DUELL DER WOCHE

Artikel 13 – Fluch oder vielleicht doch nicht so schlimm?

Viele Menschen protestierten online und offline gegen Artikel 13. Foto: unsplash

Der umstrittene Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform ist beschlossene Sache. Online und offline demonstrierten frustrierte Internet-Nutzer gegen den Artikel. Der Grund: schlechte Kommunikation, Missverständnisse und Ängste, die nicht aus der Welt geschaffen werden konnten. Werden die Befürchtungen wahr? Sind Uploadfilter die Zukunft oder gibt es Hoffnung und ist Artikel 13 vielleicht sogar wichtig?

Warum Artikel 13 wichtig ist
Von Lara Grewe

Der Aufschrei ist groß. Artikel 13 kommt. Viele bangen um Einschränkungen ihrer Freiheit im Internet. Mittendrin in der Debatte steht Axel Voss (CDU). Er ist Zielscheibe der Artikel 13-Gegner, denn er hatte sich besonders für Artikel 11 und 13 eingesetzt.

Axel Voss kann also nun aufatmen – mit 348 zu 274 Stimmen ist die Reform mit Artikel 13 nun durch. Seine Aussage in einem Stern Interview: „Jetzt bin ich erstmal zufrieden, dass wir auf parlamentarischer Ebene getan haben, was wir tun konnten, und dass wir nun die Möglichkeit haben, Kreativität in Europa besser zu schützen.“ Schutz der Kreativen in Europa klingt doch eigentlich erstmal gut. Sind die Artikel der Reform vielleicht doch nicht so schlimm und ist der Aufschrei der Internet-Community zu früh und die Befürchtungen vielleicht unbegründet? 

Das Internet wie wir es kennen wird untergehen. Wir „Digital Natives“ werden alle vor unseren Endgeräten sitzen und auf weiße Bildschirme starren, denn die sozialen Medien gibt es nicht mehr. YouTube – Gelöscht. Twitch – Unbrauchbar. Podcasts – War einmal. Und der Grund: Artikel 13; oder in der aktuellen Reform, Artikel 17 der nun beschlossenen EU-Urheberrechtsreform. Die Tastaturen der Artikel 13-Gegner qualmen. Viele sind auf die Straße gegangen um zu protestieren. Stichworte wie Upload-Filter lassen Internetnutzer mit offenem Mund dastehen.  

„Das kann doch nicht deren Ernst sein.“

Sagt die Community. Aber ist es das denn? Ist der Untergang des Internets das, was die Befürworter der EU-Urheberrechtsreform möchten? Nein. Grundlegend besagen diese Artikel, dass Macher von Inhalten, wie YouTuber, jedes Mal nachweisen müssen, dass sie die Rechte an, zum Beispiel verwendeter Musik, auch haben. Warum? Damit der Künstler auch sein Geld bekommt, wenn seine Inhalte verwendet werden. Klingt doch erstmal fair. Kritisch wird es natürlich, wenn es um das Stichwort Zensur und Einschränkungen durch Uploadfilter geht. Dazu sagt Voss im Stern Interview: „Für die User haben wir doch gerade etwas Positives gemacht, wir haben für mehr Rechtssicherheit gesorgt. In einigen EU-Mitgliedsstaaten wird es sogar erstmalig verpflichtend sein, Parodien zuzulassen. Ob Memes oder animated Gifs oder was auch immer: Wir sagen den Plattformen, Du musst dafür sorgen, dass das hochgeladen werden kann. Die Plattformen müssen sicherstellen, dass zwischen Satire und Original unterschieden wird.“

Das bedeutet also, die großen Plattformen stehen in der Verantwortung. Was das schlussendlich heißt, ist noch unklar. Aber sicher ist: Uploadfilter sind keine Neuheit. Bereits seit Jahren werden Inhalte auf Plattformen wie YouTube und Instagram auf Urheberrechtsverletzung geprüft. „Dieses Video enthält urheberrechtlich geschützte Inhalte. Bist du sicher, dass Du sie verwenden darfst?“ Nachrichten wie diese, die bei Upload-Versuchen erscheinen, gibt es nicht erst seit Artikel 13.

