Kinobesuch mal anders

Die Wiedergeburt des Autokinos

Autokinos werden in Deutschland immer beliebter. Das Bild zeigt das Autokino am Seilersee. Foto: Max Sinn

Die aktuelle Pandemie-Situation lässt Autokinos in ganz Nordrhein-Westfalen wiederaufleben. Seit Kurzem gibt es dieses Angebot auch im Sauerlandpark in Hemer. Jeden Abend sind dort, vorerst bis zum 1. Mai, verschiedene Kinofilme zu sehen. MAERKZETTEL hat sich ebenfalls unter die zahlreichen Autos gemischt.

HEMER. Noch eine Stunde bis das Programm beginnt. Ich fahre mit meinem Auto auf eine lange Schlange zu, die sich bereits vor der Einfahrt gebildet hat. Kurz darauf werden bereits die Tore geöffnet und die Kolonne setzt sich langsam in Bewegung. Ich fahre an Mitarbeitern vorbei, die mit Mundschutz bekleidet kontrollierend in jedes Auto schauen. Nachdem mein Ticket, welches ich schon Zuhause ausdrucken musste, durch die Fensterscheibe gescannt ist, winkt mich ein Ordner zu sich herüber. Vor ihm sind Markierungen auf dem Boden, zwischen denen ich parken muss. Mein Auto und ich sind bereit für den Film.

Autokino - Nichts Neues

Autokinos werden bei uns derzeit immer beliebter. Gab es zu Beginn der 70er-Jahre noch Dutzende dieser Sorte Kinos in Deutschland, waren sie bis zuletzt fast komplett von der Bildfläche verschwunden. Doch die Corona-Krise und die damit verbundene Kontaktsperren lassen viele Organisatoren kreativ werden. Seit Ausbruch der Pandemie sind bereits über 120 Anträge auf UKW-Frequenzen gestellt worden. Die Radiofrequenzen benötigt der Veranstalter, damit die Zuschauer in ihrem Auto überhaupt den Ton des Films hören können.

Langsam füllt sich der Platz vor dem Grohe-Forum. Über hundert Autos finden auf dem Gelände des Sauerlandparks Platz. Einen Stellplatz aussuchen kann der Zuschauer sich nur indirekt, denn wer das kleinste Auto hat, kommt auch am ehesten nach vorne. Doch auch die Sicht von hinten ist nahezu uneingeschränkt, da die Autos versetzt stehen. Somit hat niemand ein anderes Auto direkt vor sich.

Services? Jein!

Um in der aktuellen Situation den Kontakt so weit wie möglich zu vermeiden, werden vor Ort keine Getränke und Snacks verkauft. Darüber muss ich mir jedoch keine Gedanken machen. Ich bin ausreichend ausgestattet mit Nachos mit Soße, Softdrinks und weiteren Leckereien. Und das viel günstiger als bei einem normalen Kinobesuch.

Die Zuschauer sind zudem darauf angewiesen, im Auto sitzen zu bleiben. Doch eine halbe Stunde vor Beginn des Films erkenne ich ganz vorne zwei Personen, die von Auto zu Auto laufen. Je näher sie kommen, desto besser kann ich es sehen: zwei Fensterputzer. Mit Händen und Füßen gestikulierend (ihr Mund war ja mit einem Mundschutz bedeckt) fragen sie die Zuschauer, ob sie ihnen die Windschutzscheibe säubern sollen. Dieses kostenlose Angebot nutze ich natürlich gerne.

Verlauf des Films

Unmittelbar vor Beginn des Films lasse ich mein Fenster herunter, um mal von meinem „Sitznachbarn“ zu hören, wie er die Idee des Autokinos findet. Doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Denn er sitzt in seinem Auto, das fünf Meter von meinem entfernt steht. Also muss ich winken, bis er in meine Richtung schaut. Auch er lässt seine Scheibe herunter und ich rufe ihm zu: „Wie finden Sie das Autokino?“ „Gefällt mir sehr gut“, ruft er zurück. Ich merke, kommunizieren fällt hier deutlich schwerer. Trotzdem frage ich ihn noch, ob er das erste Mal im Autokino ist. „Letzte Woche war ich schon einmal in einem, aber davor hat es fast fünfzig Jahre gedauert, bis ich eins besucht habe“, antwortet er mir. Für mich ist es tatsächlich der erste Besuch in einem Autokino und ich hatte im Vorhinein gar keine Vorstellung, wie es werden würde.

Dann ist es soweit. Pünktlich um 19:30 Uhr startet der Film. Ohne vorher noch eine halbe Stunde Werbung zu sehen, geht es in das Geschehen. Auf der großen LED-Leinwand, die extra aufgebaut wurde, läuft die Komödie „Das perfekte Geheimnis“. Selten höre ich einen Motor anspringen, wenn das Radio mal wieder ausgegangen ist. Ein schöner Vorteil einer Radioübertragung ist, dass ich die Lautstärke einfach höher drehen kann, wenn ich mal wieder zu laut meine Nachos esse. Doch wenn der Film läuft, fühlt sich fast nichts anders an als bei einem normalen Kinobesuch, außer, dass zwischen mir und der Leinwand eine Scheibe ist.

Ende im Gelände

Nach fast zwei Stunden ist das Erlebnis vorbei. Nicht nur der Film sorgte für eine sehr gute Unterhaltung. In Kombination mit dieser besonderen Atmosphäre der vielen parkenden Autos war es ein toller, ganz anderer Kinoabend. Ich habe für mich beschlossen, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich ein Autokino besucht habe. Doch dafür muss ich schnell sein, denn trotz der vielen Autokinos in Nordrhein-Westfalen sind die Tickets immer sehr schnell vergriffen.

Einige Warteminuten später werden auf der anderen Seite des Geländes die Tore geöffnet. Nacheinander fahren die Autos in Schrittgeschwindigkeit los. Chaos gibt es nicht, schließlich ist der Platz nicht ausreichend, um sich an der Ausfahrt die Pole Position zu ergattern. Bei der Ausfahrt angekommen einmal abbiegen, in den Kreisverkehr fahren und ab nach Hause.

Von Max Sinn
Veröffentlicht am 25.04.2020