Duell der Woche

Bundesliga-Fortsetzung: Richtige Entscheidung oder Sonderrolle?

Leere Stadien, wie das Olympiastadion Berlin, werden wir in der Bundesliga nun häufiger sehen. Foto: Pixabay

Seit dem 7. Mai steht offiziell fest, dass die Fußball-Bundesliga ihren Spielbetrieb nach der Corona-Pause ab der zweiten Maihälfte wieder aufnehmen wird. Viele Fußballfans wird es freuen, jedoch gibt es auch viele Gegenstimmen. Gibt es für den Fußball in Deutschland eine Sonderbehandlung oder ist die Entscheidung gerechtfertigt? Unsere Redakteure äußern sich dazu in unserem Duell der Woche.

Bundesliga-Saison muss fortgesetzt werden
Von Max Sinn

Derzeit wird viel diskutiert über die Entscheidung von der Politik und der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die Bundesliga weiterspielen zu lassen. Dabei haben die beiden Parteien vollkommen Recht: die Fortsetzung ist alternativlos. Denn es steckt viel mehr dahinter, als 22 Männer, die einem Ball hinterherjagen.

Wenn ab dem 16. Mai der Ball in der Ersten und Zweiten Bundesliga wieder rollt, werden sich viele freuen. Denn für viele Menschen ist Fußball wortwörtlich ihr Leben - die Menschen, die sonst jeden Samstag im Stadion sind. Zwar können sie das immer noch nicht, aber mit der Live-Übertragung werden sie zufriedener sein als ganz ohne Fußball. Doch nicht nur sie. Auch die Fußballfanatiker, die die Übertragungen wöchentlich im Fernsehen oder Radio mitverfolgen, freuen sich. Darüber hinaus werden die Fans auch einfach vom Corona-Alltag abgelenkt und haben endlich mal wieder etwas, dem sie entgegenfiebern können.

Ein wichtiger Aspekt, der die Bundesligavereine antreibt, die Saison fortzusetzen, ist die Wirtschaftlichkeit. Die meisten der 36 Klubs der Bundesligen können ohne eine Fortsetzung kaum bis gar nicht überleben. Denn die Mannschaften haben auch weiterhin laufende Kosten, wie Spielergehälter oder Mieten, die die meisten Klubs für das Stadion zahlen müssen, in denen sie spielen. Und wenn 80 Prozent der Vereine insolvent sind, hat es nicht nur Auswirkungen auf die ersten beiden Ligen.

Folgen bei Insolvenzen fatal

Im Falle einer Pleitewelle würde tatsächlich ein komplettes System zusammenbrechen, da mit den Vereinen auch die ganzen Jugendabteilungen wegbrechen würden. Das hat wiederum Auswirkungen auch auf spätere Jahre sowie die Nationalmannschaft Deutschlands und anderer Länder. Die Folge daraus wäre, dass es in Deutschland auf absehbare Zeit keinen Profifußball mehr nach heutigem Modell geben würde.

Darüber hinaus hängen an dem Fußballgeschäft neben dem Spielfeld sehr viele Jobs. Durch die Live-Übertragungen können neben verschiedenen Arten von Journalisten auch Kameraleute wieder arbeiten. Die Deutsche Fußball-Liga will bei den Geisterspielen auch Ordner einsetzen, um Menschenansammlungen vor den Stadien zu vermeiden. Und so banal es auch klingen mag, aber sogar die Greenkeeper können wieder ihre Arbeit aufnehmen, um den zu bespielenden Rasen aufrechtzuerhalten.

Spieler zweimal auf Corona getestet

Seit dem 30. April wurde in der Ersten und Zweiten Bundesliga zweimal auf das Corona-Virus getestet. Dafür wurden in beiden Phasen jeweils rund 1.700 Tests abgenommen. Neben den Akteuren auf dem Feld wurden auch die Trainer sowie das weitere Mannschaftspersonal getestet. Insgesamt sind dort nach Angaben der DFL zwölf positive Corona-Fälle gemeldet worden, die jedoch von der Mannschaft isoliert wurden. Eine Ansteckung auf oder direkt neben dem Platz ist also nahezu unmöglich.