Urheberrecht ist wichtig

Ein moderneres Urheberrecht war überfällig. Und für mehr Schutz müssen eben auch Kompromisse gemacht werden. Zu hoffen bleibt, dass diese Kompromisse von allen Seiten gemacht werden und sich das Internet wie wir es heute kennen zum Besseren verändert. Eins steht fest: Die Ausmaße, die diese Debatte angenommen hat, hätte man verhindern können. Mehr kommunizieren und vor allem besser kommunizieren. Keinen Raum lassen, für Spekulationen oder solch dystopische Vorahnungen der ultimativen Freiheitseinschränkung im Netz. Die EU-Mitgliedsstaaten haben ab jetzt 24 Monate Zeit die Reform zu integrieren. Das ganze Internet schaut mit kritischen Augen auf diesen Vorgang, verständlicher Weise. Also hoffen wir, dass sich die schlimmen Befürchtungen zerschlagen. 

Hallo Uploadfilter und Tschüss Internet, wie wir es kennen
Von Manuel Montefalcone

Nun ist es doch passiert: Auch Millionen Unterschriften, tausende Demonstranten und zahlreiche Experteneinschätzungen konnten das Inkrafttreten der umstrittenen Urheberrechtsreform nicht verhindern. Das Internet, wie wir es kennen, frei und unzensiert, könnte es so in Zukunft nicht mehr geben.

Stell dir vor, du stehst auf der Straße und willst etwas sagen, aber dir wird der Mund zugehalten. Jemand nimmt deine Gedanken und jagt sie durch eine Maschine, von der man weiß, dass sie unzuverlässig ist und trotzdem entscheidet, ob du deinen Mund öffnen darfst. Was unmöglich klingt, wird genau so passieren – im Internet. Das europäische Parlament hat entschieden und der berühmt-berüchtigte Artikel 13 wird in Kraft treten; unter dem Deckmantel des Urheberrechts und einer faireren Entlohnung für Journalisten. 

Wer dachte, die deutsche Politik sowie jene der EU würde Meinungs- und Pressefreiheit als ein hohes Gut schützen, wurde von unseren Politikern in Brüssel enttäuscht. Der Fairness halber sei jedoch hervorgehoben: Von 96 deutschen Abgeordneten, stimmten 36 für Artikel 13 – 32 dieser Stimmen kamen aus der CDU/CSU, 2 von der LKR und 2 aus den Reihen der Grünen. Auch, wenn die Grundidee des neuen Gesetzes sinnvoll sein mag, bleibt ein fader Beigeschmack: Die einzig technische Möglichkeit, um Artikel 13 durchzusetzen, sind Uploadfilter. Davor, dass diese fehleranfällig und unverlässlich sind, wurde vielfach gewarnt. Das interessierte die Befürworter in Brüssel wohl nicht. Schade, denn vor allem Jungwähler mag das wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen, nachdem diese online und offline protestiert und lautstark ihr freies Internet verteidigt hatten. 

Artikel 13 stammt aus der "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt". Mit der EU-Urheberrechtsreform sollen Seitenbetreiber wie Facebook, YouTube & co. stärker in die Pflicht genommen werden. Sie sollen haften, wenn User eine Urheberrechtsverletzung begehen, also z. B. künstlerisch geschütztes Material wie Musik, Videos oder Texte hochladen, für deren Verbreitung sie keine Lizenz haben. Klingt doch eigentlich ganz gut, oder? Musiker, Schauspieler und Journalisten werden geschützt und fairer entlohnt, indem niemand ihre Werke einfach so verbreiten kann. Doch die ganze Sache hat einen Haken. Die Betreiber der Social-Media-Plattformen mussten bisher erst reagieren, wenn sie durch Dritte (User oder Rechteinhaber) auf urheberrechtlich geschütztes Material hingewiesen wurden. Dem neuen Gesetz nach, müssen sie schon vor bzw. beim Erstellen eines Beitrages überprüfen, ob dieser geschütztes Material enthält. Das kann und wird bei den meisten Unternehmen nicht durch menschliches Handeln geschehen. So ist es fast schon sicher: Der Upload-Filter kommt. Nur so können die Plattformen schnell und einfach sicherstellen, dass kein geschütztes Material hochgeladen wird. Das Problem: Diese Filter gelten als unzuverlässig, undurchsichtig und erster Schritt zur Zensur. User, IT-Experten und Kritiker wiesen ohne Erfolg darauf hin, dass Uploadfilter beispielsweise nicht zwischen einem tatsächlichen Urheberrechtsverstoß und einem satirischen Beitrag differenzieren können. Memes auf Twitter, GIFs auf Facebook und Parodien auf YouTube könnten so der Vergangenheit angehören und damit das Internet, wie wir es kennen, ebenfalls.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Manuel Montefalcone

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