Fackelwanderung- Eine Reise in die Vergangenheit des Ruhrtalbergbaus

Lampen dieser Art erhellten den Bergleuten den Weg in die Tiefe der Stollen. Foto: Fenja Volkmann
Arbeitsgeräte, ausgestellt im alten Bethaus der Bergleute. Foto: Fenja Volkmann
Lampen dieser Art erhellten den Bergleuten den Weg in die Tiefe der Stollen. Foto: Fenja Volkmann

Witten. Der Mond scheint hell am Samstagabend, hier und dort knackt es im Unterholz und die Schreie von Vögeln ertönen hoch über den Wipfeln der Bäume. Eine unheimliche Atmosphäre für die Erkundung der Wiege des Ruhrtalbergbaus.

Etwa 20 Wanderer haben sich am Samstag, den 5. November, am alten Bethaus der Bergleute eingefunden, um die Geschichte des Muttentals im Schein von Fackeln zu erkunden. Das Muttental, welches als die Wiege des Ruhrtalbergbaus gilt, ist für viele Sagen bekannt. Zu Beginn erzählt Dieter Langemann, Leiter der Wanderung, welche durch die Stadt Witten organisiert wird, die Geschichte eines jungen Schweinehirten, der in diesem Tal die erste Steinkohle im Ruhrgebiet entdeckt haben soll. Dieser hatte sich, so berichtet er, an einem Abend ein wärmendes Feuer entzündet und fand am nächsten Morgen die Steine seiner Feuerstelle glühend vor. Möglicherweise erhielt das Muttental aufgrund dieser Sage seinen Namen, denn das Wort "Mutte" bedeutet Muttersau und ist so möglicherweise auf den jungen Schweinehirten und seine Herde zurückzuführen. Wann und wo genau jedoch die erste Steinkohle an der Ruhr gefunden wurde, lässt sich heute nicht mehr bestimmen.                                                

60 Mark pro Monat

Nachdem alle Fackeln angezündet sind, geht es auf in die Dunkelheit des Waldes. Nach nur fünf Minuten gibt es den ersten Halt an einem Ausstellungskasten, in welchem sich der große Motteck (ein Hammer) sowie anderes Arbeitsmaterial zum Abbau der Kohle befindet. Dieter Langemann berichtet von den schweren Arbeits- und Lohnverhältnissen der Bergbauarbeiter bis zu der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. So verdiente ein einfacher Kumpel ungefähr 60 Mark in einem Monat, mit welchem er den gesamten Unterhalt seiner Familie bestreiten musste. Viele von ihnen lebten am absoluten Existenzminimum. Zum Beispiel, war einfache Butter damals ein Luxusprodukt, was sich der Großteil der Arbeiterschicht nicht leisten konnte. Selbst für ein einfaches Roggenbrot waren viele Arbeitstunden nötig - heute kaum vorstellbar.

Kinderarbeit verboten!

In Ländern wie England war es ganz normal, dass Kinder schon im zarten Alter von drei bis vier Jahren in die Stollen geschickt wurden. Das war im damals preußischen Ruhrgebiet anders. Kinder durften erst ab zehn Jahren die schwere Arbeit des Kohleabbaus verrichten oder in Fabriken arbeiten. Der Grund war jedoch nicht Freundlichkeit oder der Schutz der Kinder, sondern dass die kleinen Körper sehr schnell verschlissen und somit nicht mehr für das preußische Militär zu gebrauchen gewesen wären, weiß Dieter Langemann zu berichten.

Holzgeschrei rettet Leben

Auf der ungefähr einstündigen Wanderung erfahren die Teilnehmer viel Geschichtliches, reichlich "gepfeffert" mit Anekdoten und Witzen. Auf dem Weg befindet sich die erste Pferdeeisenbahn Europas, welche durch Levin von Elverfeld eingeführt wurde, sowie einige Eingänge alter Stollen. Man erfährt, was ein Deutscher Türstock ist und warum er Sicherheit bot. Es handelt sich hierbei um den Nadelholzausbau eines Stollens, dessen Vorteil es war, dass man es bei einem Stolleneinbruch brechen hörte. So vergrößerte das sogenannte Holzgeschrei die Chance sich rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können. 

Glückauf! Der Steiger kommt.

Zurück beim alten Bethaus soll der Abend mit einer Knappenschlagung ausklingen. Dazu bereit erklärt hat sich Helena, die erst seit kurzer Zeit in Witten wohnt. Sie bekam die Fackelwanderung zum Geburtstag geschenkt, um ihre neue Heimat besser kennenzulernen. Bei der Knappenschlagung handelt es sich um ein altes Ritual, bei dem sich der zukünftige Knappe zunächst eine Person wählt, der er Vertrauen schenkt. Diese Person bildet dann eine Art Räuberleiter, in welche, in diesem Fall Helena, ihren Kopf legt. Folgend wird eine Schüppe an das zuvor angelegt Arschleder am Allerwertesten gehalten. Zum Abschluss wir mit dem Motteck auf die Schüppe geschlagen. Nun darf  Helena also den Titel  "Bergknappe ehrenhalber" tragen. Abgerundet wird das Ganze mit einem Schluck "Grubenwasser", einem starken Schnaps, bevor das berühmte Steigerlied angestimmt wird. In der letzten Strophe heißt es: "Wir Bergleut' sein kreuzbrave Leut', denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht und saufen Schnaps".                                                                        
Danach klingt der Abend gemütlich mit etwas Glühwein, oder alternativ Kinderpunsch, aus. Wer selbst etwas mehr über den Ruhrtalbergbau erfahren möchte, kann dies an vielen kommenden Samstagen, bei vorheriger Anmeldung, tun oder einfach bei Tageslicht den Bergbaurundweg des Muttentals erkunden.

Von Fenja Volkmann
Veröffentlicht am 07.11.2011