Faszination Extremsportler: hoch, höher, weiter, tot

In Gletscherspalten klettern ist sehr gefährlich. Foto: Pixabay
Brinsant und riskant: im Flug auf dem Motorrad hoch hinaus. Foto: Pixabay

Keine Schlucht ist zu tief, keine Welle zu hoch, kein Fels zu steil, keine Distanz zu weit. Viele Menschen suchen den Adrenalinrausch im Sport, wollen an ihre Grenzen gehen, über diese hinauswachsen. Doch Extremsportler puschen nicht nur ihre Grenzen, sondern auch die Grenze von dem, was wir als extrem wahrnehmen und als erstrebenswert erachten. Ein Kommentar.

Was ist extrem? Laufe einen Marathon oder Triathlon nach der Arbeit als Ausgleich zum stressigen Büroalltag. Laufe weiter und schneller, steigere deine Leistung. Jeder Sport kann intensiviert und extrem ausgeübt werden, indem du deine persönlichen Grenzen herausforderst und dich selbst zu behaupten versuchst. Aber vielen ist ein individueller persönlicher Sporterfolg nicht genug, andere können mehr, sind extremer.

Bloße Bewegung ist lahm

Ein gewöhnlicher Fallschirmsprung: lahm. Warum sich nicht gleich mit 1357 Stundenkilometer in 39 Kilometer Höhe im freien Fall durch die Stratosphäre stürzen und mal so nebenbei die Schallmauer durchbrechen? Oder ein Bungee Jump aus einem fliegenden Helikopter, wie es Jochen Schweizer schon 1997 vormachte? Für einen „Extrem“-Sportler ist der gewöhnliche Couchpotatoe extrem. Jeder 13. Deutsche ist an Diabetes erkrankt. Hauptursache: Übergewicht. Da ist Bewegung doch gut.

Bewegung an sich ist auch gut, solange sie dich weiterbringt und nicht ins Grab. Aber Felix Baumgartner und Jochen Schweizer leben die Extreme. Sie setzen ihr Leben bewusst leichtsinnig aufs Spiel und brechen dabei jegliche Naturgesetze, um neue Weltrekorde aufzustellen.

Sich von der Masse abheben

Das Problem liegt nicht an der Überschreitung von physischen oder physikalischen Grenzen, sondern an dem Ausmaß den das Ganze annimmt. Einzelne machen es vor, die Masse zieht nach. Was alle machen, ist nichts Außergewöhnliches mehr, das kann man toppen. Das Extreme wird immer extremer. Die Öffentlichkeit ist von den Leistungen der Extremsportler fasziniert und wir zelebrieren ihre Erfolge. Sie sind unsere Helden, die das Unmögliche möglich machen, das durchleben, was wir nicht können oder wollen.

Ein organisierter Fallschirmsprung mit Tandemmaster ist manchen Extremsportlern schon nicht riskant genug. Stattdessen stehen nervenkitzelnde Aktivitäten wie Höhlentauchen, ungesichertes Klippenspringen oder Vulkansurfen an der Tagesordnung und gelten als „extrem“. Unberechenbare Dinge.

Die Welt braucht kein Todesheld

Bringt ihre Beschäftigung sie nicht um und überleben sie die gesundheitlichen Folgeschäden der Überbelastung, könnten Extremsportler ihre eigenen Erfolge sogar genießen. Erfolge, die sie als Erfüllung ihrer Lebensziele bezeichnen und doch nicht mehr sind als Selbstbehauptungen. Selbstbehauptungen, die aus einer gestörten Selbstwahrnehmung resultieren und jegliche Angst, die eigentlich ein angeborener Schutzmechanismus ist, ignoriert.  Sie wollen etwas schaffen, das über die körperliche Normalbelastung hinausgeht und ihren Körper maßlos verausgabt und wir eifern nach.

Mit 50 Stundenkilometern rast du den noch aktiven Vulkan des Cerro Negro in Nicaragua herunter. Nur das Surfboard und du. Ein purer Adrenalinkick, Knochenbrüche und tödliche Verletzungen inklusive.

Bist du lebend untern angekommen. Glückwunsch! Und noch einen neuen Rekord aufgestellt? Dann bist du ein Held! Jetzt hat die Welt einen Helden mehr, nur fraglich, ob sie ihn braucht.

Von Désiree Sophie Schneider
Veröffentlicht am 02.11.2016