Artikel 13

„Urheberrecht ist ein sehr vermintes Gebiet“

Am 26.03.2019 hat das EU-Parlament der umstrittenen Reform des Urheberrechts zugestimmt. l Foto: Pixabay

„Das Internet war immer ein großes Versprechen der Demokratie“, sagt NRW-Grünen Politiker Matthias Bolte-Richter. „Dass jeder und jede, Dinge und Meinungen dort publizieren kann, ist für eine demokratische Gesellschaft erstmal keine Gefahr, sondern ein Gewinn. Die Frage ist nur, was eine demokratische Gesellschaft damit macht.“

Am 26. März hat das Europaparlament in Brüssel der umstrittenen Urheberrechtsreform zugestimmt. Im Vorfeld der Abstimmung fanden eine Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen statt, die sich klar gegen die Reform positionierten. Ein Großteil der Demonstranten war – ähnlich wie bei Fridays For Future – noch minderjährig oder erst seit kurzem wahlberechtigt. Der Grund, warum sich so viele junge Menschen in der Urheberrechtsdebatte so klar gegen das Vorhaben gegen die Politik gestellt haben, ist klar: Es betrifft einen wichtigen Teil ihres alltäglichen Lebens. Ein Großteil der Demonstranten gegen Artikel 13, wie die Urheberrechtsreform auch genannt wird, ist mit dem Internet aufgewachsen. Soziale Netzwerke wie YouTube, Facebook, Instagram und Co. Haben einen hohen Stellenwert für sie. 

Jederzeit alles im Internet zu finden oder zu teilen, wird von vielen jungen Menschen als Meinungsfreiheit definiert. Diese Freiheit sehen sie durch Artikel 13 bedroht, denn sogenannte Uploadfiter könnten das Teilen und Publizieren von Inhalten, deren Rechte man nicht besitzt, verhindern. In einer Sendung von Maybrit Illner machte der YouTuber Felix von der Laden den Standpunkt vieler junger Menschen zu diesem Thema klar: „Ich bin dafür verantwortlich und nicht Google ist dafür verantwortlich, was ich im Internet hochlade“. 

 

Sind Plattformanbieter wie Google also neutral?

Matthias Bolte-Richter ist NRW-Landtagsabgeordneter des Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Digitalisierung und Innovation. Seiner Meinung nach, ist die Debatte um die Neutralität und juristische Stellung von sozialen Netzwerken verständlich. „Betreiber von Plattformen wie Facebook oder YouTube müssen darauf achten, dass sich an Gesetze gehalten wird“, ist sein Standpunkt. Auch im Bereich Hate-Speech sieht Bolte-Richter die Plattformbetreiber in der Pflicht und ist der Meinung, dass diese keine neutrale Position innehaben. 

 Die Richtlinien, wie sie bei der Urheberrechtsreform momentan vorgesehen sind, sieht er jedoch kritisch: „Das ist halt so wie, wenn ich die Telekom dafür haftbar machen will, wenn von der Telefonzelle aus eine Bombendrohung ausgesprochen wird. Das kann es nicht sein. Das ist nicht der Mechanismus, wie er dem digitalen Zeitalter angemessen wäre.“ Bolte-Richter ist der Meinung, dass Plattformen intelligent reguliert werden sollten, um ihren Beitrag zum demokratischen Miteinander zu leisten. „So, dass es von den Mechanismen her dem digitalen Zeitalter angemessen ist und, dass dabei keine negativen Randeffekte für die Medienvielfalt entstehen“. 

 

Auf politischer und zwischenmenschlicher Ebene kam es zu Konflikten

Im Zuge der Urheberrechtsdebatte kam es zwischen Demonstranten und Politikern starke Differenzen und schwerwiegenden Vorwürfen in beide Richtungen. So wurde Axel Voss (CDU), zuständiger Berichterstatter für Artikel 13, Zielscheibe des Hasses vieler junger Internetnutzer und Demonstranten. Auf der anderen Seite warf der CDU-Europaabgeordnete Sven Schulz den Demonstranten vor, gekauft zu sein und, dass er E-Mails von Fake-Accounts bekommen würde. Wie konnte es soweit kommen?

Was die Politik aus der Geschichte lernen muss, ist, solche Proteste ernst zu nehmen, so Bolte-Richter. „Ich meine, wie irre ist das denn! Da gehen 10 Tausend Leute auf die Straße – und das sind größtenteils Leute, die jetzt erstmals wählen dürfen oder in wenigen Jahren erstmals wählen dürfen – denen dann gesagt wird: Ihr habt keine Ahnung oder noch schlimmer: Ihr seid gekauft.“ Die Demonstranten hätten demokratische Uhrrechte wahrgenommen, die in anderen europäischen Ländern gerade massiv beschnitten würden. „Da muss man als etablierter Politiker dann hingehen und sagen: Ok, ich bin nicht eurer Meinung, aber ich respektiere das und gehe nicht mit Argumenten rein, wie: Ihr seid gekauft. Ich glaube das war auch das, was die Sache zum Eskalieren gebracht hat.“ 

„Ich habe immer bei allen Auftritten, bei Demonstrationen, Podiumsdiskussionen oder Besuchergruppen immer gesagt: Wenn ihr das kritisch seht, dann finde ich das gut, aber informiert euch auch richtig. Weil das gehört zu einer politischen Debatte dazu“, so Bolte-Richter. „Auf der anderen Seite habe ich dann auch gesehen, wie viele junge Leute sich dann wirklich krass auskannten und auch viel tiefergehender als ich. Das ist schon echt faszinierend“. 

Der Grünen-Politiker ist überzeugt davon, dass es auch auf Europäischer Ebene viele Politiker mit genügend Sachkompetenz zu dieser Thematik gibt. „Allerdings gibt es auch bedauerliche Einzelfälle, die da komplett auf der Linie der alten Verwerterindustrie sind. Die haben die Haltung: Da kommt jetzt etwas Neues und das macht mir alles kaputt! Ich habe einen gewissen Respekt vor dieser Position, auch wenn ich sie komplett falsch finde.“ 

 

Was geht man von politischer Seite nun mit der Situation? 

 „Ich würde mir auf jeden Fall erstmal wünschen und habe da auch die leise Hoffnung, dass aus der Bewegung von Artikel 13 und der Urheberrechtsreform eine Art digitale Zivilgesellschaft in Deutschland entsteht. Weil das haben wir hier noch nicht und das wäre total wichtig“, so Bolte-Richter. Der Politiker setzt sich stark dafür ein, dass die Wahlaltersgrenzen deutlich gesenkt werden sollte auf 16 Jahre oder noch jünger: „Ich kann mir sogar vorstellen, gerade nach den Erfahrungen jetzt, da sogar noch weiter runter zu gehen in Richtung eines Wahlrechtes ab Geburt. So dass man sich dann eben registrieren muss, wenn man findet, dass man wählen kann.“ Junge Leute seien oft engagierter, informierter und teilweise sogar deutlich besser informiert als mach einer, der bereits wahlberechtigt ist. „Viele junge Menschen sind dazu bereit, stärker in eine politische Kontroverse zu gehen und das tut einer demokratischen Gesellschaft eigentlich gut.“

 

 

Von Luisa Gehnen
Veröffentlicht am 26.05.2019