Internationale Business-Knigge für Anfänger

Visitenkarten haben im Geschäftsleben eine große Bedeutung. Gerade die Chinesen legen großen Wert darauf. Foto: privat

EMSDETTEN. Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch im Berufsleben bei Kundenbesuchen oder Vertragsverhandlungen. Christian Gaidies, kaufmännischer Geschäftsführer eines mittelständischen Industriebetriebes, reiste in seinen mehr als zehn Jahren Berufserfahrung schon um die halbe Welt. Er schildert MAERKZETTEL seine Eindrücke, welche kuriosen Gewohnheiten im Kundenkontakt vorkommen können und worauf in Asien, Indien oder Nord- und Südamerika zu achten ist.

Grundlagen der Knigge sind auf Adolph Freiherr von Knigge zurückzuführen. Er galt im 18. Jahrhundert als Aufklärer und setzte sich für das gleiche Recht aller ein. Zudem erschien 1788 sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“. Mit diesem Aufklärungsbuch wollte Knigge Menschen hilfreiche Tipps für den Umgang mit anderen Menschen unterschiedlichster Art und Charaktere geben. Für Knigge war es wichtig, ein konfliktfreies, respektvolles und höfliches Miteinander zu führen. Weit über seinen Tod hinaus wurde sein Werk immer wieder überarbeitet und zu einem modernen Knigge.

Doch wie sieht es international aus?

Auch Teile des Knigge von damals gelten noch heute und sollten im Geschäftsleben beachtet werden. In China gilt es, vor allem Zurückhaltung zu zeigen und Respekt zu haben. Durch zahlreiche Reisen in die unterschiedlichsten Städte Chinas konnte Christian Gaidies viele Erfahrungen sammeln. „Understatement ist in China angebracht. Dort wird nicht geprahlt, damit können die Chinesen überhaupt nichts anfangen.“ Gerade brisante Themen sollten daher gemieden werden. Chinesen können in der Regel nicht besonders gut Englisch, daher sollten die Sätze in Verhandlungsgesprächen einfach formuliert sein. „Hoch gestochenes Business Englisch ist nicht angebracht“, erklärt der kaufmännische Geschäftsführer weiter. Ebenso sollten die Visitenkarten mit beiden Händen entgegengenommen werden und danach offen auf den Tisch gelegt werden. „Wer die Visitenkarte sofort einsteckt, ist bei einem Chinesen sofort unten durch. Diese Geste wird als unhöflich angesehen“, fasst der kaufmännische Leiter seine Erfahrungen zusammen.

In den USA hält man von Understatement wenig. Hier wird geprahlt, alles ist „great, fantastic und awesome“. Jeder ist mindestens Manager und die Wichtigkeit der Personen wird maßlos übertrieben. Der Nordamerikaner ist oftmals überschwänglich und sehr schnell zu begeistern. „Doch dabei besteht nie die Sicherheit, dass er verstanden hat, was ihm gerade angeboten worden ist“, erinnert sich Gaidies. Alles dreht sich in den USA noch schneller. E-Mails werden mit einem Wimpernschlag mittels Mobiltelefon beantwortet. Die Verteilerlisten für E-Mails sind wesentlich länger. Getreu dem Motto "Jeder informiert Jeden". 

Wenn die Geschäftsessen von großer Bedeutung sind

Vor knapp zwei Monaten ging es für Gaidies auf große Geschäftsrundreise durch Südamerika. Dabei waren Ecuador, Peru, Panama und Chile wichtige Stationen. Auch in Südamerika gibt es wichtige Regeln, die im Geschäftsleben beachtet werden sollten. Pünktlichkeit sollte man hier nicht erwarten. „Fünfzehn oder zwanzig Minuten Verspätung sind normal. Deshalb ist Geduld sehr wichtig“, erfuhr Gaidies schon mehrfach am eigenen Leib. Auch Höflichkeit ist das A und O. Niemals sollte auf eine Frage direkt mit „Nein“ geantwortet werden, die Südamerikaner reden lieber drum herum, als auf den Punkt zu kommen, das musste auch der Emsdettener Geschäftsführer erfahren. Beliebte Smalltalk-Themen sind übrigens die Familie, das Wetter und vor allem Fußball. So kann es mal passieren, dass der Kunde den Geschäftspartner zum Essen im privaten Umfeld einlädt und somit gleich die ganze Familie kennenlernt. Doch genau das ist den Südamerikanern sehr wichtig: „Sie wollen eine Beziehung aufbauen und den Gegenüber kennenlernen“, berichtet Gaidies.

In Indien wird ebenfalls das gemeinschaftliche Essen geschätzt und zelebriert. Bezeichnend ist, dass Mitarbeiter zum Beispiel in der Firmenkantine je nach Ihrer Stellung im Unternehmen getrennt von hierarchisch untergeordneten Mitarbeitern essen. Hier ist das indische Kastensystem noch klar erkennbar und wird in der Regel von allen akzeptiert. Indien ist multikulturell und in den Metropolen stark geprägt durch die englische Kolonialzeit. Beim gemeinsamen Abendessen ist es in den meisten Ländern üblich, ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken. In Indien sollte man da vorsichtig sein, da man nie weiß, ob sein Geschäftspartner aufgrund seiner Religion keinen Alkohol zu sich nimmt. „Selbst in First-Class Restaurants kann es passieren, dass man im Schneidersitz mit den Fingern gemeinschaftlich ein Menü verzehrt. Das ist sicherlich für Europäer erstmal ungewöhnlich“, fasst Gaidies zusammen. 

Gelernt hat Gaidies all diese Verhaltensregeln übrigens nur durch seine vielen Kundenbesuche und Auslandsaufenthalte. Tipps bekam er vor Reiseantritt nicht viele. Er ließ sich einfach auf das Abenteuer ein und sammelte über die Jahre wertvolle Erfahrungen.

Von Vera Brüssow
Veröffentlicht am 12.11.2017