Bodo Middeldorf im Interview

Mobilität der Zukunft – auch ohne Doktorarbeit

Quelle: Manuel Montefalcone

DÜSSELDORF. Das Auto steht für individuelle Mobilität, Freiheit und Produktivität. Keine andere Erfindung wird so stark mit unserem Land in Verbindung gebracht. Lange Zeit galt das Auto als eine Art "Heiligtum" Deutscher Bürger – doch: Sein Image scheint zu verblassen. Skandale, Umweltbedenken und Fahrverbote machen deutlich, dass Autofahrer allmählich umdenken müssen. Im Gespräch mit MAERKZETTEL beschreibt Bodo Middeldorf, Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen (FDP), wie die Mobilität der Zukunft aussehen könnte.

 

MAERKZETTEL: Herr Middeldorf, Fahrverbote – ja oder nein?

Middeldorf: Nein. Wir brauchen keine Fahrverbote. Wir schöpfen momentan alle anderen Möglichkeiten aus, um Fahrverbote zu vermeiden. So wollen wir in Zukunft neue Instrumente, Technologien, Geschäftsmodelle und Mobilitätsangebote einsetzen, damit die Herausforderungen der innerstädtischen Mobilität gelöst werden können. 


MAERKZETTEL: Inwiefern müssen wir Bürger mitmachen und umdenken?

Middeldorf: Wir werden eine revolutionäre Veränderung unseres gesamten Mobilitätssystems erfahren. Darauf sollten wir uns einstellen – das müssen wir jedoch nicht. Wir (die FDP; Anm. d. Red.) wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie sich von A nach B fortzubewegen haben. Wir wollen Möglichkeiten schaffen, damit die Menschen einen echten Umstiegsanreiz vom privaten Auto haben. 


MAERKZETTEL: Wie sieht die Mobilität der Zukunft denn aus?

Middeldorf: Sie wird so attraktiv sein, dass jeder denkt: "Wieso zahle ich für mein Auto, was so oft nur steht, wenn ich es fast genauso komfortabel, aber günstiger und umweltfreundlicher haben könnte?" Wenn ich beispielsweise 500 m zur nächsten Bushaltestelle muss, könnte ich das in Zukunft mit einem E-Scooter machen. Es gibt bereits erfolgreiche Firmen, die solche elektrischen Roller in einem Sharing-Modell anbieten. Dann kann man den Scooter an der einen Ecke nehmen und an der nächsten wieder abgeben. In Deutschland sind diese Scooter nur leider noch nicht erlaubt. 

2030 wird jeder zu jedem Zeitpunkt frei entscheiden können, mit welchem Fahrzeug er von A nach B kommt.

Es wird quasi eine Mobilitätsgarantie geben: Auch ohne privates Auto wird jeder mobil sein können. Zum Beispiel durch das Zusammenführen neuer Möglichkeiten wie Carsharing, Digitalisierung, alternative Antriebe und automatisiertes Fahren.


MAERKZETTEL: Wie lassen sich Umweltschutz und Mobilität vereinen?

Middeldorf: Die erwähnten neuen Konzepte werden das ermöglichen. Es ist nur wichtig, dass wir uns jetzt auf den Weg machen. Aus dem Poolen, also dem Vernetzen und Zusammenführen der neuen Ideen, Möglichkeiten und Technologien, ergeben sich unzählige neue Mobilitätsangebote. So findet automatisch eine Reduzierung des Individualverkehrs statt. Dadurch werden wir weniger Emissionen haben und die Co2-Grenzen einhalten können.  


MAERKZETTEL: Einige Politiker der SPD und Grünen fordern einen kostenlosen Nahverkehr, wie es ihn z. B. in manchen Städten Englands, Frankreichs und Spaniens gibt. Die FDP hat diese Idee jedoch abgelehnt. Wieso, schließlich könnte man doch so die Umwelt schützen und auch noch Geld sparen?

Middeldorf: Die Idee des kostenlosen ÖPNV sendet falsche Signale aus. Er wäre auch nicht kostenlos, sondern würde uns allen etwas kosten. In Städten, in denen ein kostenloser Nahverkehr als Modellversuch erprobt wurde, konnte man tatsächlich nicht die Autofahrer zum Umstieg bewegen, sondern die Fußgänger und Radfahrer. Kostenloser ÖPNV ist ein klassischer Fehlanreiz einer öffentlichen Subventionierung. Wir hatten darüber hinaus auch das Problem, dass wir die Kapazitäten gar nicht hätten, wenn zu viele Autofahrer plötzlich auf Bus und Bahn umsteigen. Es geht gar nicht so sehr um die Frage des Preises, wenn wir mehr Menschen vom Auto in die Bahn bekommen wollen.

Vielen ist es einfach wichtig, dass sie in der Lage sind, den Ticketautomaten einfach bedienen zu können, ohne eine Doktorarbeit schreiben zu müssen, um den richtigen Tarif zu finden.

Die Frage des Komforts, der Leichtigkeit und der Einfachheit eines solchen Ticketsystems ist das Entscheidende. Bei mir persönlich bemisst sich genau hier meine Entscheidung, ob ich das Auto nutze oder den Nahverkehr.


MAERKZETTEL: Sind Umweltschutz und ein Umdenken bei Autofahrern überhaupt ohne Verbote möglich?

Middeldorf: Selbstverständlich. Das ist in der Tat unser Ziel, ohne Zwang und ohne Verbote die Anreize so attraktiv zu machen – in Kombination mit den neuen Angeboten der kommenden Zeit – dass die Menschen automatisch umsteigen werden. Das werden niemals alle sein und das ist auch gut so, denn wir wollen den Bürgern nichts vorschreiben. Trotzdem wollen wir die Mobilität so attraktiv machen, dass man vielleicht doch mal sein eigenes Auto stehen lässt, um z. B. ein halböffentliches Auto beim Carsharing zu nutzen. 


MAERKZETTEL: Wir haben viele junge Leser, die ihre ganze Zukunft noch vor sich haben. Mit Blick auf "Mobilität attraktiver machen": Sollte man das lieber den Profis überlassen, wie es FDP-Parteichef Christian Lindner zu demonstrierenden Schülern sagte?

Middeldorf: Man muss erstmal erklären, was Christian Lindner damit überhaupt gemeint hat. Gemeint hat er nicht: "Überlasst das mal den Politikern, als Profis." Sondern er hat sich in eine Reihe gestellt mit denen, die davon eigentlich technisch keine Ahnung haben. Das ist nochmal wichtig zu erwähnen, dann relativiert sich schon vieles an seiner Äußerung. Ich finde wir sollten gar nicht so sehr diese Grundsatzdebatte führen, ob das eine oder das andere richtig ist – selbstverständlich haben die Schülerinnen und Schüler ein berechtigtes Anliegen, ihre Dinge auch politisch vorzutragen. Umgekehrt ist es jedoch auch richtig, dass die Frage, wie man mit dem Klimawandel und der Energiewende umgeht, ein so hochkomplexes Feld ist, dass man das nicht von heute auf morgen mit einfachen Wahrheiten wird lösen können und ich glaube, dass hat Lindner mit seiner Aussage auch gemeint.

Von Manuel Montefalcone
Veröffentlicht am 18.04.2019

Manuel Montefalcone

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