Soweit die Vorräte es hergeben, werden die Spieler in regelmäßigen Abständen getestet. Dabei betont DFL-Chef Christian Seifert, dass sie keinem Gefährdeten irgendeinen Test wegnehmen würden, da es in Deutschland derzeit einen Überschuss an Corona-Tests gäbe.

Und auch eine Ansteckung unter den Fans ist im Stadion nicht möglich, da alle Spiele als sogenannte Geisterspiele ausgetragen werden. Das bedeutet, dass keine Fans im Stadion erlaubt sind. Die können an den ersten beiden Spieltagen sogar die Samstagskonferenz der Bundesliga und die Sonntagskonferenz der 2. Bundesliga im Free-TV schauen.

DFL stellt Hygieneplan für Vereine

Die Deutsche Fußball-Liga hat für die Bundesliga-Fortsetzung alles getan und sogar das 41-seitige Hygienekonzept „Task Force“ herausgearbeitet. Enthalten sind darin Vorgaben für alles, von Verhaltensregeln im Stadion für alle Beteiligten über das Mannschaftstraining bis hin zur privaten Hygiene der Spieler. Wenn Spieler und Verantwortliche diesen ausführlichen Verhaltensregeln folgen, gibt es keine Probleme, den Spielbetrieb in den Bundesligen weiterlaufen zu lassen.

Letztendlich stehen vor allem die Wirtschaftlichkeit und das Überleben der Vereine im Vordergrund. Die Verantwortlichen der DFL haben alles dafür getan, die beliebteste Sportart der Deutschen fortsetzen zu können und haben dabei viele Gesundheitsauflagen beachtet. Viele Deutsche werden sich freuen, das nächste Wochenende endlich wieder „sinnvoll“ nutzen zu können und mit ihrem Lieblingsteam mit zu fiebern. Das alles in der Hoffnung, noch einen spannenden Meisterschaftskampf zu erleben.

Die Bundesliga schießt sich ein Eigentor
Von Mats Kittner

Nun ist es offiziell: Ab dem 16. Mai wird der Ball wieder in der ersten und zweiten Bundesliga rollen. Viele Fußballvereine haben sehnsüchtig auf den Neustart des Wettbewerbs gewartet. Doch ist die Entscheidung angebracht den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, während sich ganz Deutschland noch in der Pandemie befindet? Und verspielt der Fußball mit den Lockerungen eine große Möglichkeit auf einen wirklichen Neustart? Grünes Licht für die Bundesliga, aber die rote Karte für die Fans.

„Der Spielbetrieb wird unter den genehmigten Regeln erlaubt“, kommentierte Angela Merkel den Beschluss, welcher am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten beschlossen wurde. Ab dem 16. Mai wird in Deutschland die Bundesliga fortgesetzt. Somit darf die Deutsche Fußball Liga ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen. In Folge dessen bekommt die Bundesliga wieder mal eine Sonderstellung. Personen des öffentlichen Lebens wie Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge oder Hans Joachim Watzke haben schon lange Einfluss auf die Ministerpräsidenten und deren Sport-Politik. Denn der Fußball hat sich über die Jahre zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Abstruse Spielergehälter, einen Transfermarkt ohne Limit und Vereine, welche auf Finanzspritzen von Investoren angewiesen sind.

Es hagelte schon Kritik, bevor Corona die Bundesliga erreicht hatte. Der Fußball hat sich über die Jahre verkauft. Der Fußballmarkt stand längst vor dem Zusammenbruch. Die aktuelle Corona Pandemie hätte dafür den optimalen Neustart ermöglicht. Das Virus gab uns die perfekte Vorlage, die Kapitalisierung des Fußballs einzudämmen. Weniger Gehälter, verringertes Wirtschaftswachstum und mehr Konzentration darauf, was im Fußball wirklich zählt: Die Liebe zum Sport und vor allem - auf die Fans.

