Work and Travel

„Trotz Corona war es der richtige Zeitpunkt, um nach Australien zu gehen“

Für ein ganzes Jahr ist Mara in Australien unterwegs. Foto: privat

Für viele junge Menschen gehört ein Auslandsaufenthalt zum Leben fast schon dazu. Egal ob für ein Auslandssemester, ein Jahr als Aupair oder für Work and Travel. Die 21-jährige Mara hat sich entschieden, für ein Jahr durch Australien zu reisen und zu arbeiten. Seit Februar lebt sie in Perth in einem Hostel. Mit MAERKZETTEL sprach Mara über ihre bisherigen Erfahrungen und wie sie Work and Travel in Zeiten von Corona wahrnimmt.

PERTH. Mara Weyers ist 21 Jahre jung, kommt aus Dortmund und wollte nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau unbedingt ins Ausland. Anders als bei den meisten Work and Travelern stand für sie fest, dass die Arbeit im Ausland und die damit verbundenen neuen Erfahrungen für sie im Vordergrund stehen, als nur das Reisen an sich.

MAERKZETTEL: Warum genau hast du dich für Australien entschieden?

Mara Weyers: Zunächst einmal habe ich ein englischsprachiges Land gesucht. Meine erste Wahl waren die USA. Das kommt aber eher für diejenigen in Frage, die dort studieren oder ein Aupair-Jahr machen wollen. Work and Travel ist dort aufgrund vieler Voraussetzungen fast unmöglich. Ich habe mich gegen einen Auslandsaufenthalt als Aupair entschieden, da ich nicht einen Job als Babysitter wollte und so habe ich mich nach Ländern erkundigt, die für Work and Travel in Frage kommen. Ich habe mich am Ende dann für Australien aufgrund des Wetters entschieden und weil viele aus meiner Ausbildung, die ebenfalls in Australien einen Auslandsaufenthalt absolviert haben, nur Positives berichtet haben.

Schön, dass es am Ende Australien geworden ist. Da du schon seit ein paar Monaten in Perth bist: Was unterscheidet denn die Menschen, die du bis jetzt kennengelernt hast von denen in Deutschland?

Ich bin wenig mit Locals, also Einwohnern, im Kontakt. Ich habe viele Menschen aus aller Welt kennengelernt, weil ich in einem Hostel lebe. Durch die Corona Situation fand ich keinen Job, in dem ich direkten Kontakt zu Locals hätte. Diejenigen, die ich aber durch Zufall getroffen habe, kommen viel schneller in ein Gespräch mit dir, als es in Deutschland der Fall ist. Sie sind viel offener und viel überzeugter von ihrem eigenen Land, als es die Deutschen sind. Es ist nicht so ein Nationalstolz, der negativ behaftet ist, wie in Deutschland. Hier ist es mehr so, dass die Menschen wirklich auf das Land an sich und auf die Natur stolz sind. Ansonsten ist es glaube ich ein englischsprachiges Phänomen, dass man sich hier viel mehr bedankt. Nach fast jedem Satz wird „Thank you“ oder auch „Sorry“ erwidert.

In welche Städte willst du auf jeden Fall reisen und auf welche freust du dich besonders?

Ich bin sehr gespannt auf Sydney und Melbourne. Und ich will auch nach Brisbane gehen und einen Westcoast Trip machen. Am meisten gespannt bin ich aber tatsächlich auf Sydney, weil ich glaube, dass man dort viel mehr von dem Großstadtleben mitbekommen wird, als hier in Perth. Perth war schon vor Corona eher ruhig und nicht so belebt.

Wo genau arbeitest du denn aktuell?

Ich arbeite für Ubereats Delivery. Das heißt, ich liefere jede Art von Essen mit dem Fahrrad aus. Außerdem arbeite ich für Woolworth, eine große Supermarktkette hier. Da habe ich mich zunächst nur um das Einräumen der Ware gekümmert und wurde dann in einen anderen Shop transferiert. Dort habe ich für die Onlinebestellungen die Produkte zusammensortiert.

Bereust du es nach Australien gegangen zu sein, da Corona alle Pläne einschränkt?

Ich hatte keinen genauen Plan, wo genau ich arbeiten will oder wie etwas hier ablaufen soll. Bevor ich herkam, hatte ich mir auch vorgenommen, dass ich grundsätzlich offener und spontaner werden will. Über die letzten Jahre in Deutschland habe ich mich sehr in meine eigenen Pläne und wie etwas zu laufen hat, festgefahren. Ich war auch definitiv nicht mehr glücklich in Deutschland und dachte, dass es vielleicht damit in Verbindung steht. Ich dachte, wenn ich spontaner werde, kann ich das Leben mehr leben, anstatt nur zu planen. Deswegen hatte ich keinen großen Plan, wie etwas hier ablaufen soll. Trotzdem habe ich mir überlegt, in welchen Monaten ich in welchen Städten sein will und wie lange ich dort jeweils bleiben möchte.

Hat dich denn die Zeit in Australien glücklicher gemacht bis jetzt?

Ja schon, aber zur Zeit fühle ich mich so, als würde ich in Perth feststecken. Wegen Corona bin ich halt länger hier als gedacht und da die Grenzen momentan geschlossen sind, kann ich Perth nicht verlassen. Ich bin gerade in der Phase, wo ich gerne diese Stadt verlassen möchte, weil es zum Beispiel anfängt zu regnen und ich hier auch keinen Job finde, der mich anspricht. Ich würde einfach gerne jetzt die Westküste hochfahren, aber leider geht das aktuell wegen Corona nicht.

