Datenschutzeklat bei Facebook

Ist Facebook wirklich kostenlos? Oder zahlt der Nutzer mit seinen Daten? Foto: Adrienne Hattingen

Mit rund 400 Millionen Nutzern weltweit ist „Facebook“ Marktführer der sozialen Netwerke. Allein 280 Millionen Menschen klicken monatlich auf die bekannte Seite. Nur Google kann dies noch toppen. Vor Ostern hatte das Online-Unternehmen seinen Nutzern angekündigt, Kundendaten an „überprüfte“ Websites und Dritte weiterzuleiten.

Bereits bei der Registrierung überträgt das neue Mitglied Facebook eine weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte. Hierunter versteht man generell alle Daten, die durch das Netzwerk „geteilt“ werden.

Bis zum 3. April konnten die Nutzer Facebooks diesen Vorschlag diskutieren. Vorallem den 7,5 Millionen deutschen Mitgliedern schmeckte dieser Entwurf garnicht. Darunter auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), die einen öffentlichen Brief an den Facebook-Chef Mark Zuckerberg schrieb, in dem sie fordert, dass Facebook sicherstellen müsse, „dass die persönlichen Daten aller Mitglieder umfassend geschützt werden, die geplanten Änderungen der Nutzungsbedingungen allen Mitgliedern klar und deutlich bereits vor jeder Änderung mitgeteilt werden müssen und die persönlichen Daten nicht ohne Einwilligung an Dritte weitergeleitet werden.“
Ministerin Aigner kündigte an, ihre Mitgliedschaft zu beenden, wenn Facebook sich nicht bereit zeigt, seine Firmenpolitik zu ändern.

Richard Allen, Manager der Facebook Inc., reagierte in einem Schreiben auf die Bundesministerin und bot ihr ein Treffen in Berlin an. Dieses Schreiben wurde allerdings nicht veröffentlicht.

Auch die Verbraucherzentrale (vzbv) und Stiftung Warentest bemängelten den laschen Umgang mit den persönlichen Daten der User. Besonders schlecht schneiden in diesem Test amerikanische  Netzwerke ab, unteranderem auch Facebook.

Bereits im Sommer 2009 hatte die Verbraucherzentrale einige soziale Netwerke auf Grund ihrer mangelhaften Vertrags- und  Datenschutzbestimmungen (AGB) abgemahnt. Die meisten Netzwerke verbesserten daraufhin die besagten Passagen oder nahmen sie gänzlich aus ihren Geschäftsbedingungen. Anders Facebook: Eine Sprecherin erklärte gegenüber „stern.de“, das Unternehmen habe seinen Datenschutz in Deutschland nun nach dem deutschen und nicht dem amerikanischen Recht gerichtet.

Offen bleibt hier jedoch der Interpretationsraum des Gesetzes. Rechtsanwalt Carl-Peter Piepenstock, Dozent an der BiTS, verweist in einem Interview mit BiTSnews auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Dieses umfasst sowohl das Recht auf Privatsphäre als auch auf die Datensicherheit.
„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in Deutschland anerkannt und hat auch Grundlage in den Datenschutzgesetzten gefunden. Auch ist es in Europa relativ unbestritten. Allerdings nicht in den USA. Wenn Daten aus dem europäischen Rechtsraum hinausgelangen, gelangt man in eine große Rechtsunsicherheit und hat keinen Rechtsschutz mehr.“

Verbraucherzentrale ruft zum Boykott auf

Die vzbv rät den Verbrauchern, gemeinsam mit ihren Freunden einen anderen, sicheren Anbieter zu suchen.
Vor allem kritisiert der Verbraucherschutz, dass die Nutzer die Weitergabe von Daten aktiv verhindern müssen (Opt-out). Hierbei handelt es sich um eine bewusste Voreinstellung seitens Facebook, sodass möglichst viele Informationen öffentlich sichtbar sind und von Facebook genutzt werden können. Erst wenn der User es geschafft hat, sich durch das doch unübersichtliche Menü bis zu seinen Einstellungen vorzukämpfen, kann er seine Daten verbergen.

Die Verbraucherzentrale fordert, dass die sogenannte Opt-In-Funktion die Regel sein müsste. Der Nutzer gibt aktiv seine Einwilligung bei der Weitergabe und Nutzung seiner persönlichen Daten.

Stiftung Warentest erteilt dem Marktführer in der Aprilausgabe 2010 die Note „mangelhaft“ im punkto Datenschutz und stellt fest, dass hauptsächlich bei Online-Gemeinschaften mit Sitz in den Staaten der europäische Ansatz der „informationellen Selbstbestimmung“ auf der Strecke bliebe.

Den Test der Stiftung im Bereich Datenschutz lehnten Facebook als auch alle anderen getesteten US-Netzwerke ab.  „Wir machen eher ein Geheimnis um unsere Sicherheitsheitsmaßnahmen, weil wir uns in einem Wettrüsten zwischen uns und den bösen Buben befinden.“, sagte Richard Allen gegenüber stern.de.
Bei dem Test haben sich Mitarbeiter der Stiftung als Hacker betätigt, um herauszufinden, ob die Netzwerke die Daten ihrer Nutzer ausreichend schützen.

„Viele Nutzer machen willentlich und unter ihren eigenen Kontrolle viele Informationen öffentlich.“

Meldet man sich zum ersten Mal bei Facebook an, so sind die Angabe von Name, E-Mail Adresse, Geschlecht und Geburtsdatum verpflichtend. Der Nutzer behält formal die Rechte an seinen Daten, muss Facebook aber weitgehend die kommerzielle und sonstige Nutzung zugestehen. Auch nach der Löschung bzw. Deaktivierung des Benutzerkontos hält Facebook weiterhin die Rechte an Bildern, Videos und Texten, die der einstige Nutzer veröffentlichte.

Dies erinnert stark an eine Vorratsdatensammlung, führt man sich einmal die Zahlen der monatlichen Uploads vor Augen: eine Milliarden Bilder und zehn Millionen Videos werden pro Monat bei Facebook online gestellt. Ob hierbei wirklich jeder Nutzer weiß, wie er diese vor Zugriffen Fremder schützt, ist fraglich.

Die Weitergabe der Daten an Dritte begründet Facebook wie folgt: „Um dir die Möglichkeit zu geben, auch außerhalb von Facebook nützliche Erfahrungen im sozialen Bereich machen zu können, sind wir gelegentlich gezwungen, anderen überprüften Webseiten und Anwendungen, die sich auf die Facebook-Plattform stützen, allgemeine Daten über dich zur Verfügung zu stellen, wenn du diese besuchst (wenn du noch bei Facebook angemeldet bist).“ Gemeint ist hierbei nichts anderes als die Schaltung verhaltensbasierte Werbung.

„Nothing is for free. Somebody has to pay for it.“

So drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass Facebook einen lukrativen Datenhandel betreibt. Dies deutet auch Carl-Peter Piepenstock an: „Facebook will Geld verdienen. Persönliche Daten werden Wirtschaftsunternehmen zugänglich gemacht.“
Der Nutzer geht davon aus, dass die facebook’schen Dienstleistungen kostenlos sind, bemerkt aber nicht, dass er längst schon selbst zur Ware geworden ist.

Richard Allen sieht die Verantwortung für die veröffentlichten Inhalte beim Nutzer: „Die Plattform ist nicht die Quelle von Informationen, sonder Sie oder ich oder jeder von uns.“

 

von Adrienne Hattingen und Paulina Dobek

Veröffentlicht am 20.04.2010