Wir brauchen jetzt keine Bundesliga

Wir Menschen in Deutschland haben momentan ganz andere Sorgen als den Fußball. Natürlich freuen sich viele Menschen wieder live Fußball zu gucken. Aber das Zeichen an die Gesellschaft wäre fatal, wenn in den Bereichen des Einzelhandels und der Gastronomie nicht ebenfalls stark gelockert wird.

Mehrere Millionen Deutsche leiden stark unter der Corona-Krise. Die Arbeitslosenzahl steigt, Betriebe müssen Kurzarbeit anmelden und Menschen kämpfen um ihre finanzielle Existenz. In solchen Zeiten Multimillionären beim Kicken zu zu sehen, bietet aktuell nicht den optimalen Unterhaltungswert. Warum wurde dann ausgerechnet das Bundesliga Comeback so stark in der Öffentlichkeit diskutiert? Wir haben momentan deutlich größere Probleme, als dem FC Bayern München zum achten Mal in Folge zur deutschen Meisterschaft zu gratulieren.

Der Fußball darf kein Ausnahmefall sein

Der Fußball hat eine Sonderrolle in Deutschland, denn die Bundesliga muss sich nicht an die Kontaktbeschränkung halten. Während bald wieder Körperkontakt durch Zweikämpfe erlaubt sein wird, muss sich die Bevölkerung weiterhin an strenge Ausgangsbeschränkungen halten. Ein Witz. Gerade in Bezug auf den Skandal um den ehemaligen Hertha Spieler Salomon Kalou. Dieser hatte während eines Instagram - Livestreams, den Ablauf auf dem Hertha Trainingsgelände gefilmt. Dabei war zu sehen, wie Kalou seine Teamkollegen und Vereins-Mitarbeiter mit Handschlag und Umarmung begrüßte. Die Kontaktbeschränkungen wurden von allen Mitarbeitern ignoriert.

Nachdem zuletzt auch vereinzelt Bundesliga Spieler positiv getestet wurden, spielt die Bundesliga hier ebenfalls auf Bewährung. Mehrere Profis äußerten sich schon skeptisch über die Lockerungen. Spieler sind ohne Ausnahme ebenso eine Gefahr für Risikogruppen. Aus diesem Grunde steht auch die Gesundheit der Spieler und Familien auf dem Spiel.

Auf die Fans kommt es schon lange nicht mehr an

Gerade während der letzten Spieltagen der Bundesliga hat die DFL verstärkt versucht den Kontakt zwischen Fans und Vereinen wiederherzustellen. Gerade die Anhänger älterer Traditionsklubs fühlen sich von der gewinnorientierten Klubführung abgeschreckt. Dennoch spielt die Bundesliga in Zukunft ohne Zuschauer. Gespielt wird auch nicht für die heimischen Fernsehzuschauer. Hierbei geht es allein um die enormen Summen, die die Klubs anhand der TV-Gelder bekommen. Dabei sollen finanziell schwache Klubs vor dem Aussterben gerettet werden. Von Geisterspielen profitieren also nur die Vereine. Aber mal ganz ehrlich: Eine gute Vereinsführung, die jährlich mit millionenschweren Umsätzen zu tun hat, sollte in der Lage sein, sich finanziell in schweren Zeiten abzusichern. Ein Armutszeugnis für den ein oder anderen Bundesliga Klub.

Der Fußball verspielt also seine Existenz. Und es stellt sich die Frage: Für wen jetzt überhaupt wieder gespielt wird? Geisterspiele sind das deutlichste Signal an die Fans: Die Anhänger spielen im Ernstfall eben keine Rolle im modernen Fußball. Wer braucht dann überhaupt noch die Bundesliga?

 

 

Veröffentlicht am 09.05.2020

Mats Kittner

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