Wie ist denn die Corona-Situation allgemein in Australien? Bekommst du viel davon mit?

Es ist extrem von den Staaten abhängig. Ich bin in Western Australia und es ist der Staat, der Corona am besten im Griff hat. Hier wurden relativ früh und schnell Maßnahmen ergriffen, im Vergleich zu Deutschland.  Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland die Menschen Corona zunächst nicht ernst genommen haben. Erst als es dann Fälle gab. Hier haben die Menschen das von Anfang an sehr ernst genommen, obwohl es zu keinem Zeitpunkt so schlimm war wie in Deutschland. Vielleicht hängt das auch mit dem Stolz der Menschen zusammen, den ich vorhin erwähnt habe, und weil ihnen ihr Land so wichtig ist.

Hast du vielleicht ein Beispiel, woran man sehen kann, dass die Menschen in Australien es von Anfang an sehr ernst genommen haben?

Ja, da fällt mir sogar ein ziemlich krasses ein. Als das mit Corona erst frisch anfing, war ich am Strand mit zwei Freunden aus dem Hostel. Wir haben in der Nähe des Strandes gesessen und etwas gegessen und dann kam ein Local zu uns und hat mit uns geschimpft. Er hat gesagt, dass wir zurück in unsere Länder gehen sollen und dass wir sein Paradies zerstören. Es war krass diese Erfahrung hier zu machen, weil man sonst immer von Australien gehört hat, wie gut hier Backpacker aufgenommen werden.

Das ist ein sehr unangenehmes Ereignis und natürlich denken nicht alle Australier so, aber was meinst du: Woher kommt diese Negativmeinung einiger Australier gegenüber Backpackern?

Ich glaube diese Negativmeinung gegenüber Backpackern ist entstanden, als der Premierminister von Australien, zu Corona Beginn, eine Aussage gemacht hat, die nicht ganz so positiv war. Er hat gesagt, dass vielen Backpackern empfohlen wird, das Land zu verlassen und dass die Jobs für die Einheimischen sind. Ich glaube, dass diese Meinung dann von vielen Bürgern adaptiert wurde und auch viele Arbeitgeber diese Meinung dann auch angenommen haben. Dadurch gestaltet es sich schwieriger als Backpacker einen Job zu kriegen.

Hast du auch mitbekommen, dass Backpacker, die du kennst, dann abgereist sind?

Auf jeden Fall. Viele Hostels mussten schließen und unglaublich viele Leute sind abgereist. Es war für eine Weile auch sehr unangenehm, weil so viele dann tatsächlich abgereist sind und irgendwie immer jemand im Hostel deswegen traurig war. Ständig wurde darüber geredet, dass jemand abgereist ist. Ich hatte dann immer das Gefühl, dass ich irgendwie auch abreise und ich konnte die erste Zeit deswegen gar nicht richtig realisieren – also akzeptieren, dass ich nun hier bin und eine spannende Zeit auf mich wartet.

Es scheint ein sehr holpriger Anfang für dich gewesen zu sein. Hattest du denn trotzdem später einen Schlüsselmoment, an dem du dachtest, dass du zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist?

Also den einen Schlüsselmoment hatte ich nicht. Trotz Corona, denke ich, dass es der richtige Zeitpunkt war nach Australien zu gehen. Wäre ich, zu Beginn der Krise, in Deutschland gewesen, hätte ich nicht mehr einreisen können und hätte mir einen festen Job in Deutschland suchen müssen. Und da Corona momentan fast auf der ganzen Welt ist, bin ich dann schon lieber hier, als in Deutschland.

Gibt es denn trotzdem etwas, was du an oder aus Deutschland vermisst?

Ich vermisse meine Freunde sehr. Und ich bin hier noch nie essen gegangen und ich habe es geliebt in Deutschland mit meinen Freunden essen zu gehen und einen schönen Tag zu haben. Das fehlt mir hier total. Und obwohl ich noch nicht nach Hause möchte, habe ich in letzter Zeit total oft Bilder im Kopf, wie es sein wird nach Hause zu kommen. Und es ist irgendwie ein schönes Gefühl.

Welche Erfahrungen hoffst du mit nach Deutschland nehmen zu können, wenn es dann mal wieder nach Hause geht?

Die zwei größten Punkte, die ich hoffe mitzunehmen, sind Positivität und Dankbarkeit. Egal, um was es geht oder über was man sich unterhält, es geht im Grunde immer nur darum glücklich zu sein. Egal, ob es einem jetzt wichtig ist, dass man gut aussieht, dass man einen guten Job oder Geld hat. Herunter gebrochen sind das alles immer nur Gründe, um glücklich zu sein. Ich glaube, dass der größte Punkt, um glücklich sein zu können, Positivität ist. Wie soll man denn mit negativen Ansichten oder einer negativen Einstellung glücklich sein? Das ist ein großes Problem von mir, aber ich bin dabei es hier zu ändern.

Und wieso Dankbarkeit?

Vielleicht ist es lächerlich, wenn ich jetzt sage, dass man sich zwischendurch fragen muss, was man alles hat. Oft sehen Menschen nicht, was sie haben und wofür sie dankbar sein können. Ich finde auch, dass wir Deutschen eine große Beschwerdementalität haben und immer nur am Meckern sind. Und auch wenn die Situation aktuell nicht so ist, wie ich sie mir vorgestellt habe, bin ich dankbar, dass ich hier sein kann, weil ich unbedingt ins Ausland wollte.

Von Anastasia Baranova
Veröffentlicht am 30.05.2020

Anastasia Baranova

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