dass meine Stammzellen an eine um die 30-jährige Frau aus Großbritannien gehen. Sie wird die Stammzellen innerhalb der nächsten zwei Tage erhalten. Ich bin überwältigt von meinen Gefühlen und einfach nur dankbar, dass es so eine Organisation wie die DKMS gibt, durch die krebskranke Menschen die Chance auf ein neues, gesundes Leben haben. Meiner Empfängerin drücke ich fest die Daumen, für die kommende, schwere Zeit und hoffe, dass ich ihr irgendwann persönlich sagen kann, wie gern ich für sie gespendet habe.

Von Janine Glormann
Veröffentlicht am 15.12.2018