Die Schöne und das Biest

Ein Blick hinter die Kulissen eines Staatsballetts

Die Probe. Foto: Luisa Bialas
Die Drehungen müssen Sitzen. Foto: Luisa Bialas
Und auch die Sprungkraft darf nicht fehlen. Foto: Luisa Bialas
Kurz vor dem großen Auftritt. Foto: Luisa Bialas

ISERLOHN. Acht Tage nach der modernen Tanzkomposition von „Ballett meets Pop“ ging es im Parktheater ganz klassisch mit einem rumänischen Staatsballett weiter. Das „Teatrul National De Opera Si Balet ‚Oleg Danovski‘ Constanta“ führte ebenfalls „Die Schöne und das Biest“ auf. Was für eine Arbeit steckt hinter solch einem Staatsballett?

Spitzenschuhe, Körperspannung und Disziplin. Bereits zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung trifft das „Teatrul National De Opera Si Balet“ im Parktheater ein. Es geht los mit einem strengen Aufwärmprogramm. Die Muskeln müssen gedehnt sein um die tänzerischen Elemente ohne Verletzungen ausführen zu können. Vor allem die Spagate werden ausgiebig geübt: Das vordere Bein auf eine Erhöhung legen und das Becken runterdrücken, sodass man im Frauen- bzw. Überspagat sitzt. Nachdem sich sorgfältig aufgewärmt wurde, geht es mit der Probe einzelner Elemente weiter.

Die Probe vor dem großen Auftritt. „Unu, doi, trei“. Der Choreograph Horatiu Cherches zählt an. Die Tänzerinnen und Tänzer hören auf sein Kommando. Zunächst zeigt er, welche Übungen gemacht werden sollen. Danach sind die Tänzer dran. Anspannung macht sich breit und sie proben, bis alles sitzt. Klappt etwas nicht, wird es nochmal und nochmal geübt.
Aber nicht nur die tänzerischen Elemente müssen sitzen, sondern auch das Licht und die Musik. Darum kümmert sich die technische Leitung, Gelu Râpă. Mit seinem Funkgerät sitzt er während der Probe in der ersten Reihe und gibt dem Ton-Mann, Denis Mustafa, Bescheid, wann er die Musik anmachen und langsam ausblenden soll. Das Gleiche gilt für das Licht. Auch hier gibt Râpă dem Zuständigen, Theodor Petricilă, per Funk Bescheid, wann welche Beleuchtung benötigt wird. Während der Aufführung hält sich die technische Leitung hinter der Bühne auf und kümmert sich darum, dass Musik und Licht punktgenau an der passenden Stelle an und ausgeschaltet werden. Eine starke Koordinationsleistung, aber „man gewöhnt sich daran, da man sich durchgängig mit dem Stück befasst“, verrät Gelu Râpă.

„Wir üben fast jeden Tag“  

Um solch ein Stück auf die Bühne zu bringen braucht es viel Übung. „Wir fangen morgens um zehn Uhr an und beenden das Training gegen sechs oder sieben Uhr abends. Wir üben fast jeden Tag und am Wochenende haben wir die Aufführungen“, erzählt Monica Cherches, Künstlerische Leitung und Choreografie Assistentin ihres Mannes. Montags ist dann Ruhetag, bevor es wieder losgeht mit üben, üben, üben. Während des Trainings passieren häufig Unfälle. „Das sieht das Publikum nicht, das sehen nur wir. Das Publikum möchte sich eine gute Performance anschauen, das ist das Wichtigste“. Deshalb gibt es immer eine Zweit- oder sogar eine Drittbesetzung. Wer davon nun letztlich die Rolle tanzt, wechselt von Aufführung zu Aufführung, „damit niemandem langweilig wird“, verrät Cherches.
Nicht nur das Training ist für einen Tänzer entscheidend, sondern auch sein Lebensstil. Man muss darauf achten was man isst und wie viel man schläft. Vor einem Auftritt muss man ausgeruht und fit sein. Ist das überhaupt möglich, wenn man so viele Auftritte in unterschiedlichen Städten und Ländern hat? Seit dem 23. November tourt die Gruppe des „Teatrul National De Opera Si Balet“ bereits durch Deutschland und kehrt erst am letzten Tag des Jahres nach Rumänien zurück. Nach der Aufführung in Iserlohn geht es weiter nach Amberg. „Man gewöhnt sich an das viele Reisen. Das ist unser Job und es gefällt mir. Tänzer sein ist ein sehr schöner Beruf“, so Monica Cherches, sie spricht aus Erfahrung, denn sie ist bereits seit 1982 im „Teatrul National De Opera Si Balet“ tätig – damals noch selbst als Tänzerin. „Man hat verschiedene Leben, da man sich immer wieder in neue Rollen hineinversetzt. Das Publikum muss einem eben glauben, dass man in dem Moment auf der Bühne Belle oder das Biest ist“. 

Die Schaffung eines Meisterwerks

Zwei Monate hat es gedauert, bis die komplette Choreografie erstellt und einstudiert war. Aber wie entsteht eine solche Choreografie überhaupt? Ein Choreograf hat einiges zu beachten, wenn er eine Geschichte in ein tänzerisches Stück adaptieren möchte. Um sie zu erzählen, bedienen sich die Tänzer nur ihrer Körpersprache und nicht ihrer Stimme. Das Wichtigste hierbei ist, dass das Publikum die Geschichte versteht. Bevor sich der Choreograf aber die tänzerischen Feinheiten überlegt, sucht er zunächst die Musik aus. Horatiu Cherches hat für „Die Schöne und das Biest“ Musikstücke des berühmten Komponisten Peter Tschaikowsky ausgewählt. „Das Härteste an der Erstellung einer Choreografie, ist die Phase bevor man ins Tanzstudio geht“, verrät Cherches. „Die Musikfindung ist dabei eine der schwersten Aufgaben. Sie muss sprechen, im Einklang mit den tänzerischen Bewegungen“.  Diese Phase kostete Cherches einen Monat. Wenn es dann ins Tanzstudio geht, um die tänzerischen Elemente und Feinheiten passend zur Musik zu bilden, braucht der Choreograf jemanden vor sich, dessen Leistung er begutachtet. Einen weiteren Monat dauerte es dann, bis alle Elemente des Balletts saßen und das Stück bühnenreif war.

Zurück im Parktheater, kurz vor Showbeginn.

20 Minuten vor dem großen Auftritt. Die letzten Feinheiten werden geprobt und dann heißt es schon: rein in die Kostüme und Spitzenschuhe an. Der Saal füllt sich und das Ballett beginnt pünktlich um 20:00 Uhr. Auf der Bühne sind die Tänzer nicht mehr sie selbst. Mizuki Kubota wird zur schönen Belle und Bogdan Bîrsănescu zu ihrem Vater Philippe. Ryan Brown ist jetzt das Biest und Cătălina Iliescu hat sich in eine wunderschöne Rose verwandelt, die ihm die Zeit vor Augen hält. Die Rollen wurden also glaubhaft verkörpert, was auch an der Reaktion des Publikums deutlich erkennbar war: es schenkte den Tänzern einen begeisterten und stehenden Applaus. 

Von Luisa Bialas
Veröffentlicht am 23.12.2019

Luisa Bialas

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