Exil für Kataloniens Regierungschef Puigdemont?

Die Lage in Katalonien ist weiterhin angespannt und die Zukunft ungewiss. Foto: pixabay

BARCELONA. Katalonien möchte die Unabhängigkeit unter Regierungschef Puigdemont erzwingen. Nun droht dem 55-Jährigen eine Gefängnisstrafe, oder im schlimmsten Fall das Exil, sollte der 7,5 Millionen Bevölkerungsstaat Spaniens erneut die Unabhängigkeit ausrufen.

Exil für Kataloniens Regierungschef Puigdemont?

Die Lage in Spanien und in Katalonien spitzt sich zu. Gut 90% der Bevölkerung Kataloniens haben beim Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt. Seitdem herrschen Unruhen, und Proteste folgen auf weitere Proteste. Rund 450.000 Protestanten gingen am Samstagabend auf die Straßen Barcelonas und protestierten gegen die spanische Regierung, die sie nicht als eigenen und unabhängigen Staat anerkennen will. In Sprechchören riefen sie „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy kämpft gegen die Unabhängigkeit Kataloniens an. Am Samstag kündigte er die Absetzung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona an und Neuwahlen stellte er zudem in Aussicht. Rajoy bezieht sich auf den 155. Verfassungsartikel, der sich unter anderem mit dem Entzug von Autonomierechten beschäftigt. Es ist das erste Mal in der Geschichte Spaniens, dass das Artikel 155 berufen wird. Puigdemont bezeichnet diesen Akt als einen „Putsch“ und „Angriff auf die Demokratie“. Der spanische Senat soll nun am Freitag darüber entscheiden, ob der 155. Verfassungsartikel zur Geltung kommt oder abgelehnt wird.

Dem katalonischen Regierungschef droht ein Exil, oder eine Inhaftierung, sollte Katalonien seine Unabhängigkeit von Spanien ausrufen. Französische Aktivisten stützen Puigdemont und bieten ihm Unterschlupf, falls sich die Lage für den Regierungschef zuspitzen sollte. In der Nähe der spanischen Grenze in Nordkatalonien soll er untergebracht werden. 

Angst vor dem Bürgerkrieg?

Rund 90% der Bevölkerung stimmt für die Unabhängigkeit, doch was ist mit den übrigen zehn Prozent? Roje, ein Student in Barcelona beschreibt seine Sicht: „Es wäre dumm für Katalonien die Unabhängigkeit auszurufen, und ein eigener autonomischer Staat zu werden. Sie wollen Unabhängigkeit, weil sie das wirtschaftlich stärkste Bundesland in Spanien sind.” Roje ergänzt: „Die Bewohner und die Regierung verstehen nicht, dass es bei einer Unabhängigkeit nicht so bleiben würde. Da Katalonien nicht zur EU gehören würde, würden die ganzen großen Firmen und Industrien ihren Sitz nach Spanien oder andere EU-Länder verlegen, weil sie in Mitgliedsstaaten der EU frei handeln können.” Einen Beitritt in die Europäische Union könnte Katalonien ausschließen, da dazu alle 28 Mitgliedsländer der EU zustimmen müssten und Spanien mit Sicherheit dagegen stimmen würde, ist sich der Student sicher. Beängstigt verfolgt der 21-Jährige die Situation in Katalonien mit und hofft, dass es sich nicht zu einem Bürgerkrieg entwickelt. 

Wie geht es weiter?

Nach den Ausschreitungen in Katalonien und dem scheinbaren Aus vom katalonischen Regierungschef Puidgemont fragen sich viele Spanier und Katalanen, wie es weitergeht. Die katalonische Regierung wird voraussichtlich entlassen, was bedeuten würden, dass Neuwahlen in Katalonien stattfinden werden. Ob eine weniger bedrohliche Regierung für Spanien gewählt wird, wird sich in absehbarer Zukunft zeigen. Außerdem besteht die Frage, ob die Entlassung und die Neubildung der Regierung eine hilfreiche Maßnahme ist, denn die knapp 90 Prozent der Bevölkerung werden wohl weiterhin für die Unabhängigkeit Kataloniens stimmen.

Von Ammar Nukic
Veröffentlicht am 25.10.2017