Krimispezial: Ein Leuchten im Dunkeln Teil 5

Grafik: Simon Albers

In den letzten Teilen der Krimiserie stießen Kommissar Scholz und seine Kollegen Thorsten und Specki auf drei Leichen, die offenbar Teil einer Mordserie sind. Alle Leichen haben dasselbe Moos unter den Fingernägeln. In dem Wald, aus dem das Moos stammt, findet Scholz eine Spur, eingeritzt in ein Stück Baumrinde.

Scholz griff nach dem Stück Rinde, so ungestüm, dass es von dem feuchten Stein glitt und zu Boden fiel. Er rappelte sich auf und sah sich um. Von seinen Kollegen war weit und breit nichts zu sehen. Hastig kniete er sich neben den Ast, auf dem er ausgerutscht war, und kramte im Laub nach dem Stück Rinde. Dunkle Kreise bildeten sich an seinen Knien, wo sich die Feuchtigkeit der Erde in seine alten Jeans fraß. Schließlich zog er mit dreckigen Fingern ein Stück Baumrinde aus dem Laub, das so groß war, wie seine beiden Handflächen zusammen.

Zeichenrätsel

Die Kerben in dem vom Regen aufgeweichten Holz waren fein, aber gut zu erkennen. Ein Taschenmesser, dachte Scholz, oder ein Teppichmesser, jedenfalls kein einfacher spitzer Gegenstand, der willkürlich benutzt worden war. Akkurat zog sich eine lange dünne Linie über die gesamte Fläche zu einem Kreis zusammen. In dem Kreis waren winzige Zahlen und Buchstaben eingeritzt, so klein, dass Scholz die Rinde näher an sein Gesicht halten musste, um alles erkennen zu können. Scholz starrte auf die Zeichen, so intensiv, dass sie sich bald in seinem Kopf zu drehen begannen. Vielleicht Nachwirkungen der letzten Nacht? Doch je länger er starrte, desto mehr Strukturen erkannte er in dem Wirrwarr. Einige Zahlen schienen ein Datum darzustellen. 13 07 86 ME 27 03 57 HA 14 10 64 IS. Waren das Geburtsdaten? Scholz kratzte sich am Kinn und stützte sich mit der freien Hand am Boden ab, um aufzustehen. Seine Knie taten ihm weh und sein linker Fuß war eingeschlafen. Fest trat er auf den mit Blättern übersäten Boden, um das unangenehme Kribbeln in der Fußsohle los zu werden. Dann griff er nach seinem Handy. „Thorsten? Ich hab‘ da was. Wir treffen uns in zehn Minuten am Wagen. Sagst du Specki Bescheid?“ Vom anderen Ende der Leitung kam nur ein kurz angebundenes „Okay“, dann hatte Thorsten schon wieder aufgelegt.

Scholz blickte sich noch einmal um. Ein kühler Wind strich durch die Blätter des nächsten Baumes, doch dessen Rinde war, soweit Scholz sehen konnte, unbeschädigt. Auch in der Nähe konnte er keinen Baum ausmachen, dem ein gut 15cm großes Stück Rinde fehlte. Also machte er sich auf den Weg zum Auto, das Stück Rinde fest in der linken Hand.

Scholz war der erste am Wagen. Während er wartete wurden seine Kopfschmerzen wieder schlimmer. Sein Blick fiel auf die Rinde in seiner Hand. Noch einmal nahm er sie hoch und betrachtete den Kreis mit den kleinen Zeichen. Noch einmal studierte er die Zahlen und Buchstaben. Wenn das wirklich Daten waren… aber was hatten dann die Buchstaben zu bedeuten? ME, HA, IS. ME, HA, IS! Wenn…? Aber das war viel zu einfach!

Des Rätsels Lösung?

„He!“ Scholz Kopf fuhr nach oben und er ließ vor Schreck die Rinde fallen. „Was’n das?“ Vertieft in das Rätsel auf dem Holz hatte er Thorsten gar nicht kommen hören. „Erschreck mich doch nicht so“, murrte er seinen Kollegen an und nahm ihm das Stück Holz, das Thorsten aufgehoben hatte, aus der Hand. „Wo ist Specki?“ „Müsste auch gleich kommen, hab ihm Bescheid gesagt. Also, schieß los, was hast du gefunden? Warst du Feuerholz sammeln?“ Thorsten grinste. „Nein! Schau mal…“ Er zeigte Thorsten das Holz. „Hier, da sind Zahlen, die sollen glaub ich jeweils ein Datum ergeben, vielleicht ein Geburtsdatum?“, sprudelte es aus ihm heraus. „Und die Buchstaben könnten für Städte stehen.“ Thorsten starrte ihn verblüfft an, und er wusste, dass er Recht hatte.

Fünf Minuten vergingen, aber keine Spur von Specki. Und auch zehn Minuten später war er nicht wieder bei den Autos, wo Scholz und Thorsten langsam nervös wurden. „Ich ruf ihn an“, sagte Thorsten. Aber aus dem Wald kam keine Antwort. „Das kann doch jetzt nicht wahr sein“, murmelte Scholz, während er weiter auf und ab ging. „Wir müssen ihn suchen!“ Er blickte Thorsten an und sah die gleiche Angst in seinen Augen aufblitzen, die auch in ihm in den letzten Minuten langsam aufgekommen war. Beide stürmten los, halb gehend, halb rennend, Richtung Süden in den Wald.

Das Loch im Wald

Sie schlugen sich durch den immer dichter werdenden Wald. „Specki? Speeeckii!“ Während Thorsten immer lauter rief, war Scholz plötzlich stehen geblieben. Er hatte etwas gehört, oder hatte er es nur hören wollen? Aber nein, da war es wieder! Es kam von links. Er schwenkte um und lief seinem Gehör nach. Gleichzeitig hörte er, wie ein Stück weiter hinter ihm Thorsten umkehrte und ihm folgte. Er hatte aufgehört zu rufen.

„Haaalloo“, hörte Scholz plötzlich ganz nah und bremste gerade noch so ab, indem er sich auf die Seite fallen ließ. „Aah!“, stieß er aus, als ein spitzer Stein seinen Unterarm aufkratzte. Doch er kümmerte sich nicht darum. „Specki?“ Vor ihm war ein riesiges Loch, vielleicht zwei Mal zwei Meter groß und bestimmt vier Meter tief. Und in dem Loch stand Specki. „Da seid ihr ja endlich! Könnt ihr mich hier raus holen?“ Keuchend tauchte Thorsten neben dem Loch auf. „Specki, alles okay?“ Er legte sich am Rand des Lochs auf den Bauch und streckte Specki seine Hand entgegen. Doch der schaffte es nicht, diese zu greifen, so sehr er sich auch bemühte. Genervt schaute Thorsten Scholz an. „Kannst du vielleicht mal helfen?“ Doch Scholz hörte seinen Kollegen nicht. Er starrte auf die Hand, die Specki noch immer in die Luft streckte. Seine Fingernägel waren dunkel. Unter ihnen haftete Moos.

Von Katharina Schuldt
Veröffentlicht am 05.11.2012