Talkshow

Untenrumdebatte bei "Schulz & Böhmermann"

Die Talkshow "Schulz und Böhmermann" ist eine gelassene Gesprächsrunde - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Foto: Pixabay

Eine neue Staffel der etwas anderen Talkshow hat begonnen. „Schulz & Böhmermann“ laden jeden ersten Sonntag im Monat vier Gäste zum Gespräch. Die erste Show mit dem Thema „Sexismus“ hatte es ordentlich in sich und sorgte für kontroverse Momente und Empörung. Ein Kommentar.

Die Ader auf Olli Schulz' Stirn pulsiert immer noch besorgniserregend schnell, und Jan Böhmermann wirkt verwirrt. Ihm fehlen die Worte, um das eben Geschehende zu beschreiben.

Auf den ersten Blick schließt das Konzept an die vorherige Staffel und das Original „Roche & Böhmenmann“ an: Alkohol, Zigaretten und keine Vorbereitung seitens der Moderatoren Jan Böhmermann und Olli Schulz. Neu ist jedoch, dass jede Sendung unter einem bestimmten Thema steht.

Zu Gast war Schauspieler Ben Teewag, der es neben unzähligen frauenverachtenden Sprüchen nicht vergaß, immer wieder zu betonen: „Ich bin kein Sexist.“ Einsicht sei zwar der erste Schritt zur Besserung, könnte man lobend anerkennen, doch leider scheint Ben Teewag Sexismus mit Sex zu vertauschen. Außerdem sollte ihn jemand aus dem Irrglauben befreien, dass es das höchste Ziel einer jeden Frau sei, von Ben Teewag attraktiv gefunden zu werden. 

Die "goldene Zitrone" macht Hoffnung 

Ebenfalls anwesend war Schorsch Kamerun, Sänger der „goldenen Zitronen“. Statt über Pimmelwitze" zu lachen, philosophierte er lieber über Kreise, Klischees und Komplexität. Er scheint die „Affenkriterien“ und die gesamte Menschheit längst aufgegeben zu haben. Dennoch war er der engagierteste und kritischste Gast, dem noch wirklich etwas an einer Diskussion lag  das macht Hoffnung. 

Die einzige Frau am Tisch Laura Himmelreich, Vice Magazin „Boss“, fungierte als Prototyp der deutschen Frau — sehr treffend. Sie schaffte es allerdings zu erkennen, dass es für manche Probleme mehr als eine Lösung gibt — was allerdings nicht sehr außergewöhnlich wirkte. Himmelreich wurde die Rolle zugeteilt, die Opposition der männlichen Gesprächsrunde darzustellen.

Der Letzte in der Runde war der Sozialforscher und Soziologe Rolf Pol, der immer mal wieder als Stimme der Vernunft eingeschaltet wurde. Seine Standpunkte waren politisch und moralisch einwandfrei. Generell wirkte alles, was er sagte, korrekt, aber auch utopisch.

Ohne Problem keine Lösung 

Das Thema war kompliziert: Eine Debatte über Rollenbilder und Klischees, bei der sich fünf Männer und nur eine Frau am Tisch gegenüber saßen. Sorgen um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis musste man sich jedoch nicht machen — es waren ausreichend weibliche Servicekräfte vor Ort, die die Herren mit alkoholischen Getränken versorgten. Oli Schulz traute sich das Ungleichgewicht der Gäste anzumerken und zu entschuldigen. Damit war dann natürlich auch alles wieder gut, und die Debatte konnte beginnen. 

Voller Enthusiasmus begannen die Herren eine Lösung für ein Problem zu finden, das nicht klar definiert war. Teewag, Kamerun und Pol einigten sich lediglich darauf, was für sie als falsch galt: Klischeedenken, Softies und Machos seien out. Die Stimmung kippte, als die Männer versuchten zu definieren, „was Frau will“. Punkrocklegende Schorsch Kamerun erkannte allerdings ganz richtig: „Grundsätzlich ist diese Diskussion ja schon gescheitert.“ Wahre Worte. 

Die Gesprächsrunde drehte sich ständig um das Problem des „modernen Sexismus“, ohne es dabei jedoch wirklich anzugehen. Dennoch wurden viele wichtige und grundlegende Dinge angesprochen. Die Selbstkritik „auch ich denk archaisch und laufe einer bestimmten Silhouette hinterher“ von Kamerun beispielsweise gehörte zu den interessantesten Momente des Abends. Da hier nicht "die Anderen" Schuld am immer noch existierenden Sexismus haben, sondern der Fehler auch im eigenen Denken gesucht wurde. 

Schön anzusehen war es auch, wie Himmelreich die Herren souverän immer wieder an ihre intellektuellen Grenzen brachte. Schade nur, dass sie in den vergangenen 45 Minuten kaum zu Wort kam. Ähnlich verlief es auch mit dem Rest der Sendung: Es gab kaum Entwicklungen, die Rollen und Standpunkte blieben von Beginn bis Ende gleich.  

Die beiden Moderatoren wurden lediglich von den abgeklärten Positionen der Gästen Pol und Himmelreich überrollt. Zu kleinlich, zu lebensnah, zu unintellektuell. Doch waren es genau die beiden, die es schafften, die Diskussion wieder auf den Boden und in den Alltag der Zuschauer zu bewegen. Ihre Zweifel und Selbstreflexionen vermenschlichten die idealistischen Lösungsansätze von Pol und Himmelreich. 

Talkshow „talk“

Aufgrund des schwierigen Auftaktes holten sich Böhmermann und Schulz für die zweite Sendung am vergangenen Sonntag, 2. April, Johannes B. Kerner, Sandra Maischberger, Bettina Rust, Gert Scobel. Das weniger emotionale Thema „Ist die Talkshow Lösung oder Problem?“ war sowohl für Gäste also auch Zuschauer leichter zu greifen als in der vorherigen Show mit dem Thema Sexismus. Mehr brauchte es auch nicht, um „den Zuschauer abzuholen“ und einen guten Talk zu starten. Kerner sorgte für die Zuschauer des Hauptprogramms, Maischberger für die Diskussion und vorlaute Einwürfe. Bettina Rust für die Erfahrung und Gert Scobel für die philosophische Komplexität.

Es entwickelte sich ein echtes Gespräch unter den Gästen und das Grundkonzept der Sendung ging auf. Gleichberechtigter Redeanteil, konstruktive Lösungsansätze und ungeplante Entwicklungen führten zu einem fesselnden Meinungsaustausch.

Die Runde redete über Gesprächsstrategien, Neutralität und Aufgabe der Moderatoren. Ein spannender Austausch über Grenzen und Ethik im deutschen Fernsehen begann: "Wann biete ich Leuten ein Forum? Ist es wichtiger Kontroversen zu erzeugen oder kann auch ein Gespräch mit gleichen Meinungen zu Ergebnissen kommen?" Dies waren die grundlegenden Fragen des Abends.

Leider wurde erneut das eigentliche Thema der Sendung zu spät angesprochen, und die Sendezeit reichte nicht aus, um zu einer finalen Erkenntnis zu gelangen. Zuschauer und Gäste verließen die Sendung zwar ohne konkrete Antworten, dafür aber mit wichtigen Denkanstößen.

Von Luisa Gehnen
Veröffentlicht am 06.04.2017