Medienkonsum und seine kritischen Folgen - Ein Kommentar.

Quality Time - Zeit für sich selbst

Das Problem beginnt, wenn man schon ein schlechtes Gewissen bekommt nur, weil man mal einen Freitagabend zuhause verbringt und nichts unternimmt.

Wobei nichts in diesem Fall nicht ganz richtig ist, ganz im Gegenteil. Denn man verbringt Zeit mit der Person, die einem am wichtigsten sein sollt: Mit einem selbst.

Dass so etwas wichtig ist, ist meiner Generation jedoch immer weniger bewusst. Man vergisst sich selbst vor lauter Aufmerksamkeit, die man anderen Leuten schenkt. Das Leben von Bibi, Dagi, Sami und wie sie alle heißen ist plötzlich wichtiger als das Eigene. Wie man sich selbst in den sozialen Medien präsentier, hat einen Stellenwert der jenseits von Gut und Böse ist. Dinge, die man nicht per Foto auf Facebook oder Instagram teilen kann, verlieren ihren Wert. 

Das Motto lautet: „Nur geteilte Freude ist wahre Freude“. Dieser Satz erzeugt bei mir jedoch immer öfter einen bitteren Nebengeschmack. Das eigene Glück von der Präsenz oder dem Interesse anderer, wenn auch völlig fremder, Leute abhängig zu machen ist Trend. Bin ich jetzt selbstsüchtig, nur, weil ich es genieße, schöne Augenblicke mal nur für mich zu haben? Oder verliert das Glück seine Bedeutung, wenn ich es nicht mit meinen 500 Facebook-Freunden teile?

Der Wert einzelner Momente bekommt nur noch eine Lebensspanne weniger Sekunden durch das schnelle Durchscrollen der Timelime auf dem Smartphone meiner Follower oder Social Media Freunden. Doch was würde nun mit einem passieren, wenn man mal einen Abend nur mit sich selbst verbringen?
Plötzlich ist dann alles ruhig, kein Fernseher, kein Radio, kein Handy klingelt und ich denke nach über vergeudete, nein besser - verlorene Zeit, also ungenutzte Stunden. Ich habe gelesen, dass genau das etwas Gutes ist. Wirklich und bewusst nichts tun, ohne Hörbuch, ohne Kuchen, ohne Film, ohne nebenher die Wäsche aufzuhängen, tatsächlich einfach nichts tun. Das sei extrem wichtig, habe ich gelesen, das macht man heute nur so selten. 

Checkt man dann doch mal das Handy, sieht man wie sich „Party-Pics“, Veranstaltungshinweise, Urlaubsfotos und Selfies mit der Besen Freundin (BF) in der Timeline tummeln. 

Durch die sozialen Medien werden einem ununterbrochen die Highlights des Lebens der anderen präsentiert. Unschöne Details und der gewöhnliche Alltag werden dabei zumeist ausgelassen. Es entsteht ein Bild vom perfekten Leben: Spaß, Freunde, Urlaub und Party. Doch nicht jedes Leben kann in der Realität mit einer Facebook-Timeline mithalten. Aber wir wollen trotzdem mithalten können, wir wollen auch ein spannendes Leben in unseren sozialen Netzwerken führen. Oft habe ich inzwischen das Gefühl, ein Abend zuhause sei etwas Schlechtes. Ich bin mir selbst nicht cool genug, um Zeit mit mir zu verbringen. Es ist mir wichtiger, in den Augen der anderen eine spannende Persönlichkeit zu sein als für mich selbst. 

Wann immer ich das Thema, Zeit für sich nehmen, in meinem Freundeskreis angesprochen habe, kamen Reisegeschichten auf. Urlaube oder Ausflüge, die man alleine gemacht hat. Bilder, die nur im eigenen Kopf existieren, Geschichten, die nur man selbst erzählen kann. Das Thema ruft immer eine nostalgische Stimmung auf, jeder will sich und seine Erfahrungen mitteilen und ausdrücken, wie er das alleine sein für sich empfunden hat. Aber warum ist es schon zu etwas Besonderem geworden, Dinge alleine zu tun und warum beschränken sich diese Erfahrungen immer auf Reisen und selten auf alltägliches? 

Unsere heutige Gesellschaft sucht, vor allem in der täglichen Routine, immer mehr die Zerstreuung. Verübeln kann man es den meisten nicht, betrachte man nur einmal die aktuellen Weltgeschehnisse. Aber nimmt dieses Verhalten eine immer größere Rolle im Leben von vielen Menschen ein; auch mein persönliches Umfeld und ich selbst bin betroffen. Der Trend vom „Second Screen“, dem Handy vorm Fernseher, ist längst nichts Neues mehr. Inzwischen sitzt man mit Laptop UND Handy vor dem Fernseher und das am besten so viel und so lange wie möglich. Was dabei in unserem Gehirn passiert, interessiert die meisten nicht. Fernsehen bildet doch! oder nicht? 

Doch wenn man keine Bespaßung, auch nicht im Hintergrund, laufen lässt, merkt man wie die Zeit langsamer tickt. Wie schnell und produktiv man Dinge erledigen kann. Es mag am Anfang vielleicht etwas ungewohnt sein, nicht 24/7 von Musik, Fernsehen oder Netflix beduselt zu werden. Doch merkt man schnell, welche Energie man wieder hat, die unbewusst von der dauernden Beschallung geraubt wurde. Man lernt sich selbst kennen und das auf eine Art und Weise, die einen vielleicht positiv überrascht. 

Von Luisa Gehnen
Veröffentlicht am 24.12.2017